Wie ist der Trend zur nackten Männerbrust eigentlich entstanden? Und warum fragt uns keiner? Über Körperbehaarung im Allgemeinen und im Einzelnen von einer, die nicht mitentscheiden durfte.

Schwimmunterricht in der Quarta, 70er-Jahre. Irgendjemand behauptet, dass Frauen, die behaarte Unterarme haben, einen reichen Mann bekommen. Wir Mädchen vergleichen unseren Haarwuchs. Sven G. dreht sich die vielen blonden, nassen Haare an seinem linken Arm zu Bündeln zusammen und grinst: "Eine Million, zwei Millionen, ..." Falsch verstanden Sven, es ging doch um Frauenarme!

Was auch immer das für eine Binse war, es war der Moment, als mir erstmals bewusst wurde, dass Frauen und Männer unterschiedlich stark behaart sind.

Bleiben wir in der Schulzeit und in der Schwimmhalle. Hier sollte sie ihren Ursprung nehmen, die Ambivalenz, die entsteht, wenn beide nah beieinander liegen: Faszination und Aversion. Bei einem Turnier sehen wir Mädchen erstmals den Lehrer der Parallelklasse in Badehose. Meine Güte, ist der behaart! Sogar Haare auf den Schultern und den halben Rücken runter ...

Wann Behaarung als unnormal angesehen wird, hängt hauptsächlich von sozialen Gegebenheiten ab. In manchen Kulturen wird Brustbehaarung als Merkmal für Männlichkeit angesehen, in anderen gilt ein haarloser Körper als Ideal. Bereits im Mittelalter wurden in Europa Körperhaare entfernt, aus Gründen der Reinlichkeit. Hygiene ist auch der Grund, dass der Islam seinen Gläubigen die Entfernung der Achsel- und Schambehaarung vorschreibt.

Seit den 90ern ist auch in Europa die Bereitschaft zur Enthaarung gestiegen. Die USA waren bei diesem Trend der Vorreiter. Vor allem bei Frauen gelten Haare an den "falschen Stellen" als unästhetisch, über Werbung und Frauenmagazine wird der stete Trend zur glatten, haarlosen Haut kommuniziert. Je knapper der Bikini, desto weniger Haare am Körper. So die Gleichung. Vielleicht funktioniert's dann wie beim Saubermachen. Man kann sich hineinsteigern bis zum Putzwahn. Das hysterische "Iiih, ein Haar!" entstand - und weitete sich auf die Männerwelt aus. Obwohl die Akzeptanz von Körperhaaren bei Männern viel höher ist, beginnt nun auch hier der Trend zur Rasur. Je glatter, desto schöner. Wie konnte es so weit kommen?

Und was ist der eigentliche Grund, dass die Haare am Körper wachsen? Es heißt, Körperbehaarung sei ein Rudiment des Säugetierfells und erfülle als solches keine wesentliche Funktion mehr. Stimmt nicht ganz. An einigen Körperstellen wie den Achseln unterstützen die Haare die Regelung der Temperatur. Weil sie nämlich die Oberfläche vergrößern, kann der Schweiß besser abgegeben werden. Klar, oder? An anderen Stellen des Körpers haben Haare eine schützende Funktion, zum Beispiel im Schambereich. Hier dienen sie der Herabsetzung von Reibung. Aha!

Und jetzt eine weitere Botschaft an alle Rasierjünger: Behaarung verstärkt auch die Sensibilität der Haut. Teile unseres Körpers werden durch Streicheleinheiten erotisch gereizt - die erogenen Zonen der Haut. Berührt man dort nun die Haare, wird der sogenannte taktile Reiz wegen der vergrößerten Oberfläche um ein Vielfaches erhöht. Die Haare leiten die Berührung an die Haut weiter, wo es zu einem Verstärkereffekt kommt. Mit anderen Worten, die Rasur dämmt einen Großteil dieses schönen Gefühls auf der Haut.

Ist denn eine süße kleine nackte Männerbrust überhaupt ernst zu nehmen? Wollen sich nicht alle Frauen an einen männlichen Mann schmiegen? Gehört nicht die natürliche Behaarung dazu? Und was ist mit der Vorstellung, das zarte Frauengesicht auf unrasierte Stoppeln zu legen! Bär oder Nacktmull - gar keine leichte Entscheidung. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Und auf den Trend folgt wie so oft die Trendwende. Denn jetzt zeigen uns die Männermodels auf den Laufstegen tiefe V-Ausschnitte und ja, sogar Brusthaare. Aber dezent, natürlich.

Meine Einstellung zur Brustbehaarung entwickelte sich eher über die Jahre. Was den idealen Mann anging, wusste ich zwar nicht, was ich wollte - aber ganz sicher, was nicht! Bitte, bitte keinen Mann mit Bauch oder mit Haaren auf dem Rücken! Manchmal klappt es mit den Wünschen ans Universum, manchmal zeigt das Universum einem aber auch, was ne Harke ist. Oder wo's langgeht. Brusthaare: Ja, auf jeden Fall!