Studenten der Mode müssen kreativ sein, um Neues zu schaffen. Wie bringt man sie dazu, sich und ihre Kleider immer wieder zu erfinden?

Es ist doch sehr leise im Atelier von Viktoria Greiter. Sie, die Professorin, sitzt mit sechs ihrer Studenten im Stuhlkreis. Um sie herum an den Wänden lehnen Stoffrollen, stehen Kleiderständer mit Kleidern, Hosen, Badeanzügen, manche sehr bunt, andere nur schwarz. Die Stimmung ist intim, die Professorin spricht nur sehr leise, die Studenten hören ihr zu und reagieren auf jedes ihrer Worte, achten auf jede ihrer Bewegungen. Sie ist für die Studenten mehr als nur eine Professorin, sie ist diejenige, die sie sich ausgesucht haben, um von ihr zu lernen und um von ihr auf den richtigen Weg gebracht zu werden, der schon jetzt über die spätere Karriere entscheidet. Der Traum dieser sechs ist Modedesigner zu werden, ist Paris, New York, Mailand. Viktoria Greiter ist auch ihr Mentor, ihr Begleiter, leider aber auch jemand, der Talent sehr schnell erkennt und, was viel wichtiger ist, erkennt, ob Schüler bereit sind, alles zu geben.

Ein paar Tage vor dieser Stuhlkreisrunde, am 16. April, war es sehr laut. Nicht hier im Atelier, sondern im Börsensaal der Handelskammer. Dort haben die Studenten von Viktoria Greiter auf einer Modenschau ihre Kollektionen, "Serien" wie Greiter sagt, gezeigt. Die Beats der Techno-Musik mussten laut sein, für die Models und für die Stimmung. 35 Studenten von Greiter haben auf den Laufsteg geschickt, was sie bereits können. Eine Werkschau vom zweiten bis zum zweistelligen Semester. Die Fallhöhe zwischen den Stücken war groß. Einige Studenten hatten nur drei, vier Teile, andere schickten die Models gleich zweimal raus, hatten aus wehenden, taupefarbenen Stoffen gleich eine ganze Kollektion geschaffen. Sehr professionell, und vieles auch tragbar. Gut, einiges auch nicht. Gelbe Kabel am Kopf oder Eisenspangen wie Hula-Hoop-Reifen an Kleidern befestigt. Dafür aber Avantgarde. Am Ende gab es sehr viel Applaus, Bravo-Rufe, und stolze Nachwuchs-Designer, die am Schluss selbst auf dem Laufsteg defilierten. Genauso wie Viktoria Greiter, die allerdings nach einer kurzen Verbeugung schnell hinter die Bühne schlüpfte. Eine Studentin wollte ihr noch das Mikro reichen. Zu spät.

Auch in ihrem Atelier bewegt sich Viktoria Greiter nur wie ein Gast. Leichtfüßig, guckt mal hier mal da, bleibt an der Kleiderstange stehen, schaut aus dem Fenster. Zum Gespräch bittet sie hinter die Stoffrollen an einen drei Meter langen Arbeitstisch. Hier hat die Professorin also ihr kleines Reich. Sie lächelt und wartet auf die Fragen: Was ist wichtiger für die Karriere, Talent oder Ehrgeiz? "Oft machen gerade die Studenten, die gar nicht so talentiert sind die Karrieren. Das hat damit zu tun, dass man sich auf diesen Beruf voll einlassen muss." Viktoria Greiter führt das in ihrer ruhigen Art aus, das heißt, so sagt sie, dass der Beruf das ganze Leben umspannt, dass man nie aufhört zu arbeiten. Wenn nicht mit den Händen, dann mit dem Kopf. "Das ist in kreativen Berufen so. Irgendwann kommt die Inspiration, die Idee. Und die kommt nicht, wenn man am Schreibtisch darauf wartet." Mit ihren Studenten macht sie keinen Unterricht im herkömmlichen Sinne. Sie versucht durch Übungen und mit Aufgaben ihre Kreativität zu fördern. Sie anzuregen, sich auszuprobieren mit Stoffen, Materialien, Fotos, Vorbildern aus der Kunst. "Die Mode erfindet sich immer wieder selbst, und nur das Neue, Überraschende empfinden wir auch als schön." Manchmal bestimme der Zufall eine ganze Kollektion. Ein Stück Stoff, das man zufällig in die Hand nimmt, ein offenes Buch, ein Satz oder ein Möbelstück. Greiter gehe in ihrer Lehre von einem ganzheitlichen Ansatz aus, dass sich das Leben des Designers mit seiner Arbeit verbindet, weil er nur so etwas Eigenes, Neues schöpfen könne. "Sagen wir mal so. Im Unterricht vermittle ich kreative Werkzeuge, komplexe Verfahrens- und Seins-Weisen. Denn das, was wir machen, hat immer mit der eigenen Person zu tun."

Diese Art Unterricht hat Viktoria Greiter nicht immer verfolgt. Erst im Jahr 2002 entwickelte sie dieses "ganzheitliche" Konzept. Und sie hat damit Erfolg. Denn ihr Erfolg bemisst sich am Erfolg ihrer Studenten, und die gewinnen regelmäßig wichtige Designpreise, und einige arbeiten inzwischen für Designer wie Yves Saint Laurent oder haben ein eigenes Label wie Tonja Zeller in Eppendorf.

Greiter hat, bis sie Professorin wurde, selbst "Serien" entworfen. Nun gibt sie anderen weiter, was sie brauchen, um in der Branche einen Platz zu finden. Und das Geschäft sei sehr hart, fordere sehr viel Mut und Fleiß. Manchmal auch eisernen Willen und Einzelkämpfertum. Trotz all der Schwierigkeiten sei der Beruf des Modedesigners auch krisensicher. "Denn es ist dem Menschen angeboren, schön sein zu wollen. Und bei diesem Wunsch unterstützt ihn vor allem die Kleidung."