Dierk Strothmann über barsche Jungs und streitbare Oberalte an der Mundsburg

Es gibt eine Ecke, an der war Barmbek Ende des 19. Jahrhunderts besonders "basch". In der seinerzeit quirligen Hamburger Straße hatten sich Vergnügungsgärten angesiedelt, in denen die Jugend des Stadtteils gern unter sich war und höchst unangenehm werden konnte, wenn sich Mitglieder der "Stehkragen-Aspiranten" genannten Oberschicht vor allem im Victoria-Garten blicken ließen, der damals Fietje-Goarn genannt wurde.

Ach ja, vielleicht weiß nicht jeder, was eigentlich "basch" bedeutet. Das Wort würde man wohl heute am besten mit "ruppig, pöbelhaft" bezeichnen, könnte sein, dass es von "barsch", also "rücksichtslos" abgeleitet ist, aber es schwingt auch ein Quentchen Hochachtung mit, sodass auch "cool" keine schlechte Übersetzung wäre.

Wie auch immer, friedlich war die Gegend rund um die Mundsburg auch zuvor nicht. Im Gegenteil. Mehr als 200 Jahre lang balgten sich der Hamburger Senat und das Kollegium des Heiligen-Geist-Hospitals darum, wer nun seine Tiere auf der Papenhude und der Rönnhaide grasen lassen durfte, die Bauern aus Barmbek, denen das Oberaltenkollegium des Hospitals zum Heiligen Geist die Erlaubnis erteilte oder die Schäfer aus St. Georg, deren Herden unter dem Schutz des hochweisen Hamburger Rats standen. Ob das der wohlhabende Johann Hinrich Mundt (oder Mund, darüber herrscht keine Einigkeit in den Quellen) wusste, als er 1721 für 4525 Mark Courant, eine durchaus ansehnliche Summe, die aus einem "Immenhof" bestehenden Ländereien des verstorbenen Oberalten Colbrandt erwarb, ist nicht bekannt. Jedenfalls pachtete er noch ein paar Hektar hinzu, was ihn zu einem interessanten Objekt der Begierde machte. Die Oberalten sicherten sich seine Dienste, indem sie ihn zwangen, das Wappen des Hospitals anzubringen, was natürlich mit ein paar zusätzlichen Zahlungen verbunden war.

Erst nach dem Eingreifen des damaligen Bürgermeisters Nicolaus Stampeel und ein paar weiteren Jährchen einigte man sich am 25. April 1744 auf einen Kompromiss, der das umstrittene Gebiet in zwei gleich große Hälften teilte. Nun konnte Johann Hinrich Mundt ungestört am Ausbau seines Gemüsehofs weiterarbeiten und den Namen "Mundsburg" voller Stolz vor sich her tragen. Lange hatte er nichts davon, er starb schon zwei Jahre später.

Die Gegend war nun aber deutlich beruhigt (obwohl die Barmbeker Bauern den Grenzgraben einfach zuschütteten) und entwickelte sich prächtig, es entstand unter anderem eine Mühle. Dann kamen die Franzosen und machten im Namen ihres Kaisers alles dem Erdboden gleich. Das war 1813.

Aber da Katastrophen ja auch immer Chancen bedeuten, krempelten die Mundsburger die Ärmel hoch, und so wuchs aus dem verödeten Gebiet im Laufe der folgenden Jahrzehnte ein ungewöhnlich lebendiger Stadtteil. Wenn man in dem Buch von Fritz Lachmund "Das alte Barmbek" blättert, wird klar, wie attraktiv die Gegend war, mit zahlreichen Geschäften, Bäckereien und Feinkostläden, Gastwirtschaften und Gartenlokalen.

Dem wurde dann durch die Bombenangriffe 1943 gründlich der Garaus gemacht. Wieder stand dort kaum noch ein Haus und wieder gelang die Wiederbelebung. Einigermaßen jedenfalls.