Dierk Strothmann über das elitäre Spiel mit Ross und Reiter.

Wenn es darum geht, so englisch wie die Engländer zu sein, vielleicht sogar noch ein wenig mehr, dann macht niemand auf der Welt den Hamburgern etwas vor. Das gilt besonders für elitären Sport, bei dem es um das Zusammenspiel von Ross und Reiter geht. So war es kein Zufall, dass am 17. März 1900 am Rothenbaum ein erstes Reitturnier über die Bühne ging, ein (ausnahmsweise völlig unbritisch genannter) "Concours hippique", bei dem die staunenden Hanseaten feststellten, dass Pferde erheblich mehr können, als im gestreckten Galopp eine Rennbahn entlangzusausen.

Es war sozusagen der Urahn des Hamburger Spring-Derbys, das ein gewisser Eduard Pulvermann 1920 erstmals veranstaltete und das Hamburg zur einzigen Stadt machte, in der es vier Derbys gibt: Spring-, Dressur-, Fahr- und Galopp-Derby. Das war zunächst auf dem Gelände des alten Poloplatzes gegenüber dem heutigen Veranstaltungsort. Veranstalter dieses "Concours hippique" war der erst zwei Jahre zuvor gegründete Hamburger Polo Club - natürlich der erste in Kontinental-Europa. Angefangen hatte alles, weil der pferdenärrische Heinrich "Heini" Hasperg junior sich von seinem Bruder aus Argentinien zwei Poloponys schicken ließ und reitkundige Gentlemen suchte, die mit ihm vom Rücken der Pferde aus Bälle schlagen würden. Er fand sie.

Vier Mann und jede Menge Pferde Nun ist es nicht ganz so schwierig, eine Mannschaft zusammenzubekommen wie zum Beispiel beim Fußball, denn beim Polo braucht man nur je vier Mann, allerdings jede Menge Pferde, denn die werden stark beansprucht, wenn der Reiter versucht, den 130 Gramm schweren Ball im gegnerischen Gehäuse unterzubringen

Polo stammt ursprünglich aus Afghanistan, wo es ein verwandtes Spiel, Buzkashi genannt, schon seit 2600 Jahren gibt. Im 19. Jahrhundert, als britische Soldaten weltweit für Krone, Vaterland und den Profit diverser Handelsgesellschaften kämpften, verschlug es sie auch in das Land im Herzen Asiens, wo es nicht viel zu holen gab, außer ein paar peinliche Niederlagen - und Polo. Kaum wieder zu Hause, gründeten dann 1859 Kolonialoffiziere den ersten Poloklub in England.

Die Spielregeln wurden verfeinert, zwei berittene Schiedsrichter wachen darüber, und um die Sache fair zu gestalten, bekommt jeder Spieler ein persönliches Handicap von -2 bis +10. Die besten (heute fast alle aus Argentinien) haben +10. Nun werden alle Handicaps jeder Mannschaft zusammengezählt, das mathematisch unterlegene Team bekommt eines oder mehrere Tore Vorsprung.

Ein Massensport war Polo nie und wird es wohl auch nicht werden, aber es wurde zum Promi-Anziehungspunkt mit Prince Charles (Handicap +2), Genesis-Gitarrist Mike Rutherford, US-Schauspieler Tommy Lee Jones und seinem deutschen Kollegen Heino Ferch. Die vier Hamburger Poloklubs haben gerade mal 60 Mitglieder, darunter aber durchaus namhafte wie Kaffeekönig Albert "Atti" Darboven, der ein sehr ordentlicher Polospieler ist.

Hamburgs Polo-Leidenschaft verdankt auch die Kunst ein paar hübsche Exponate. Geschaffen hat sie der Maler und Pferdeliebhaber Max Liebermann, der, während er sein berühmtes "Terrasse im Restaurant Jacob in Nienstedten an der Elbe" auf die Leinwand zauberte, öfter mal im Jenischpark vorbeischaute und Skizzen und zwei Ölgemälde von Polospielern der Nachwelt hinterließ.


Abendblatt-Leser Prof. Dr. Gerhard Allroggen klärte eine Frage der "Hamburger Geschichte(n)" vom 8. März auf: Bei dem Theaterstück "Die bezähmte Widerbellerin" handelt es sich danach um eine Übersetzung der Shakespeare-Komödie "The Taming of the Shrew" in der Übersetzung von Johann Joachim Eschenburg. Vielen Dank!