Was kann man in Zukunft noch machen, wenn die Vergangenheit schon so erfolgreich war, dass eine Steigerung kaum möglich scheint? Hat es überhaupt Sinn, es zu versuchen? Art Garfunkel , ehemalige Hälfte des legendären US-Pop-Duos Simon & Garfunkel, ist inzwischen 65 Jahre alt. Heute ist er oft zu Fuß in Amerika und Europa unterwegs - und glaubt, wieder einen Hit landen zu können.

JOURNAL: In Ihrem Projekt "The Walk" wandern Sie durch die ganze Welt. Wo sind Sie zuletzt in Europa gelaufen?

ART GARFUNKEL: Vor einem Monat flog ich mit meiner Frau Kim nach Rom, dahin, wo ich meine Wanderung zuletzt vor dem Petersdom abgebrochen hatte. Wir liefen aus der Stadt hinaus bis zur Süd-Ost-Spitze Italiens.

JOURNAL: Warum machen Sie das?

GARFUNKEL: Ich finde es schön, die Welt der Stimulation aus Fernsehen, Filmen und Musik eine Weile ruhen zu lassen. So kann ich mein Innerstes hören und tief atmen. Ich glaube an diese Sachen. Und ich mag es, zu singen, ohne irgendjemanden um mich herum zu haben, in der Landschaft, so laut, wie ich will.

JOURNAL: Sind Sie auch in den USA gewandert?

GARFUNKEL: Ich habe sie komplett durchwandert!

JOURNAL: Was ist anders als bei Wanderungen durch Europa?

GARFUNKEL: Wir haben mehr Platz. In Europa ist alles dichter. Trotzdem finde ich Europa schöner als Amerika. Ich liebe die Alpen mehr als die Rocky Mountains, sie sind dramatischer, felsiger, zackiger.

JOURNAL: Wenn Sie den Song "America" heute singen, wollen Sie da etwas anderes erzählen als früher?

GARFUNKEL: Den singe ich in meinen Solo-Shows nicht, sondern nur, wenn ich mit Paul arbeite, wie auf der "Old friends"-Tour. Aber wenn ich "Cathy I'm lost, I'm empty and aching and I don't know why" singe, ist das ein ehrliches Geständnis. Ein wunderbarer Text von Paul. Sind wir verlorener als in alten Tagen? Vielleicht.

JOURNAL: Was haben Sie sich nach dem Abschluss der "Old friends"-Tour vor zwei Jahren vorgenommen?

GARFUNKEL: "Bis bald!"

JOURNAL: Paul Simon sagte vor der Tour, sie sei ein offizieller Abschied von den Fans. Gibt es noch eine Chance für gemeinsame Projekte?

GARFUNKEL: Es gibt eine Chance.

JOURNAL: Sie haben viele Menschen beeinflusst mit Ihrer Musik, sogar Paul McCartney.

GARFUNKEL: Hat er das gesagt?

JOURNAL: Ja, er sagte, er würde gerne einen Song wie "Sound of Silence" schreiben.

GARFUNKEL: Ich glaube, dass "Let it be" von "Bridge over troubled Water" beeinflusst wurde, es hat diesen hymnischen Ansatz.

JOURNAL: Vor ein paar Jahren gab es einige junge Musiker, die eine Neue Akustische Bewegung ausriefen und sich explizit auf Simon & Garfunkel beriefen: Turin Brakes, Kings of Convenience, Gary Jules, vielleicht auch Belle & Sebastian. Haben Sie das verfolgt?

GARFUNKEL: Die haben nicht mit mir gesprochen. Um ehrlich zu sein: Ich bleibe auch nicht an allem dran, was passiert, eigentlich seit der Rap aufkam. Vieles im Musikgeschäft verletzt einfach meine Gefühle. Das Business ist in großer Not. Wenn ich im Auto das Radio anstelle und nach Musik suche, mit der ich etwas anfangen kann, drehe ich das Rädchen immer weiter und suche und suche und suche. Für Leute wie mich ist das hart. Allerdings kommen auch immer wieder großartige Talente nach.

JOURNAL: Warum, glauben Sie, brauchen die Leute von Zeit zu Zeit den Sound von Simon & Garfunkel?

GARFUNKEL: Melodie. Das ist etwas Wunderbares, das jahrelang vergessen wurde. Harmonie. Paul und ich waren gute Harmoniker.

JOURNAL: Und die Leute brauchen Harmonie?

GARFUNKEL: Ja, das ist ein essenzielles Bedürfnis.

JOURNAL: Sie treten ab und zu mit Ihrem Sohn James auf. Was kann er sich von Ihnen abgucken, was besser nicht?

GARFUNKEL: Also, es gibt viel, was er tun sollte: Er sollte ein Instrument lernen, wenn er singt, das habe ich nie gemacht. Aber er hat auch viel von mir gelernt. Ich bin ein guter Musiker, er trifft die Töne gut, das hat er vielleicht von mir. Und ich habe ihm sehr früh Bühnenerfahrung verschafft, gleich als er zwei Jahre alt war und wir durch Japan getourt sind.

JOURNAL: Sie waren in der Jury, die den besten Song aller Zeiten gewählt hat. Es wurde "Like a Rolling Stone" von Bob Dylan. Ihre Wahl?

GARFUNKEL: Nein, das habe ich nicht gewählt. Das wäre für mich irgendwo in den Top Ten gelandet. Der beste Rocksong ist für mich "I can't get no Satisfaction" von den Rolling Stones.

JOURNAL: Sie sollen mal gesagt haben, Sie könnten "Bridge over troubled Water" noch übertreffen. Ist das ein Ziel?

GARFUNKEL: Ich hoffe, dass mein Wirken in Zukunft nicht geringer ist als in der Vergangenheit. Mit dieser Hoffnung gehe ich ins Studio und weiß, ich kann "Bridge over troubled Water" übertreffen, wenn ich das noch mal zusammenbringe: ein wunderbares Lied mit wunderbarem Gesang und einer aufregenden Produktion. Ich kann nicht akzeptieren, dass ich irgendwann einmal in der Vergangenheit meinen Höhepunkt hatte. Ich fühle, dass mein Höhepunkt heute kommen kann. Oder morgen.