Müssen Anzüge langweilig sein? Muss Sportswear salopp wirken? Dieses Schubladendenken ist vorbei: Modedesigner zeigen, wie Männer elegant und entspannt aussehen können. Und das Schönste ist: Die meisten ziehen gerne mit.

Das kaufen wir, das steht dir", sagt die Frau und zupft ihrem Mann in der Umkleidekabine energisch den neuen Anzug zurecht. Der Mann zuckt unbeholfen mit den Schultern, "na, wenn du meinst", und trottet dann ergeben Richtung Kaufhauskasse.

Wirklich? "Das stimmt schon längst nicht mehr", sagt Oliver Kresse, Modedesigner des gleichnamigen Labels und Inhaber des Geschäfts in den Colonnaden. "Männer suchen heute selbst ihre Sachen aus. Und sie sind dabei extrem wählerisch." In Sachen Mode haben die Männer die Frauen eingeholt. "Männer sind mutiger geworden", hat auch der Modedesigner Mark Schmidt aus Altona beobachtet. "Sie hören eher auf mich als auf ihre Frau."

Dabei ist der Trend zum Luxus unübersehbar: Modebewusste Männer kaufen lieber einen guten, maßgefertigten Anzug als vier Schnäppchenteile von der Stange. Hochwertige Kleidung ist zum Statussymbol geworden wie das Auto oder der neueste technische Schnickschnack. "Der Mann legt Wert auf Individualität", sagt Oliver Kresse. "Er will sich schon ein wenig durch seine Kleidung abgrenzen."

Und das gilt über Generationsgrenzen hinweg. Waren Anzugträger lange als alt, spießig oder bemitleidenswerte Bankangestellte verschrien, so hat sich ihr Image glatt ins Gegenteil verkehrt: Anzüge gelten als lässig. Während die Väter zu Sweater und Baseball-Käppi greifen, gehen junge Männer freiwillig mit Jackett aus dem Haus - oder gar mit Hut. "David Beckham ist da stilprägend gewesen", sagt Mark Schmidt. "Auf einmal sah er aus wie ein Großvater. Bloß viel cooler."

Ein ehemals strikter Gegensatz hat sich aufgelöst: Die Grenzen zwischen Business- und Sportswear verwischen. Die Businessmode mit dem klassischen Anzug - derzeit übrigens als Dreiteiler mit Weste - hat sich abgewendet vom sackartigen Look, der die Männer eintönig und "verkleidet" aussehen ließ. Statt unförmiger Schnitte sind jetzt schmale Silhouetten das A und O: körpernah geschnittene, auf der Hüfte sitzende Hosen und taillierte Sakkos, die gerade mal den Po bedecken, dazu eng anliegende Westen.

In Anzeigenkampagnen sehen wir ausschließlich filigrane Formen. "Sehr figurbetont, sehr smart, sehr relaxt", so sieht die Herrenmode von Joop für den Winter aus.

Selbst bei der Sportswear hat der saloppe US-Stil ausgedient, der Trend geht zum Schmalen und Edlen. "Jahrelang haben wir den amerikanischen Sportlook imitiert", sagt Kresse, "das ist vorbei." Keine Cargo-Pants mehr, keine fetten Turnschuhe, sondern Röhrenjeans und wertvolle Ledersneakers, die nur so tun, als wären sie sporttauglich.

Herrenmode als lässige Eleganz und Körpershow - was sollen da die Dicken machen? "Der modebewusste Herr hält sein Gewicht im Rahmen", sagt Kresse. "Der Körperkult hat auch in der Mode voll gegriffen. Selbst ältere Herren gehen lieber laufen, als auf die schlanken Schnitte zu verzichten." Damit die Sachen dennoch bequem sitzen, verarbeiten Modemacher zunehmend das früher als Frauenmaterial gescholtene Elasthan - noch ein Zeichen für gelockerte Designer-Regeln.

"Ich feudel schon mal im Anzug die Küche", bekennt Mark Schmidt. Businesskleidung darf so lässig aussehen, dass man "damit auch Brötchen holen kann", findet Verkaufsleiter Christian Grünefeld.

Hochwertiges darf auch durcheinander gemixt werden: Kashmir mit Wolle und Seide, Tweed mit Elasthan, gewebte Muster, Biesen und Stoffstrukturen wie abwechselnd nach links und nach rechts gewirkte Nadelstreifen. Werner Baldessarini kombiniert ein Sakko in Salz-und-Pfeffer-Optik mit Seidenhose und derben Schuhen. Mark Schmidt, übrigens bekennender Ledersohlenträger ("auch wenn die Füße kalt und nass werden"), verarbeitet bei Tweedsakkos die Nähte bewusst "offenkantig"; so sieht es aus wie nicht fertig genäht.

Und das kommt an. Männer haben ihre Scheu vor modischen Experimenten abgelegt. "Die Herren wissen eben, was sie wollen", bilanziert Kresse. "Und sie laufen drei Wochen durch die Stadt, bis sie genau das haben." Mark Schmidt freut sich, dass seine Geschlechtsgenossen endlich aufgewacht sind. "Seit Jahren renne ich in Nadelstreifen rum", sagt er. "Jetzt ist es soweit, dass auch die anderen mitmachen."