Wo eigentlich weinen Männer? Die Frage hört sich schräg an. Aber sie ist plausibel, wenn sie auf Seite 74 eines Buches auftaucht. Es geht um Chefsekretärinnen im Top-Management. Diese sechs Prozent von mehr als 400 000 deutschen Sekretariatsangestellten, so die korrekte Berufsbezeichnung laut Statistischem Bundesamt, die alles von ihren männlichen Chefs wissen - nur eben nicht, wo die weinen.

Sie selber weinen aus lauter Verzweiflung über die Tücken ihres Jobs und die Macken ihrer Chefs in der Vorstandsetage. Eingeschlossen im Damenklo, festgekrallt am Fläschchen mit den Johannisbeerkraut-Kapseln zur Beruhigung.

Das alles hat eine beschrieben, die es wissen muss: Katharina Münk - ein Pseudonym. Sie will sich nicht outen, weil Verschwiegenheit zu den Primär-Tugenden in ihrem Job gehört. Und sie plaudert wahrlich Intimstes aus 18 Berufsjahren an der Seite zahlreicher bundesdeutscher Topmanager aus. Ohne Namen zu nennen. Eine approbierte internationale Direktionsassistentin, 400 Anschläge pro Minute, 160 Silben Steno in drei Sprachen. Und doch musste sie sich noch um lauter andere Dinge kümmern: um seinen Internetanschluss in der Urlaubslodge im Kenia-Nationalpark, sein Essen auf "meilenfähigen" Flügen, Verkehrsstaus, defekte Mietwagen, um das Gesichtspeeling seiner Ehefrau, ihr Vogue-Abonnement, klemmende private Garagentore und die Kfz-Versicherung seines Sohnes.

Das alles hat nichts mit den beim Vorstellungsgespräch erwähnten Anforderungen zu tun, scheint aber der Hauptbestandteil zu sein in diesem 24-Stunden-Job in der oberen Gehaltsklasse (um die 53 000 Euro, auch "Goldstaub" genannt). Plus "Schweige- und Schmerzensgeld-Bonus". Das erleichtert das Leben. Nicht aber die Last der "Isolationshaft" dort, wo der Fahrstuhl kommunikationsuntauglich ist, wo die Teppiche weicher, das Essen besser und die Macken der Chefs spürbarer sind. Das treibt zur Verzweiflung und eben zum Nervenzusammenbruch auf der Damentoilette.

Zu diesem Typ Chefsekretärin gehört die Autorin nicht, wie sie betont. Ein bisschen zu häufig fast. Kämpfen ja, leiden nein ist ihre Devise. Wenn der Chef seine Macken nicht aufgibt, geht Katharina Münk. Zum nächsten Top-Manager. Denn: "Wir Frauen lieben die Herausforderung. Wir wollen uns aufregen. Wir brauchen das."

Dieser Blick in die oberen Etagen, wo die Luft extrem dünn ist für beide, den Chef und seine Sekretärin, ist amüsant zu lesender Voyeurismus. Aber mehr auch nicht.

Auf jeden Fall ist er kein Trost und keine Überlebensstrategie, wie der Titel viele Betroffene hoffen lässt.

Katharina Münk: Und morgen bringe ich ihn um. Eichborn Verlag, 176 Seiten; 14,90 Euro.