Wer vor Gericht als Zeuge aussagen muss, hat oft Angst - und das zu Recht. Angst, dass ihm das Gericht nicht glaubt, Angst vor einer Begegnung mit dem Täter, Angst vor Rache - die Gründe sind vielfältig. Aber es gibt professionelle Hilfe. Wer den Weg in das gemütliche Zimmer 270 des Strafjustizgebäudes am Sievekingplatz findet, ist bei Gerda Rose-Guddusch in besten Händen: Die energische 55-Jährige ist Zeugenbetreuerin beim Landgericht und eine streitbare Kämpferin für die Rechte ihrer Klienten .

"Das Leben ist hart, wir sind härter" ist die Devise der Sozialarbeiterin. Mit Unterstützung von Praktikanten und Referendaren bereitet sie ihre Klienten mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung auf die Situation vor Gericht vor und stärkt sie dafür. Im Vorgespräch erfragt sie, wovor der Zeuge die meiste Angst hat, erklärt die Rollen der Funktionsträger, besichtigt mit dem Zeugen den Gerichtssaal. Vor allem aber wird er darauf vorbereitet, dass ihn ein Rollenspiel erwartet - und dessen Regeln sind nicht immer fair.

Für den Zeugen kann das bedeuten, dass er gnadenlos vorgeführt, angezweifelt und verlacht wird. Deshalb versucht Rose-Guddusch, ihren Klienten eine Kompetenz für das Auftreten vor Gericht zu vermitteln: "Wenn ich als Zeuge oder Opfer möchte, dass der Täter eine gerechte Strafe bekommt, dann muss ich versuchen, mich hart zu machen. Wenn ich selbstbewusst bin, kann ich auch sagen: ,Bitte, muss diese Befragung auf diese Art erfolgen? Fragen Sie mich alles, was wichtig für die Aufklärung des Falls ist, aber bemühen Sie sich um einen anderen Tonfall mir gegenüber."

Wie ein Zeuge seine Rolle vor Gericht handhaben könne, hänge vor allem von seiner Ich-Stärke ab. Menschen, deren Leben durch viele positive Erlebnisse in der Vergangenheit geprägt wurde und die zum Zeitpunkt der Tat in einem stabilen sozialen Umfeld leben - etwa in einer intakten Familie oder Beziehung, einem Beruf -, haben bessere Chancen, auch eine grausame Tat zu verarbeiten. Dennoch ist gerade das Zusammentreffen mit dem Täter oft eine große Belastung für das Opfer wie für die Zeugen. Auch hier hilft es, wenn die Zeugenbetreuerin im Gerichtssaal neben Opferzeugen sitzen darf. Dass diese Möglichkeit seit der Opferrechtsreform von 2004 gesetzlich verankert ist, wissen jedoch nicht einmal viele Berufsrichter. "Aber da bin ich sehr streitbar!"

Diese Opferrechtsreform hat die Arbeit von Gerda Rose-Guddusch verändert. Die Zahl ihrer Einsätze verdoppelte sich. 2005 waren es 1637 Fälle, weil nun jeder Zeuge mit der Ladung per Infoblatt auf die Zeugenbetreuung hingewiesen werden muss. Opfer und Zeugen seien nicht rechtlos. Sie hätten ein Recht zu erfahren, wie das Verfahren ausgegangen ist, Opfer haben darüber hinaus das Informationsrecht, wann die Haft des Täters endet; über einen Anwalt können sie Akteneinsicht nehmen. Gerda Rose-Guddusch findet, das müsse auch für Tatzeugen gelten: "Zeugen und Helfer können schließlich genauso traumatisiert sein." Sogar sie selbst gerät manchmal an die Grenze des Erträglichen.

Doch die Arbeit gibt ihr auch Kraft, sagt sie. "Als ich hier angefangen habe, konnte ich akzeptieren, dass unser Leben teilweise mit sehr viel Leid verbunden ist und dass Leid Menschen umbringen kann. Aber ich habe gemerkt, dass die meisten, die zu uns kommen, trotzdem noch ganz viel Kraft haben, um aus der Sache gut rauszukommen - auch wenn sie konfrontiert wurden mit einem Mord in ihrer Familie, wenn sie selbst vergewaltigt oder verletzt, wenn ihre Zukunftspläne zerstört wurden. Das stärkt mich dann auch."

Zeugenbetreuung, Strafjustizgebäude, Sievekingplatz 3, Tel. 040 - 428 43 38 99.