In zwanzig Metern Tiefe beginnt die Stille. Mit kräftigen Flossenschlägen hat sich der Taucher senkrecht ins Wasser gegraben. Bis zu jenem Punkt, an dem der Auftrieb nachläßt. Der Taucher rührt sich jetzt nicht mehr, spürt nur das dumpfe Rauschen und den Druck der Wassermassen auf seinem Trommelfell. "Ich falle senkrecht nach unten", sagt Ulrich Wulff , "wie ein Fallschirmspringer in Zeitlupe falle ich tiefer und tiefer. Ich bewege mich nicht mehr."

Das ist der Moment, in dem der Taucher Glück empfindet. Er ist jetzt alleine mit sich, so lange, wie sein Atem reicht.

Ulrich Wulff ist Freitaucher, er taucht meist ohne Preßluftflasche. "Apnoe" heißt die Extremsportart, vom griechischen "ohne Atmung". Wulff gehört zu den Besten seiner Disziplin in Deutschland. An diesem Wochenende tritt er bei der Meisterschaft in Hemmoor für das deutsche Herrenteam an (mit Olivier Haug, Andreas Güldner, Jonas Krahn). 6 Minuten 28 kann Wulff ohne Luft zu holen bäuchlings auf dem Wasser liegen, bei einem Puls von 38 Schlägen pro Minute; 52 Meter kann er tieftauchen und aus eigener Kraft wieder nach oben kommen. Eine Ausdauerleistung, die ebenso faszinierend wie umstritten ist.

Bekannt wurde die Szene durch Luc Bessons Kultfilm "Im Rausch der Tiefe". Geschätzte 1000 Apnoe-Taucher gibt es heute in Deutschland, um die 60 üben den Sport wettkampfmäßig aus. Ihr Image ist schlecht: Zu gefährlich, sagen Kritiker und führen spektakuläre Unfälle durch Bewußtlosigkeit, ja sogar Todesfälle an. Anders als das leicht zu überwachende Zeit- und Streckentauchen ist das Tieftauchen die kritischere Disziplin: Weil da der Taucher aus der Tiefe nach oben schießt und sich seine gequetschte Lunge auf den letzten Metern blitzartig wieder ausdehnt. Sicherheitstaucher müssen dann auf jede Regung achten. "Man kann auch oberhalb des Wassers noch umkippen", sagt Wulff, der sich selbst für einen besonnenen Taucher hält. "Wir tauchen immer nur mit Seil und Sicherungsmann - und machen niemals zu viele Tauchgänge an einem Tag."

Wulff taucht seit 16 Jahren, seit sechs auch ohne Gerät. Jede freie Stunde widmet der Software-Entwickler seinem Sport, im Sommer trifft man ihn fast jedes Wochenende am Kreidesee Hemmoor an.

"Man braucht eine gute Ausdauer", sagt Wulff, deshalb joggt er. "Wichtiger aber ist die mentale Einstellung." Autogenes Training und Meditationstechniken erlauben es ihm, ruhig zu bleiben, auch wenn der Einatemreflex übermächtig wird und der ganze Körper nach Luft verlangt. "Mindestens die Hälfte des Tauchgangs habe ich keine Atemnot. Danach muß ich mich konzentrieren und möglichst entspannt bleiben."

Sechs Stunden vor einem Wettkampf ißt er nichts mehr, eine Stunde vorher beginnt er mit Dehn- und Entspannungsübungen. Denn beim Apnoe gewinnt nicht der Stärkste, sondern der Ruhigste. Wulff ist jetzt 39, und sein Alter kommt ihm zugute: "Weil ich jetzt kontrollierter bin. Ich denke, ich kann das noch viele Jahre machen."