Mancher (männliche) Pilstrinker hält die Biere dieses Sommers für “Frauen-Kram“. Aber bei jungen Großstadt- menschen sind die neuen Goldbiere und Biermixgetränke angesagt - und gerne direkt aus der Flasche.

Wenn Stefan Trost nur an Gold-Biere denkt, wird ihm schon schlecht. Für den Psychologen und überzeugten Pilstrinker - "natürlich gezapft" - ist die neue Biersorte "ein reines Frauen- und Luschenbier, dem jeglicher Eigengeschmack fehlt. Absolut abartig", sagt der 43jährige Hamburger. Ihm ist es völlig schnuppe, daß er damit am neuen Bier-Trend vorbeitrinkt. Der geht nämlich schon seit drei Jahren eindeutig in Richtung mildes, goldfarbenes Bier.

Mit dieser neuen Sorte versuchen die Bierbrauer den steten Abwärtstrend des Gerstensaftkonsums zu stoppen. "Goldbier hat mehr Lifestyle, ist moderner, jünger und süffiger", meint Birte Kleppien vom Deutschen Brauer- Bund.

Seit Beck's vor drei Jahren mit seinem "Gold" als erster auf den Markt kam, gibt es in der Branche rund 130 Nachahmer, die damit eine Zielgruppe ansprechen, der normales Bier zu herb und bitter ist. Bei der Beck's Brauerei, die klar die jungen, lässigen Großstadtmenschen im Visier hat, macht Gold schon ein Drittel des Gesamtumsatzes aus - 700 000 Hektoliter wurden 2005 verkauft.

Getrunken werden die "Goldmarken" bevorzugt aus einer transparenten, UV-geschützten "Long-Neck"-Flasche, die szeniger und jugendlicher sein soll als die herkömmliche, behäbige NRW-Halbliterflasche; die ist allerdings im Süden und Westen verbreiteter als im Norden. Hier trinkt man sein Bier seit jeher am liebsten aus 0,33 Liter-Flaschen, inzwischen gerne auch auf der Straße. Das galt früher, besonders bei Frauen, als prollig. Heutzutage "zeigt man sein Wohlgefühl nach außen. Durch legere Kleidung und auch dadurch, daß man mit dem Bier in der Hand spazierengeht", sagt die Berliner Marktforscherin Birgit Hofman. Der Biertrinker zeige mit seiner Marke, woher er komme (wenn er zum Beispiel ein Astra in der Hand hält) oder welcher Gruppe er sich zugehörig fühle. "Für einige ist Bier ihr trendiges Accessoire", so Hofman.

Die Stewardess Lotta von Wedel findet die Flasche mit dem langen Hals einfach nur "praktisch und handlich". Die blonde, braungebrannte 23jährige geht gerne in Beach-Clubs und ist überzeugte Biermix-Trinkerin. Sie entspricht ziemlich genau dem angestrebten jungen Zielpublikum der Biermisch-Hersteller, die immer neue Mixturen auf den Markt bringen. Im Internet wirbt der "Mixery"-Hersteller Karlsberg mit schönen, jungen Menschen, die Skateboard fahren und coole Musik hören - die gibt's auch gleich zum Downloaden. "Es ist das Gegenimage zum biertrinkenden Papa oder Opa, der in Feinripp überm Bierbauch vor dem Fernseher sitzt", sagt Beck's-Sprecher Jörg Schillinger.

Bei Verfechtern des deutschen Reinheitsgebots wie Stefan Trost - "ins Bier gehören nur Malz, Hopfen und Wasser"- hört die Toleranz angesichts der Biermischungen mit Lemon-, Orangen-, Kirsch-, Himbeer- oder gar Tequila-Aroma auf: Das sei "was für die Bacardi-Generation, die man nur mit megacoolen Namen und widernatürlichen Geschmacksrichtungen begeistern kann", knarrt Trost.

Bis 1993 durfte Bier nur vor den Augen des Gastes mit Limonade vermischt werden. Doch nun erlaubt ein Gesetz auch die Flaschenabfüllung. Die Biermix-Getränke machen auf dem Gesamtbiermarkt zwar erst einen Anteil von drei Prozent aus. Aber allein im vergangenen Jahr haben sie bereits 15 Prozent zugelegt.

Lotta von Wedel mag am liebsten das giftgrüne Getränk mit Lemon-Geschmack, weil das so erfrischend ist. "Das ist wie ein Cocktail, nur billiger. Das ist echt mal ein Bier für Mädels", schwärmt sie. Dabei ist der Zitronen-Biermix kein neues Produkt, sondern eigentlich schon mehr als 80 Jahre alt. Erfunden hat ihn in den 1920ern ein bayerischer Gastwirt, dem an einem heißen Sommertag durch den Ansturm vieler Radler fast das Bier ausgegangen wäre. Also streckte er sein Helles kurzerhand mit Limo - und das "Radler" war geboren.

Warum es die Norddeutschen dann allerdings in "Alsterwasser" umtauften, kann auch Birte Kleppien vom Deutschen Brauer-Bund nicht erklären. "Aber die Mixgetränke kommen bei jungen Leuten und vor allem bei Frauen so gut an, weil sie weniger Alkohol haben und damit dem Fitness-Trend entsprechen." Es gibt sogar ein Wellness-Bier von Karlsberg, das - mit beruhigender Melisse versetzt - ausschließlich in Apotheken verkauft wird; gedacht ist es für gesundheitsbewußte Menschen mittleren Alters und für Senioren.

Gesundheitsfördernd ist allerdings auch das schnöde Pils, das mit seinen 61 Prozent Marktanteil bisher allen Innovationen trotzt. Mäßig genossen, schützt reines Bier vor Altersdiabetes, Magengeschwüren, Herz- und Gefäßerkrankungen und hält das Gehirn fit, wie wissenschaftliche Studien ergeben haben. In Polen und Tschechien gilt Bier sogar als Heilmittel gegen Nierensteine, und Krankenkassen beteiligen sich an den Kosten.

Außerdem macht Bier entgegen der gängigen Meinung nicht dick. Es ist nach Wasser das kalorienärmste Getränk auf dem Markt, behauptet der Deutsche Brauer-Bund.

Tatsächlich haben 0,2 Liter Apfelsaft 96 Kilokalorien, die gleiche Menge Bier enthält nur 76; auch ein fettarmer Fruchtjoghurt geht mit doppelt so vielen Kalorien mehr auf die Hüften. Allerdings macht Bier Appetit und wird gerne zu fettem Essen genossen oder mit einer Tüte Chips.

Dabei paßt ein helles Weizen oder Lager ebenso wie ein Export auch wunderbar zu leichten Salaten, gekochtem Fisch oder Geflügel. Wild harmoniert gut mit Alt oder dunklem Weizen, und ein kühles Pils paßt zum Braten, Steak oder auch zu würzigem Käse.

Bei der Marke hat der Biertrinker allerdings die Qual der Wahl: Es gibt rund 5000 alleine in Deutschland. Damit könnte man 13,5 Jahre lang jeden Tag ein anderes Bier ausprobieren.