Captain Jack Sparrow ist affektiert und vom Pech verfolgt, Will Turner der Tolpatsch der Liebe. Aber diese Typen holten den Piratenfilm wieder aus der Mottenkiste. Gespräch mit Johnny Depp und Orlando Bloom über die etwas anderen Freibeuter in “Fluch der Karibik 2“.

Das Flaggschiff des diesjährigen Filmsommers läuft in der kommenden Woche auch in die deutschen Kinohäfen ein: Die Fortsetzung von "Fluch der Karibik", die in den USA gerade Rekorde bricht. Sie hat bereits am ersten Wochenende mehr als 135 Millionen Dollar in die Kassen gespült wie Bilgenwasser - das beste Startergebnis aller Zeiten. Unerwartet kam das nicht, denn vor drei Jahren hatte schon Teil eins die Massen begeistert - sechs Millionen Zuschauer allein in Deutschland.

Das haben die Disney-Studios vor allem Johnny Depp zu verdanken. Er erfand mit Captain Jack Sparrow (deutsch: der Spatz) eine neue Kultfigur, die neben Tarzan, James Bond und Indiana Jones bereits ihren festen Platz in der Filmgeschichte gefunden hat.

Beim Interview zur Weltpremiere von "Fluch der Karibik 2" in Los Angeles schmunzelt Johnny Depp selbst darüber: "Man kann sich gar nicht mehr vorstellen, welche Schwierigkeiten ich anfangs mit den Leuten in den oberen Etagen bei Disney hatte. Sie waren über meine Interpretation der Figur sehr unglücklich. Am liebsten wären sie mich losgeworden."

Wieso? Erstens, weil dem coolen Captain Sparrow dauernd irgendwas schiefgeht; zweitens, weil er sich gern mal wie eine Tunte bewegt. Und dann noch die Zöpfchen in seinem Bart und die dick aufgetragenen Kajalränder unter den Augen - das hat so gar nichts mehr von einem strahlenden Errol Flynn oder Burt Lancaster, die in den Vierzigern und Fünfzigern als Piratenhelden die Totenkopf-Flagge hochhielten. "Aber genau dieser Klischeebruch kam bei den Zuschauern verdammt gut an", freut sich Depp. Er heimste dafür nicht nur eine Oscar-Nominierung ein; mit gerade 40 Jahren wurde er nun auch, was er ursprünglich nie werden wollte: Ein Mädchenschwarm!

"Davor bin ich in meiner Jugend tatsächlich immer ausgerissen. Lieber habe ich tragische und melancholische Figuren wie ,Edward mit den Scherenhänden' und ,Ed Wood' gespielt, die sich am Massenpublikum vorbeischlichen." Mittlerweile sieht es der am 9. Juni 1963 in Kentucky geborene Star etwas lockerer und gibt sich dem Rummel um seine Person gelassener hin als etwa vor sieben Jahren. "Bis dahin war ich mit mir nicht im Reinen. Ich hatte zwar Erfolg, konnte damit allerdings nie etwas anfangen. Erst als ich Vanessa traf und Vater wurde, bin ich aufgewacht und fing an zu leben."

Die französische Schauspielkollegin Vanessa Paradis lernte er durch Roman Polanski kennen, mit dem er damals das düstere Werk "Die neun Pforten" drehte. Überhaupt schien Depp eine Zeitlang aufs Mystische und Unheimliche abonniert zu sein ("Dead Man", Sleepy Hollow", "The Ninth Gate"). Spätestens mit der Geburt seiner Tochter Lily 1999 und seines Sohns Jack 2002 hat sich die Auswahl seiner Filme merklich geändert. Sie sind leichter und lustiger geworden. Auch "Fluch der Karibik 2" gehört in diese Kategorie. Denn es ist Depp, der mit geziert-mädchenhaften Bewegungen und lallender Sprache für Lacher sorgt.

Wieder macht sich auf seinem Gesicht dieses Grinsen breit. "Eigentlich bin ich ganz ernsthaft an die Rolle rangegangen. Ich überlegte, wie es einem Mann ergehen muß, der monatelang auf offener See brütender Hitze ausgesetzt ist, und sperrte mich dafür mehre Stunden in eine Sauna ein. Danach war ich wie benommen, lallte und bewegte mich viel langsamer. Und so war Captain Jack Sparrow geboren."

Einen, den er damit auf Anhieb beeindrucken konnte, war Hollywoods Mega-Produzent Jerry Bruckheimer, der "Fluch der Karibik" gemeinsam mit Disney realisierte. "Johnny ist einzigartig. Nur ihm war es zuzutrauen, einen so verrückten Piraten zu spielen, der beim Publikum dermaßen ankommen würde", sagt Bruckheimer. "Ich habe ihm von Anfang an vertraut und gegenüber Disney immer wieder darauf bestanden, daß man ihn gewähren läßt."

Die Folge war eine Wiederbelebung des Piratenfilms, der eigentlich schon seit Dekaden eingemottet und sogar für tot erklärt worden war. "Wir wurden anfangs für verrückt erklärt. Einen Piratenfilm, der auch noch auf einer Themenpark-Attraktion in Disneyland basiert, hielten viele für eine Fehlinvestition", erinnert sich Bruckheimer. Aber er nahm Johnny Depp an Bord - mehr Punk als Pirat -, der frischen Wind in das verstaubte Genre brachte.

Das muß selbst Orlando Bloom neidlos einräumen, der als der viel hübschere Will Turner den Part des edlen Ritters übernahm. "Klar kann man an Johnnys Seite nur den Kürzeren ziehen, aber ich gönne ihm den Spaß", sagt der Brite, der als Elbenprinz Legolas in "Herr der Ringe" und dann als Paris in "Troja" Ruhm erlangte. "Übrigens kann man Captain Jack Sparrow jetzt als mechanische Puppe in Disneyland bewundern. Ganz ehrlich, das würde ich mir für meinen Will Turner irgendwann genauso wünschen."

Immerhin hat Will Turner im ersten Karibik-Teil ganz eindeutig die schöne Elizabeth (Keira Knightley) gewonnen. In der Fortsetzung jedoch steht ihr Gefühlsbarometer wieder auf Sturm, als sie sich mit Jack Sparrow leidenschaftlich küßt. Wem gehört ihr Herz nun wirklich? Eine Frage, die in "Fluch der Karibik 2" die Spannung ebenso aufheizt wie die neuen (und zum Teil alten) schaurigen Schurken des Geisterschiffs Fliegender Holländer, die mit Sparrow eine Rechnung begleichen wollen. Der hat nämlich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und soll als Sklave an Bord des Fliegenden Holländers gehen, wo er in ewiger Verdammnis dahinvegetieren müßte.

Regisseur Gore Verbinski hat sich wieder einiges einfallen lassen, um den ersten Teil an Krach und Action zu überholen. Zu viel Spektakel, meinen einige Kritiker und sogar Orlando Bloom: "Als ich den fertigen Film sah, wurde mir fast schwindelig - so viel passiert, und ständig wird zwischen den aufregenden Schauplätzen hin- und hergewechselt. Man muß den Film schon zweimal sehen, um alles mitzukriegen."

Das lassen sich eingefleischte Fans wahrscheinlich nicht zweimal sagen, den Machern kann das nur recht sein; und Johnny Depp, der neben einer Gage von 30 Millionen Dollar noch am Gewinn beteiligt ist, dürfte bald einer der höchstbezahlten Schauspieler Hollywoods sein.

"Geld ist wichtig, leider", sagt er, "denn so funktioniert nun mal die Welt. Trotzdem kann ich mit gutem Gewissen sagen, daß ich niemals einen Film des Geldes wegen gemacht habe. Das mußte ich schon vor ,Fluch der Karibik' nicht. Wie man eine Familie durchbringt, weiß ich inzwischen."

Daß es ihn nun als Actionfigur gibt, mit der auf dem Merchandising-Markt weitere Millionen gescheffelt werden, amüsiert ihn eher. "Das ist was für die Ewigkeit, damit können Generationen von Kindern noch Freude haben. Meine eigenen spielen lieber mit Barbies. Da mache ich gern mit, weil man mit den Puppen sowohl Alltagssituationen als auch Kinogeschichten nachspielen kann."

Die Kinogeschichte um den "Fluch der Karibik" ist auch noch nicht vorbei. Schon im Sommer 2007 wird der dritte Teil folgen, der gerade gedreht wird. Johnny Depp freut sich wie ein kleiner Junge und läßt genüßlich seine Goldzähne blitzen. Die hat er sich als Jack Sparrow extra anfertigen lassen. Er korrigiert sich: "Als Captain Jack Sparrow." Alles klar!