Landesgartenschau? Sind das nicht diese Endlos-Beete mit Fleißigen Lieschen? Nicht in Winsen! Bei der niedersächsischen Landesgartenschau an der Luhe gibt es überraschende Garten-Ideen, erholsame Spazierwege, Führungen und Beratung. Ein Rundgang.

So etwas erwartet man nicht auf einer Gartenschau: Vor einem Beet verrotten ein Tannenbaumgerippe, ein verrostetes Fahrrad, ein halb geschmolzener Plastikmüllkorb. Der Sandkasten hinterm Jägerzaun ist vor lauter Dreck kaum zu erkennen. Doch der Horrorgarten hat eine Funktion: Gleich daneben liegt eine grüne Parzelle mit Teich und Liege unterm Sonnensegel. Wer in diesen Abschnitt abbiegt, hört Wasser plätschern, blickt auf prächtige Blumen und riecht duftende Beete.

"Garten der Kontraste" nennt sich die Inszenierung aus drei unterschiedlichen Gartenecken - einer der vielen Themengärten auf der Landesgartenschau in Winsen an der Luhe. Sie zeigen auf überraschende, verspielte oder künstlerische Weise, wie bunt das Thema Garten sein kann.

Bunt ist das gesamte Ausstellungsgelände. Auf den Rasenflächen leuchten in sorgfältig angelegten Beeten Tulpen, Narzissen und Ranunkeln, blaue Stiefmütterchen schaffen wahre Blütenmeere. Es soll noch üppiger werden, wenn Rhododendron, seltene Rosen und Sommerblumen blühen. Als dritte niedersächsische Landesgartenschau - nach Bad Zwischenahn und Wolfsburg - lockt nun Winsen zwischen Lüneburg und Hamburg mit dem Motto "Blühende Fantasie" die Besucher an. Das Gartenschaugelände erstreckt sich über stolze 22 Hektar. Den Wettbewerb zur Gesamtplanung der Fläche gewann 2004 der Hamburger Landschaftsarchitekt Michael Nagler.

Die fünf Parkbereiche wurden von norddeutschen Landschaftsarchitekten gestaltet. Sie haben vorhandene Grünflächen mit neuen Anlagen kombiniert. So machten sie aus dem Gelände rund um das Winsener Schloß nahe der Altstadt den Parkbereich "Dorotheas Garten", benannt nach der einst hier residierenden Herzogin Dorothea von Braunschweig-Lüneburg. Im angrenzenden Parkbereich "Uferland Luheband" führt ein Spazierweg an der Flutmulde entlang, einem Feuchtgebiet, in dem sich die Luhe bei Hochwasser ausbreiten kann. Blumenhallen zeigen hier wechselnde Blumenschauen. In "Luhis Lagune" können sich Kinder auf einem Abenteuerspielplatz tummeln.

Für viel Abwechslung sorgen die Bereiche "Gärtnerfantasien" mit alten Bäumen, Sumpfgebieten und Feuchtwiesen und der "Eckermann-Park", der auf Spargelfeldern entstand. Sein Name stammt vom Winsener Johann Peter Eckermann, einem Freund Goethes. Die einzelnen Themengärten im "Eckermann-Park" haben Gartenbaumeister, Landschaftsarchitekten und Künstler der Region konzipiert. Neben dem "Garten der Kontraste" kann man beispielsweise im "Garten des Lukullus" unter Orangenbäumchen verweilen oder in der "Bambusoase" am Seerosenteich entspannen. Andere Kleingärten laden zum Entdecken ein und werden um so spannender, je mehr sie zugewachsen sind. So kann man etwa durch Gucklöcher in einer Hecke in "Das verlorene Paradies" schauen und versteckte Details erspähen. Im "endpunkt" wandelt der Besucher durch einen schneckenförmig angelegten Weidentunnel, der sich mit zunehmendem Blattwuchs täglich verändert.

In den "Gärtnerfantasien" heißen die Themengärten "Kabinett in Grün", "Klostergarten", "Garten der Elemente" oder "Meditationsgarten". Ihre Gestaltung folgt traditionellen wie modernen Ansprüchen, heimischen und asiatischen Vorbildern. Augenfällig ist die "Chinesische Heilkräuterapotheke". In den geöffneten Schubladen eines überdimensionalen Apothekerschrankes wachsen Kräuter; die Beschriftungen auf den Kästen helfen beim Identifizieren. Gern möchte man auch die geschlossenen Schubladen aufziehen, doch das läßt die monumentale Stahl-Plastik nicht zu. Auszubildende der Meyer-Werft in Papenburg haben sie nach einer Idee des Metallkünstlers Andreas Rimkus zusammengeschweißt.

Komplett ins Innere schauen kann man dagegen bei dem Bauwerk, das chinesische Handwerker errichteten: der Pagode aus dem Shanghaier Distrikt Xuhui. Gleich hinter ihr liegt ein heimischer Kräutergarten, das "Vergessene Paradies". Ihn bepflanzten die Landfrauen des Kreises Harburg mit traditionellen Gartenkräutern. Die Landfrauen führen auch durch den Garten. Eine von ihnen, die Landschaftsarchitektin Christine Doerks (39), ist zudem als Expertin im "Gärtnertreff" tätig. Im Wechsel mit einer Biologin und einer Forstwirtin beantwortet sie alle Fragen rund um Natur und Garten. "Manche Besucher fragen nach den Blumen in der Ausstellung, andere kommen mit speziellen Gartenproblemen zu uns", erzählt sie.

Übersichtlich und benutzerfreundlich ist das Konzept der Gartenschau. Den Hinweisschildern und der Wegführung kann man gut folgen. Auch Besucher mit Rollstuhl oder Kinderwagen kommen in jeden Parkbereich. Allein das Veranstaltungs- programm mit Schlagerfest und Kutschfahrten, mit Nordic Walking und Taufen im Klostergarten wirkt überfrachtet.

Den Rundweg durch die fünf Parkbereiche kann man gut an einem halben Tag schaffen. Wer keine Lust mehr zum Laufen hat, nutzt eine weitere Attraktion: das Wassertaxi. Mit zwei originalen Spreewaldkähnen sind die Fährmänner Lukas Mirek (47) und Guido Reiter (38) aus Lübbenau angereist. Es hat sie gereizt, mal woanders langzuschippern und "auch ein bißchen Werbung zu machen für unsere Heimat, das grüne Venedig", sagt Lukas Mirek. Mit einer langen Stange bewegt er wie ein Gondoliere das flache Boot auf der Luhe zwischen "Dorotheas Garten" und dem "Eckermann-Park" hin und her. Geruhsam gleitet der Kahn durchs Wasser, unter Brücken hindurch und am Gehölz vorbei. Ein weiterer kleiner Entspannungstrip in der neuen Gartenidylle von Winsen.