Geheiratet hat Udo Lindenberg nie, aber dafür hat er etliche Sängerinnen entdeckt und gefördert. Kurz vor seinem 60. Geburtstag am 17. Mai kommt jetzt eine CD mit den 18 schönsten Frauen-Duetten des Rock-Sängers heraus.

Musikalisch war es in letzter Zeit recht ruhig um Udo Lindenberg geworden. Doch in diesem Frühjahr feiert der deutsche Rockstar dafür gleich zwei große Ereignisse: Am 12. Mai erscheint die neue Udo-Lindenberg-CD "Damenwahl" (Warner, 14,99 Euro) mit den 18 besten Duetten, die er zum Teil neu oder in den vergangenen drei Jahrzehnten mit Sängerinnen wie Nena, Joan Baez, Nina Hagen und Yvonne Catterfeld aufgenommen hat. Fünf Tage später, am 17. Mai, wird Lindenberg dann 60 Jahre alt.

JOURNAL: Du machst kein großes Tamtam daraus, aber du wirst in diesem Monat 60 Jahre alt. Feierst du den Geburtstag?

UDO LINDENBERG: Nein, das ist ein Tag wie jeder andere. Ich bin ja so eine Art E.T., so ein Besucher vom anderen Stern und unterliege nicht der irdischen Zeitzählung. Die Zahl ist scheißegal. Darüber sind wir hoch erhaben. Eine Feier wäre ja auch gar nicht praktikabel, weil - und das ist schön, daß ich das sagen kann: Wer so viele Freunde und Näherstehende hat, der muß echt zweimal überlegen, wie er angemessen feiert. Wir haben im Hotel Atlantic nicht so viel Platz. Wenn ich 1000 Leute einlade, sind die anderen tausend schon wieder genervt, daß ich sie nicht auch eingeladen habe. Es gibt also echt ein Kapazitätsproblem.

JOURNAL: Was reizt dich für dein künftiges Leben?

LINDENBERG: Ich bin ja hauptberuflich Abenteurer, und der betritt auch gern das Niemandsland. Das sehe ich für meine Zukunft: Länder, die ich noch nicht kenne, da will ich hin, sie checken und entdecken. Explorer sein, wie ein Astronaut losfliegen und mal gucken, was auf fernen Planeten so los ist. Oder durch den Dschungel - es gibt da so viel noch. Jeder Mensch kann für sich selber immer wieder in jeder Phase seines Lebens so viel entdecken. Hinter allen Horizonten geht es immer wieder weiter.

JOURNAL: Jetzt kommt erst mal deine neue CD "Damenwahl" raus. Gibt es darauf ein persönliches Lieblingsduett?

LINDENBERG: Das kann man nicht sagen, das ist so, als wenn du ein Fotoalbum durchblätterst und da Momentaufnahmen siehst. Das waren alles wunderbare Begegnungen, alles hat 'ne große Geschichte. Diese Frauen, mit denen ich da gesungen habe, die stehen auch alle für bestimmte Stories und Zeiten oder auch für Bewegungen: Friedensbewegung, Punk, Frauenpower und so weiter. Jede von denen war für mich total wichtig.

JOURNAL: Viele von denen, die mit dir auf der Bühne standen, sind danach richtig durchgestartet in Deutschland. Helen Schneider oder auch Gianna Nannini. Wie suchst du die Frauen aus?

LINDENBERG: Das sind auch oft Zufälle. Es muß mich natürlich packen, wie die singen und was sie abstrahlen und wie die auf der Bühne stehen. Die Stimme ist für mich nur ein Teil der ganzen Persönlichkeit. Wenn mich das anspricht, will ich diesen Menschen dann genauer kennenlernen. Wenn ich weltweit unterwegs bin, passieren natürlich auch charmante Zufälle. Dem weltweiten Spieler fallen auch besondere Karten in die Hände.

JOURNAL: Wie Sezen Aksu, die türkische Sängerin. Mit ihr hast du mit "Messer in mein Herz" eines der schönsten Duette.

LINDENBERG: Ich habe in Deutschland eine Menge türkischer Freunde, und die haben mir von ihrer Kultur, ihren Sängern und Bands erzählt. Immer wieder tauchte der Name Sezen Aksu auf. Meine Freunde haben erzählt, sie sei ihre größte Sängerin, so was wie die Mutter des türkischen Pop. Irgendwann kam sie nach Hamburg, sie hatte hier ein Konzert. Da haben wir uns kennengelernt und gut gefeiert. Ich hab' gedacht, vielleicht bringen wir mal einen Song zur deutsch-türkischen Freundschaft. Sezen hat ja nur große Hits, ihre Songs sind in der Türkei so etwas wie Allgemeinkulturgut, die kennt jedes Kind auf der Straße. Wenn ich sie höre, versetzt es mich in andere Welten und macht mich immer wieder neugierig auf andere Kulturen.

JOURNAL: Den Anfang der CD macht Nena. Mit der hattest du eine ganz spezielle Beziehung . . .

LINDENBERG: Das klang ganz erfrischend in den 80ern, als das losging mit Nena. Ich dachte: Gute Band und wie gut die singt! Zu der Zeit waren wir mit dem Panikorchester ja mehr die Straßenfieberrocker und sie so die Pop-Praline. Sie wurde ein großer Star. Irgendwann haben wir uns getroffen, und wir mochten uns sehr. Aber wir fanden das dann auch ganz gut, das irgendwie geheim zu halten, immer gut getarnt, wie Spione, das war absolut spannend. Das waren inspirierende Zeiten, und uns verbindet bis heute eine tolle Freundschaft. Bei meiner Revue Atlantic Affairs hat sie auf der Bühne ordentlich einen losgemacht: Nena und Udo, das paßt ganz gut.

JOURNAL: Bei deinem Projekt "Atlantic Affairs" war ja auch Yvonne Catterfeld dabei. Bei der Weltpremiere 2002 in Bremerhaven stand sie zum ersten Mal mit dir auf der Bühne. Wie bist du auf sie gekommen?

LINDENBERG: Ich sitze vor der Glotze - und plötzlich sehe und höre ich da so eine Frau und hab' gedacht: Was die singt, ist ein bißchen schlagermäßig, aber sie hat einen guten Sound und 'ne gute Strahlung. Ich war damals auf der Suche nach Sängerinnen für mein Projekt. Damals war sie noch ganz neu, und bei "Atlantic Affairs" war es dann soweit. Wir haben unser "Niemandsland" gesungen, was ja bis heute unsere Hymne ist, die sie auch bei all ihren Konzerten singt.

JOURNAL: Es gibt ja inzwischen in Deutschland ein paar gestandene Rocker, alles Männer. Du bist der Pate der Panik, Nina Hagen die Mutter des Punk. Warum hat Deutschland sonst keine richtige Rock-Lady?

LINDENBERG: Nina Hagen ist eine Jahrhunderterscheinung. Bei ihr ist es ja nicht nur der Gesang, es ist ihr ganzes Erscheinungsbild. Die ganze Provokation, der ganze Aufriß von einem ganz anderem Frauenbild. Tabus brechen, Spaß haben an Skandälchen. Frauen, die so radikal und rasselig drauf sind, von denen gibt's nicht viele. Da muß man eben noch ein paar Jahrzehnte warten, bis wieder eine kommt.

JOURNAL: In letzter Zeit warst du ziemlich präsent mit deiner anderen Kunst: der Malerei. Welchen Stellenwert hat sie inzwischen für dich?

LINDENBERG: Keine Panik. Das mit der Musik geht natürlich voll weiter, das ist und war immer mein Hauptding. Die Malerei allerdings zieht mich immer mehr in ihren Bann, das ist auch so eine Art Wunderwelt, wo ich mich als Gesetzesbrecher bewege - ich kenne mich nicht aus, habe das nicht studiert. Mittlerweile gibt es Riesenausstellungen. Die Malerei ist so eine Art Ergänzung zu den Liedern. Es ist ein weiteres Ausdrucksmittel des Gesamtphänomens Udo Lindenberg.

JOURNAL: Was hast du für dieses Jahr noch geplant?

LINDENBERG: Im September kommt eine neue CD mit nur total neuen Songs raus.