So, jetzt ist aber mal Schluß mit Winter! Ob es am längeren Tageslicht liegt, am Vollmond oder an den ersten Knospen: Trotz der Kälte sind Frühlingsgefühle eindeutig auf dem Vormarsch. Neun frühlingsbereite Menschen erzählten uns, was ihnen diese Jahreszeit bedeutet.

Kaum sind sie aus dem Winterquartier zurückgekehrt, geraten auch Störche in Frühlingslaune. Zuerst trifft ein Vorbote ein - wie vor einer Woche in Sachsen-Anhalt und Brandenburg, in Hamburg-Allermöhe sogar schon am 2. März, in Artlenburg (Lkr. Lüneburg) am 12. März. Kurz darauf folgen dann in der Regel auch ihre Partner/innen.

Alexandra Deffner (32), Leitende Hebamme im Albertinen-Krankenhaus: "Wenn die Tage länger werden und die Natur wieder grün wird, hebt sich meine ganze Grundstimmung. Dann fühle ich mich besser bei der Arbeit, die Betreuung der werdenden Mütter und Wöchnerinnen macht noch mehr Spaß. Für die Frühlingskinder, die bei uns geboren werden, ist es schön, daß die Tage wärmer sind. Dann können sie leichter angezogen werden und die Mütter können sich auch mal draußen in den Cafes verabreden. Tendenziell werden eher im September mehr Kinder als im Frühjahr geboren. Aber ich höre oft von Müttern, daß sie froh sind, wenn ihre Babys Frühlingskinder sind, weil sie dann bei den Kindergeburtstagen nach draußen gehen können und nicht in der Wohnung feiern müssen. Da haben die Winterkinder es doch wirklich schlechter."

Pia Walczok (24), Elefantentrainerin bei Hagenbeck: "Frühlingsgefühle sind bei unseren Elefanten schon da, aber eben noch versteckt - solange es noch so kalt ist, halten die sich auch lieber im Haus auf. Aber wenn es wärmer wird, können sie zum ersten Mal wieder raus, das ist dann immer ein kleiner Festtag. Ich bin so gespannt, wie die beiden Kleinsten, Thai (1 Jahr alt) und Kandy (fast drei Jahre) es aufnehmen werden, daß sie wieder raus und dann bald auch ins Wasser dürfen. Die lieben es, in den warmen Sonnenstrahlen im Elefantenpool rumzuplanschen. Kandy und Thai baden besonders gerne bei Regen. Keine Ahnung, warum. Hinterher wälzen sie sich dann im Schlamm, schubbern sich an irgendwelchen Holzbalken und suhlen sich im Sand. Danach gehts wieder rein in den Pool. Das ist 'ne richtig schöne Körperpflege. Ich find's herrlich, zu sehen, wie die Kleinen sich nach dem Baden in die Sonne legen und ausruhen, das hat sowas Friedliches."

Laura Runde (7) geht in die 1. Klasse: "Frühling ist für mich, wenn die Blumen blühen, wenn ich draußen toben kann, der Schnee weg ist und natürlich wenn Ostern ist. Deswegen habe ich auch ein Oster-Frühlings-Bild gemalt. Links ist eine Hecke, an der hängen Plastikeier, keine echten, sonst gibt es doch Eiermatsch. Darunter hat der Osterhase einen Kuschelhasen und Schoko-Eier versteckt. Am Baum sind die Blätter noch ganz klein und grün und an den Zweigen hängen auch Plastik-Ostereier. Das Mädchen hat ein schönes Kleid wegen des Feiertages an und sucht Eier. Weil die Sonne noch nicht so warm scheint, hat es kein T-Shirt an. Aus den Krokussen, die unter dem Baum blühen, hat es sich einen schönen Haarkranz gemacht."

Prof. Dr. Wilhelm Schmid (52), Glücksforscher, Philosoph und Autor des Buches "Die Kunst der Balance" (Insel Verlag): "Im Frühling wird es deutlicher als sonst: Der Mensch ist im Grunde eine Pflanze - eine Pflanze, die laufen gelernt hat. Immer im Winter werden die Säfte unterirdisch vergraben. Immer im Frühling kehren sie zurück, und der Mensch blüht wieder auf. Wohl dem, der jetzt jemanden hat, mit dem sich diese Gefühle ausleben lassen. Denn Frühlingsgefühle sind eindeutige Gefühle. Nicht nur unter Vögeln herrscht jetzt reger Verkehr. An eine Mäßigung ist nicht zu denken. Natürlich kann das Folgen haben, aber dies ist nicht die Zeit, lange darüber nachzudenken. Eine Zeitschrift in Berlin hat ihren Lesern schon mal ganz unverhohlen das frühlingshafte Entzücken auf die Lippen gelegt: ,Ich freu mich auf die nächste Nummer!'"

Wilhelm Grube (50), Fischer in Hoopte gegenüber vom Zollenspieker: "Der harte Winter geht mir schon ein bißchen auf den Geist, aber jetzt beginnt der Frühling mit mehr Helligkeit und Wärme, man ist einfach schon mal besser drauf. Für uns Fischer ist der Stint der Frühlingsbote. In den vergangenen Tagen zogen schon vermehrt Stinte die Elbe hoch. Heute haben wir 200 Kilo aus dem Wasser gezogen, davor immer nur so 40, 50. Es hängt nämlich nicht nur von der wärmeren Temperatur ab, ob die Stinte kommen, sondern auch von Faktoren wie zum Beispiel dem Tageslicht. Die Stinte haben uns noch nie betrogen, und die Kormorane folgen ihnen und fliegen die Elbe hoch. Für uns als Fischer und Gastronomen bedeutet das, daß endlich wieder Geld in die Kasse kommt. Am vergangenen Sonntag, bei dem phantastischen Wetter, waren schon 700 Leute bei uns zu Gast, um Stint zu essen."

Frau R. arbeitet ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge der Diakonie (alle Mitarbeiter bleiben anonym): "Sobald der Frühling kommt und das Freibad wieder geöffnet hat, gehe ich gerne schwimmen. Und ich habe einen großen Garten, um den ich mich kümmern muß. In meinem Beruf entstehen durch den Frühlingsanfang keine grundlegenden Veränderungen. Die Menschen, die sich an die Telefonseelsorge wenden, sind oft von jahrelangem Leid geplagt oder befinden sich in einer schweren Krise, da spielt die Jahreszeit keine besondere Rolle. Es ist allerdings so, daß der Frühling sehr ambivalent ist und besondere seelische Herausforderungen mit sich bringt. Gerade wenn draußen alles blüht und die Sonne scheint, ist der Kontrast zu den eigenen Problemen oft stark, man fühlt sich schneller in seiner Schwäche allein gelassen. Meine Aufgabe besteht darin, Weggefährte und kommentierender Begleiter zu sein und den Menschen, die mich anrufen, in ihrem Leid Beistand zu leisten. Durch das Zuhören kann manchmal doch eine Lösung gefunden werden."

Petra Stark (37), Standesbeamtin in Altona, wohnt in Glückstadt: "Der Frühling ist meine Lieblingsjahreszeit, weil die Natur zu neuem Leben erwacht. Alles wird wieder heller und fröhlicher. Am meisten mag ich, daß es nicht mehr dunkel ist, wenn ich nach Hause fahre. Man merkt auch, daß die Kundenstimmung positiver wird, denn der Frühling ist immer noch die klassische Zeit zum Heiraten. Ab März steigt bei uns die Nachfrage nach den ruhigen Wintermonaten wieder stark an. Besonders der Monat Mai ist sehr beliebt. Gerade die Termine für das Frühjahr sind immer schon früh ausgebucht und man muß sich rechtzeitig anmelden. Keinen Unterschied macht der Frühling dagegen bei der Geburtsbeurkundung: Es werden im Frühjahr meist genauso viele Kinder geboren wie im Sommer oder Winter."

Peter Rother (49), Fensterputzer in Schnelsen: " Ich hoffe zum Frühlingsanfang auf schönes Wetter, denn dann nimmt die Zahl der Kunden meistens wieder zu. Im Winter läuft das Geschäft eher ruhig, aber gerade im Frühjahr lassen viele ihre Fenster reinigen, weil man bei Sonnenschein den Schmutz viel schneller sieht. Der klassische Frühjahrsputz, wie es ihn früher gab, findet heute allerdings nicht mehr statt. Der Frühling hat in meinem Beruf auch den Vorteil, daß das Arbeiten im Freien angenehmer wird. Das Putzwasser ist im Winter sehr kalt, man friert schnell an den Händen. Das Schöne ist, daß ich selbstständig bin und mir meine Zeit selbst einteilen kann. Wenn ich im Frühjahr ein bißchen Zeit habe, gehe ich zum Beispiel gerne in die Sauna oder mache einen Spaziergang."

Dorle Nielsen (51), Floristin in Eimsbüttel: "Für mich ist der Frühling vor allem eine Zeit des Umbruchs. Im Winter hat man das Gefühl, daß alles tot ist, im Frühjahr dagegen sprießen die Pflanzen wieder und alles ist neu und zart. Auch die Farben sind ganz sanft, man sieht besonders viele Pastelltöne. Viele Leute pflanzen im Garten oder auf dem Balkon wieder neue Blumen und holen sich so den Frühling nach Hause. Die Klassiker schlechthin sind immer noch Tulpen und Narzissen. Grundsätzlich mag ich selbst den Frühling und den Herbst am meisten, weil sich in diesen Jahreszeiten etwas verändert. Im Frühling wandelt sich die ganze Stimmungslage, man kann wieder mehr unternehmen, weniger anziehen und nach draußen gehen. Ich esse sogar anders und wechsle von Rotwein auf Weißwein. Es ist einfach eine Zeit des Luftholens nach dem langen Winter. Nach der dunklen Jahreszeit ist die Seele hungrig auf neue Farben und Bewegung."

Interviews: Heike Gätjen (1), Corinna Voss (4), Sabine Tesche (2), Alexandra zu Knyphausen (2)