40 000 Hamburger holen Butt aus dem Hafen, Hecht aus der Alster, Zander aus der Bille. Das ist kein Anglerlatein, denn Hamburg ist die beste deutsche Stadt zum Fischen. Udo Schroeter hat ihre 150 Top-Angelplätze gefunden.

Der Tag zeigt Hamburg von seiner Schokoladenseite. Industrieromantik pur unter hellblauem Herbsthimmel, beherrscht von der Skyline zwischen Michel, Fernsehturm und Nikolaikirche. "Da drüben, am Cruise Center", sagt Peter Wiedenhöft, rückt seine Schirmmütze zurecht und deutet auf die riesige Baustelle der HafenCity gegenüber, "liegen immer die großen Passagierdampfer wie ,Queen Mary', ,Astor' und ,Deutschland'. Irgendwann soll da auch eine U-Bahn-Station entstehen."

Wir stehen mitten im Hafen, am "Baakenhöft", wo sich Norderelbe und Baakenhafen treffen. Der Wind weht kräftig, aber die warmen Strahlen der Sonne sind stärker. Metallisches Rammen klingt herüber. Peter Wiedenhöft ist 66, von der Oktobersonne gebräunt und kennt sich aus im Hafen. Aber noch besser weiß er, was unter der Wasseroberfläche vorgeht. Er ist Angler, seit rund 50 Jahren, und er weiß, welchen Fisch man wo rausziehen kann in Hamburg. "An dieser Stelle ist es fischreich", verrät er. Zander, Aal, Butt, Rotaugen, Brassen hat er hier schon gefangen. Aber im ganzen Hafen gibt es gute Reviere, zum Beispiel auch am Schuppen 52 und an der Dove-Elbe.

Zwei Stunden vor und zwei Stunden nach Niedrigwasser kann man hier mit einem bißchen Glück Zander von bis zu 80 Zentimeter Länge erwischen. "Der Baakenhafen abseits von der Bewegung des Hauptstroms ist ruhiger: Das ist gut für Zander", weiß Wiedenhöft.

Zander ist auch das Ziel des einsamen Anglers, der hier gerade versucht, mit einem knallgrünen Gummifisch erfolgreich zu sein. Noch hat keiner angebissen. Aber das will nichts heißen. Warten ist schließlich des Anglers Lust, und Hamburg ist die Angelstadt Deutschlands. Seine Gewässer sind mittlerweile so gesund, daß sich mehr als 90 Fischarten hier wohlfühlen. Die allerdings müssen sich, schätzt die Angelbranche, vor rund 40 000 Hobby-Anglern in Sicherheit bringen, Tendenz: steigend.

Dazu kommen immer mehr Angel-Touristen aus allen Teilen Deutschlands. Da ist es nur logisch, daß Udo Schroeter jetzt im ersten "Angelführer Hamburg" die besten 150 Fischgründe auflistet und nützliche Hinweise gibt, wie man in den Genuß dieser bisher vor allem unter Fachleuten bekannten Qualität Hamburgs kommen kann.

Großstadt-Ambiente, herrlich weite Blicke und Hamburgs ureigensten Trumpf als Stadt an der Elbe kann man als Angler in der Tat am besten im Hamburger Hafen auskosten. Man darf ihn getrost eines der besten städtischen Angelreviere in Deutschland nennen, denn er bietet Fischen Vielfalt und günstige Lebensbedingungen. Für Angler machen es Hauptstrom und viele Hafenbecken und Kanäle abwechslungsreich.

Reizvoll ist hier, daß - anders als an der Alster - die Tide die Wasserstände bestimmt und die Fische ihr Freßverhalten diesem Rhythmus angepaßt haben. So läßt sich Zander gut bei ablaufendem Wasser fangen, Plattfische und Aale besser bei auflaufendem. Der gewiefte Plattfischangler trifft sich gerne mit Kollegen am "Grasbrookhafen" oder fährt an die Süderelbe, um mit Wattwürmern an den Anlegern von Neuhof und Waltershof zu fischen. Aus ganz Deutschland zieht es Zanderangler gezielt in den "Sandtorhafen" und ans "Hansahöft".

Elbchaussee-Feeling finden Angler an der Elbe, zum Beispiel am Hindenburgpark, wo es viel Aal und Butt gibt und man sich wie am Strand fühlt. Wegen des Aals und Butts fischt Peter Wiedenhöft auch gerne "in Neumühlen, auf einer Länge von 450 Metern".

Vom Fischmarkt stadtauswärts hat man überall schönstes Hafenpanorama. Einer der familienfreundlichsten Angelplätze ist Wittenbergen: Kinder buddeln im Sand, Frau und Freunde sonnen sich, und der Angler geht auf die Buhne zum Zanderfischen. Aber Achtung: an Sommer-Wochenenden ist an den Strandabschnitten kaum an Angeln zu denken, weil einfach zu viele Ausflügler da sind.

Erstklassige Karpfengewässer sind Außen- und Binnenalster. Hier kann man schon mal einen 10-Kilo-"Moosrücken" (wie Angler den Karpfen nennen) fangen. Was den Karpfen in der Außenalster heimisch werden ließ, sind üppige Muschelgründe und die Durchschnittstiefe von zweieinhalb Metern. Selbst Bootsverkehr bringt Karpfen nicht aus der Ruhe.

Die stattlichsten Alster-Hechte wogen bisher um die 30 Pfund, aber auch viele Weißfischarten ziehen Angler an. Besonders fühlen sie sich von Plätzen an der Bellevue angezogen und vom "Hansa Steg" an der Schönen Aussicht. Dort hat man eine wunderbar grüne Stadt-Kulisse vor sich und sitzt selber mittendrin. Gute Zanderangelplätze sind alle Anleger, weil die Tiere genau da Rückzugsmöglichkeiten finden, wo die Schiffe festmachen: Dort entstehen ausgespülte Bodenlöcher.

So citynah die Binnenalster auch ist, Angelfreunde finden sogar hier fette Beute: Karpfen, Aale, Zander, Brassen, Barsche und Rotaugen. Erst im Juli fing ein geduldiger Angler an der Lombardsbrücke einen imposanten Spiegelkarpfen von satten 30 Pfund.

An den Alster-Kanälen hat so mancher Hamburger schon früher seine ersten Rotaugen mit Maiskörnern oder zusammengedrücktem Brotteig geangelt. Unter den Brücken konnte man leicht mal einen Hecht erwischen und im Herbst mit kleinen Blinkern Barsche in Isebek-, Goldbek- oder Eilbekkanal fangen. Die Kanäle gehören zu den am ursprünglichsten gebliebenen Gebieten Hamburgs, haben nichts von ihrer Beschaulichkeit verloren und locken alte wie junge Angler an ihre Ufer. Wiedenhöft schätzt besonders den "Kumühlen- und den Brabandkanal sowie die Reviere am Alsterwanderweg".

Wunderschöne Angelstellen liegen da etwa am Rondeelkanal und am Feenteich. Hechte, Zander, Barsche und Rotaugen lauern unter Brücken und an Seerosenfeldern; und von Holzstegen wie am Goldbekkanal ist das Fischen sehr bequem.

Die an vielen Abschnitten lauschige Bille ist innenstadtnah, hat idyllische Kanäle und ist ein hervorragendes Raubfischrevier. Auch hier jagen unter Brücken und Trauerweiden, die das Ufer bewachsen, Zander, Hechte und Barsche. Jetzt im Herbst sind sie besonders aktiv. Man angelt sie mit kleinen Blinkern und Gummifischen zum Beispiel an der "Grünen Brücke".

Die Bille, aus der schon Ein-Meter-Hechte gefangen wurden, ist bestens geeignet, um vom Boot aus zu fischen. Das tut Dieter Martens, vor allem ein Karpfen-Fänger, gerne. "Auf der Außenalster und der Elbe gibt's ziemlich viele Angler", sagt er, "das mag ich nicht so. Ich bin ein Einzelgänger". Also fischt er - seit 20 Jahren und davon jedes zweite Wochenende in Hamburg - vor allem dort, wo man nur mit dem Boot hinkommt und grüne Kanäle einsame Plätze bieten. Besonders originell kann man dort übrigens vom Belly-Boat aus angeln, einer Art schwimmendem Stuhl, in dem man mit Wathose und Flossen sitzt und sich treiben läßt.