Mickey Rourke sitzt in Austin in der South Congress Avenue vor dem Jo's, einem Cafe, coole Brille auf, und sieht den hübschen Mädchen nach. Der Mann hat einiges auf dem Herzen, aber für den Moment erlaubt er sich eine Atempause. "In dieser Stadt läuft massenhaft Talent rum", sagt er wissend. "Heiß? Vergiß es. Ich sag dir was, Bruder, du hast keine Ahnung. Keine Ahnung." Er ist ein massiger, muskulöser Kerl, stämmig fast, mit knittrigem, stoppelbärtigem Gesicht und einer traurigen Nase, die aussieht, als sei sie schon öfter zermanscht worden. Es war mal ein schönes Gesicht, mit leuchtenden Augen, einem anzüglichen Grinsen, animalische Härte darin und eine gewisse feminine Verletzlichkeit. Aber das ist 20 Jahre her, das war in den 80ern, als Rourke ein gefragter Schauspieler war und in Filmen wie "Diner", "9 1/2 Wochen", "Rumble Fish" oder "Barfly" die Leinwand füllte. Bevor er in einem Anfall von Selbsthaß aus dem Business ausstieg, nach Miami Beach zog und die nächsten fünf Jahre im Boxring verbrachte. Acht Siege, sechs Knockouts, zwei Unentschieden. Einst hatte er alles: einen vergoldeten Rolls Royce, eine Armada von Harley-Davidsons, eine Monstervilla im Benedict Canyon, ein Team von Ja-Sagern, eine schmollmundige, attraktive Frau (Schauspielerin und Model), die Bewunderung seiner Kollegen. Er war der nächste James Dean.

Alles weg. Heute hat er nur noch die vage Sehnsucht nach einem Comeback. Später im Jahr wird er in "Domino" mitspielen, dem neuen Film von Tony Scott, aber erst ist "Sin City" dran, ein Streifen nach den Comic-Romanen von Frank Miller, mit Rourke in einer der Hauptrollen (neben Bruce Willis). Er ist 48 Jahre alt. In drei Tagen wird er nach Hollywood zurückkehren, wo er wohnt, aber er freut sich nicht darauf. Er würde lieber bleiben, wo er ist.

"Irgendwann zieh' ich hierher", sagt er nach einer Weile. "Ich meine, wär' ich jetzt in L.A., ich hätte nicht dieses Lächeln im Gesicht. Siehst du die Blonde da, die in dem blauen Sweatshirt? In L.A. trüge sie einen Minirock bis zum Arsch und würde irgendein Arschloch um einen Job anbaggern. Hier ist alles normal. Hier treibt nicht jeden dieser häßliche Ehrgeiz."

Er zuckt mit den Schultern, bläst den Dampf von seinem Kaffee und erzählt von der Implosion seiner leuchtenden Karriere.

"Ich wußte immer, daß ich das Ding selber an die Wand gefahren hab', nicht die anderen; nicht die, die ich haßte, auch wenn ich sie nicht mal kannte", sagt er. "Mein Zorn hat es ruiniert, mein Schmerz, meine Konfusion, meine Ignoranz. Als ich dann bei diesem Psychiater landete, bei dem ich bis heute bin, da dachte ich, ein halbes Jahr, höchstens ein Jahr später wär' ich wieder zurück und würde nonstop arbeiten. Aber dann vergehen zwei, drei, vier, fünf, sechs Jahre, und ich feg' immer noch die Straße. Tu' ich bis heute. Das ist keine romantische Reise hier. Vor ein paar Monaten, kurz nachdem mein Bruder starb, fährt mich mein Freund Bruce zum Flughafen. Ich hatte meinen Führerschein vergessen. Ich sagte: ,Wie komm' ich jetzt zu meinem Flug?' Bruce sagt: ,Sag ihnen doch, wer du bist. Ich sagte: ,Wie meinst du das? Soll ich denen sagen, wer ich früher mal war?' Bruce lacht. ,Weißt du was? Sag: Ich bin der Geschäftsführer.' ,Von was? ,Der Geschäftsführer des Nichts.' Ah, der verdammte Bruce, Mann."

"Ich hab' alles verloren", fährt er fort. "Alles. Every fucking thing. Sprich's aus: alles. Als mir noch 200 $ blieben, sprachen nicht mal mehr meine Angestellten mit mir. Ich hab' ungelogen sogar mal einen Typen angerufen und gefragt, ob's irgendwo Arbeit auf dem Bau gibt. Er sagte: ,Hey, Mickey, hör auf, ich laß' mich nicht verarschen' und legte auf. Wahrscheinlich wird's nie mehr leicht für mich sein. Schätze, ich hab's gründlich vermasselt."

Er wartet auf den Kinostart von "Sin City" (in Deutschland auf den 11. 8. verschoben). Vielleicht würde der Film ja das für ihn, was "Pulp Fiction" damals für Travolta wurde, wer weiß? Rourke spielt darin einen Typen namens Marv, der einen Rachefeldzug startet, nachdem seine große Liebe in seinem Bett umgebracht wurde. Für die Rolle wurde sein einst so attraktives Gesicht vom Maskenbildner noch zusätzlich entstellt. Gut, daß sein Name groß auf den Plakaten steht. Es ist das erste Mal, daß er zu den Stars eines Films gehört, der das Zeug zum Kinoknüller hat. Da könnte was in Bewegung kommen. Aber bisher hat Rourke in Austin nur Zeit totgeschlagen, natürlich in Begleitung seines geliebten Chihuahua-Mischlings Loki.

L

oki ist der Boß", sagt er zärtlich. "Ich häng' total an ihr, genau wie schon an ihrem Vater Beau Jack. Ihn hab' ich vor drei Jahren verloren. Ich gab ihm 45 Minuten Mund-zu-Mund-Beatmung, bis sie mich wegzerrten. Er starb bei mir zu Hause, und ich war so deprimiert, daß ich da zwei Wochen lang nicht hin konnte. Selbst jetzt fällt's mir noch schwer, darüber zu reden." Loki ist Rourkes Lebensgefährtin, sie kommt auf jede Reise mit. Für den Flug hierher trug er sie in einer kleinen Kiste bei sich, die er so weit wie möglich unter seinen Erste-Klasse-Sitz schob. Das reichte der Stewardess nicht, sie trat mit dem Fuß gegen die Kiste und sagte: Können Sie das nicht woanders hintun? Rourke reagiert mit einem herzhaften "Fuck you, you fucking bitch - da ist ein Hund drin!" "Was haben Sie da gesagt?" "Fuck you, you fucking bitch. Treten Sie bloß nicht noch mal dagegen." Der alte Rourke hätte weitergetobt, aber er bemüht sich sehr, nicht mehr der alte Rourke zu sein, also hielt er die Klappe. In Austin befiel den neuen Rourke eine Bindehautentzündung am rechten Auge, also trägt er in der Öffentlichkeit immer eine Sonnenbrille. Dem alten Rourke wäre es vielleicht egal gewesen, wenn sich irgendwer deswegen geekelt hätte. Dem alten Rourke hätte es vermutlich Spaß gemacht, sein geschwollenes, nässendes Auge herzuzeigen, aber der neue ist schlau genug, keine Provokationen zu riskieren. Weniger bei den Leuten hier als beim Studiovolk von Los Angeles, wo selbst ein Regisseur wie Tony Scott ("Top Gun") darum kämpfen mußte, Rourke engagieren zu dürfen. Das Problem war irgendeine "blöde Tussi", die es auf ihn abgesehen hatte, aber er würde ihren Namen nicht nennen, weil er doch bekehrt ist. Lachend sagt er: "Wer das war? Hab' nicht die geringste Ahnung. Vor zehn Jahren hätt' ich's dir gesagt, aber in das schwarze Loch geh' ich nicht mehr zurück. Ich bedaure einiges von der ganzen Scheiße, die damals aus meinem Mund kam. Das war dummer Scheiß, lauter Müll, der nichts geändert hat, auch wenn er wahr war. Drum bin ich jetzt ein Mann, der nichts zu sagen hat. Alles, was du aus mir rauskriegen wirst, ist 'ne Menge Nichts."

Getreu seinen Worten lehnt er sich zurück und sagt erst mal gar nichts mehr. Aber das hält er nicht lange durch. Bald verrät er, daß er kaum Milchprodukte ißt ("Ich esse kaum Milchprodukte"), daß er George Bush verehrt ("Ich hätte zweimal für ihn gestimmt, wenn das ginge"), daß er finanziell so mies dasteht, daß er keine Kreditkarte hat und sich nur eine kleine wöchentliche Ration auzahlen läßt. Sein einziger Luxus heutzutage sei sein Koch daheim in L.A. Und er stehe immer früh auf, damit er auch früh ins Bett geht ("Es ist besser, wenn ich nicht rumsitze und überlege, was ich heute abend anstellen könnte"). Er sagt, er trage alle Farben außer Rot und selten Unterwäsche, und sein größter Vorzug in den Augen der Frauen sei wahrscheinlich Loki. Er sagt: "Wenn du so viel angerichtet hast wie ich in den letzten 15, 20 Jahren, dann stößt du natürlich bei den Studios auf Ablehnung. Die Rollen, die ich heute spiele - ich nehm' halt das Beste von dem, was ich kriegen kann." Er sagt außerdem sehr vehement: "Ich geh' zu keinem Meeting (mit einem Regisseur) und werd' das auch in Zukunft nicht tun, höchstens bei jemandem mit Referenzen wie Robert Rodriguez oder Tony Scott. Ich hab' immer noch meinen Stolz. Wenn Joe Blow mich für einen Film haben will, dann soll er einen Haufen Kohle auf den Tisch legen und nicht sagen: ,Wir müßten uns mal treffen.' Engagier und bezahl mich. So läuft das."

Daß er das letzte Mal beichten ging, sagt er schließlich, das war vor vielen Jahren in New York, wo er regelmäßig einem Pfarrer namens Pater Petrus sein Herz ausschüttete. "Pater Petrus hat mir in einer sehr schwierigen Phase geholfen. Der sagte: ,Nein, das wirst du diesem Mann (Jesus) nicht antun. Du gehst jetzt darüber und versprichst der Jungfrau Maria auf den Knien, daß du das nicht tun wirst. Los, rüber da.' Dann gingen wir in den Keller, tranken Rotwein, rauchten ein paar Zigaretten und redeten weiter. Pater Petrus ist der Knaller, Mann."

Dann zieht er ein Fläschchen Augentropfen aus der Tasche, nimmt die Sonnenbrille ab, legt den Kopf zurück, hält die Pipette über das schlimme Auge - mit leicht zitternder Hand, ein Nervenschaden vom Boxen - und sagt: "Ich krieg' das Zeug einfach nicht in mein Scheißauge. Na, jetzt hat's ja geklappt", obwohl das eindeutig nicht stimmt.

Er war 25 und arbeitete als Türsteher in einem Transvestiten-Club am Hollywood Boulevard, als er seine erste größere Rolle in einer Hollywood-Produktion bekam. Zuckend und zögernd spielte er einen Brandstifter in "Body Heat" (1981), und ab da ging er auf die Welt los. Im Jahr darauf lieferte er in Barry Levinsons "Diner" die nächste exzellente Performance ab. Eine Zeitlang war Rourke extrem angesagt und extrem unausstehlich - ein arrogantes, toughes Lautmaul, ein Method Actor, der am Actor's Studio in New York gelernt hatte und sich von niemandem was sagen ließ, von keinem Studio, Regisseur oder Produzenten. Er machte sich Feinde ohne Ende. Und er hing nicht nur mit Schauspielern zusammen, sondern auch mit Bikern und richtigen Gangstern wie John Gotti - Typen wie die, mit denen er im Ghetto von Liberty City bei Miami Beach aufgewachsen war. Er gab Geld mit beiden Händen aus, mehr Geld, als er hatte. Und erlag deshalb nach einem Jahrzehnt überwiegend guter Filme der Verlockung von 2,6 Millionen Dollar Gage, seiner bislang höchsten, und drehte einen ganz und gar unterirdischen Streifen namens "Harley Davidson and the Marlboro Man".

"Das war der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte", sagt er nun. "Das Skript war scheiße. Der Regisseur war scheiße. Und ich hatte mich verkauft. Klar, ich hatte Schulden, aber Junge, das brach mir das Kreuz."

Wie zur Buße verließ er Hollywood, zog nach Miami Beach, wo er schon als Kind geboxt hatte, und begann mit 34 seine fünf Jahre im Ring. Er schlug sich nicht schlecht als Super-Mittelgewicht und Leichtschwergewicht, bekam aber einiges ab. Ein zerschmetterter Wangenknochen, zwei gebrochene Rippen, vier gebrochene Knöchel, eine fünfmal gebrochene Nase, eine gespaltene Zunge. Und zu viele Treffer am Kopf. 1995 sagten ihm die Ärzte, er werde langsam punch-drunk ("Ich war schon soweit, daß ich mich an Sachen von vor 25 Jahren erinnern konnte, aber nicht vor 25 Sekunden"), also sah er's ein und gab den Sport auf. Er hatte als Boxer 1,3 Millionen $ verdient, aber er war auch ein leichtes Opfer für seine Freunde, bezahlte ihre Kautionen, ihre Mieten. Und bald war das ganze Geld weg.

Die falschen Freunde auch. Mickey Rourke war allein auf der Welt. Nur seine Hunde hatte er noch, sieben Stück, alle Chihuahua-ähnlich, und seinen Psychiater, den er "meinen besten Freund" nennt. Tatsächlich behandelte der Mann ihn, als er pleite war, auch auf Pump. Das addierte sich zu 30 000 oder 40 000 $, die Rourke inzwischen beglichen hat. Früher hatte er drei Sitzungen pro Woche, inzwischen ist es noch eine plus ein Telefonat. "Ich dachte, ich würde da drei, vier Monate lang hingehen", sagte er, "ich hätte nie geglaubt, daß es nach sechs Jahren immer noch Zeug aufzuarbeiten gibt." Er macht eine Pause. "In der Presse stand, ich hätte Alkohol- und Drogenprobleme, aber das ist alles Quatsch. Es war allein meine Verrücktheit. Das ist alles."

Träume? Er hat eigentlich nur einen, und der betrifft seinen Bruder Joe, der mit 19 an Krebs erkrankte und letzten Oktober starb. "Er starb in meinen Armen", sagt Rourke. "Ich hab' schon viel gesehen im Leben, aber darauf kann einen nichts vorbereiten, daß man den eigenen Bruder sterbend im Arm hält. Die Leute fragen mich: Was hast du für Träume? Was willst du? Ich will, daß Joe durch die fucking Tür kommt. Das will ich, klar?" Er seufzt tief und hebt die Sonnenbrille, um etwas Feuchtigkeit wegzuwischen. "Jedenfalls hab' ich keine grandiosen Filmträume. Früher vielleicht. Jetzt ist alles ganz simpel: Maul halten und zur Arbeit gehen. Wenn ich Arbeit habe. Ich fang' von vorne an. Ganz schöner Scheiß, was?"

Genaugenommen fängt er schon seit zehn Jahren von vorne an, dreht Filme, die nie groß rauskamen und ihm nie viel brachten, mit Titeln, die keiner kennt. Und obwohl er immer wieder glänzt, wie in "Der Regenmacher" und Sean Penns "Das Versprechen", will ihm in Hollywood kaum jemand etwas Substantielles anbieten, eine richtige Hauptrolle in einem richtig fett budgetierten Film eines großen Studios. "Alles, was ich brauche, ist eine verdammte Chance", sagte er. "Ich weiß, was ich kann, ich kenn' mein Talent. Aber ich hab' auch hart daran gearbeitet zu begreifen, was das für einen Mann wie mich bedeutet: daß es immer ums Geschäft geht, weniger um Kunst. Es ist ein Business, und wenn du dich darum nicht scherst, dann bezahlst du den Preis. Ich wußte das vorher nicht. Alles, was ich gelernt hab', hab' ich auf die harte Tour gelernt. Ich mußte mich in vielen Punkten ändern, zum Teil sehr widerwillig. Aber das schafft man eben auch nicht in ein oder zwei Jahren."

Heute sitzt er wieder draußen vorm Jo's, wieder bei einem Kaffee, das Hündchen wachsam auf dem Schoß. Loki sieht heute besonders hinreißend aus, in einem 260-$-Sweater und einem 275 $ teuren Türkis-Halsband. Rourke sieht aus wie immer, wie jemand, mit dem man sich lieber nicht anlegt: das Käppchen, der wadenlange schwarze Ledermantel, das grau-stopplige Gesicht, die Sonnenbrille, die rauhe Stimme, die steinerne Feindseligkeit bei Fragen, die er nicht hören will.

Hat er zur Zeit eine Freundin? "Darüber rede ich nicht." Ist er ein talentierter Aufreißer? "Kein Kommentar." Hat er eine beste Freundin? "Die einfach nur eine Freundin ist? Ja. Und die ist das Beste, was mir je passiert ist."

Genau in dem Moment klingelte sein Handy. Blinzelnd sieht er es an und sagt: "Ähm, das ist sie." Er geht dran. "Hey, wie geht's dir? Hast du meinen Brief bekommen? Mann, ich hab' ihn per Eilpost geschickt. Egal, hier ist es total cool. Du wärst begeistert. Was? Ich kann dich nicht hören. Sag das noch mal. Hallo? Hallo? Ach, scheiße." Er steckte das Handy weg.

Verliebt er sich leicht?

"Ich verlieb' mich überhaupt nicht. Aber ich war schon verliebt. Ich war mit einer Frau verheiratet, die ich sehr liebe. Sie war gerade am Telefon."

Schweigen. Carre Otis also hat ihn gerade angerufen. Die beiden lernten sich 1989 beim Dreh zu "Wilde Orchidee" kennen, einem lauen Softsexfilm, der nach den Sadomaso-Eskapaden von "9 1/2 Wochen" noch mal mit Rourkes erotischem Ruhm Kasse machen sollte. "Wir waren zwei sehr feurige Menschen", sagte Otis später. "Wir hatten beide viel Wut. Wir verstanden uns auf eine verwundete Art." Sie liebten und sie schlugen sich also, sie trennten sich und versuchten es noch mal, heirateten und zerstritten sich wieder. Otis verklagte ihn wegen ehelicher Mißhandlung, zog die Klage später zurück. Eine höllische Romanze.

Jetzt ist also alles wieder gut mit Otis? "Nein, ist es nicht." Hat er immer noch das "Carre Forever"-Tattoo auf der Schulter? "Darauf kannst du deinen Arsch wetten." Gilt das forever noch? "Absolut. Ich bin old-school, Freundchen. Ich lebe mit der Hoffnung. Aber ich rede nicht drüber." Hat er einen Kosenamen für sie? "Schluß jetzt", blafft er und sieht einem Freak mit Tütü und Teufelshörnern nach. War sein Vater tatsächlich ein Mafiakiller, den sie "Two-Gun Philly" nannten, wie mal zu lesen war? "Auf keinen Fall", sagt Rourke. "Ich bin ihm nur einmal begegnet. Er war Bodybuilder, und ich weiß nicht, was er sonst gemacht hat. Mann, ey, das ist ja abgefahren. Die Geschichte hab' ich noch nie gehört. Noch nie."

In diversen Artikeln hieß es, er sei mehrmals beim Schönheitschirurgen gewesen: Wangenimplantate, Augen gerichtet, solche Sachen. Hat er sich wirklich operieren lassen, abgesehen von den Korrekturen nach seinen Boxverletzungen? "Scheiße, nein", sagt er. "Ich mag keine Nadeln."

Könnten wir über seine Kindheit sprechen? "Darüber rede ich nie", sagt er. "Darüber sprech' ich jeden Sonntag mit meinem Arzt." Und über seinen Stiefvater? "Über das alles rede ich nicht", sagt er. "In das alles investiere ich keine Energie." Dann steht er auf und schlendert zum Hotel, wo er am Empfang stehenbleibt und gesteht, er habe in der Nacht zuvor ein Kissen in seinem Zimmmer angebrannt - ein Mißgeschick mit einer Kerze. "Ich hab's in eine Schublade gesteckt, damit's keiner sieht", sagt er verlegen. "Ich wollte Ihnen nur sagen, daß es ein Versehen war. Setzen Sie's auf die Rechnung."

Er fand nie was dabei, in den Slums von Liberty City aufzuwachsen. Er war ein White-Trash-Junge, der gern mit anderen Kids auf der Straße spielte. Seine Mutter war okay, wenngleich eine lausige Köchin ("Die könnte kein Spiegelei braten, wenn's um ihr Leben ginge"). Aber dann war da noch der Stiefvater. Es gibt Geschichten, wonach der Stiefvater Mickey und seinen Bruder schlug. "Mir ist vor langer Zeit was zugestoßen - da war ich gezwungen, etwas zu jemandem zu sagen, was ich eigentlich nicht sagen wollte, und der- oder diejenige hat mir dann etwas getan, was ganz schrecklich war. Und seitdem wird mir niemand mehr dumm kommen", sagt er. "Wenn man älter ist, wird man härter, aber als Kind kann man sich nicht wehren." Er hält inne. "Du willst wissen, wer's war? Meine Mutter hat ein Arschloch geheiratet, okay? Er war nicht mein Vater. Aber irgendwann muß man darüber wegkommen, sonst ruiniert es das Leben, und dann hat man kein Leben mehr."

Das scheint vieles an Rourke zu erklären - seinen Zorn, seine Arroganz, das Boxen. Aber es erklärt keineswegs seine Bemühungen, sich zu ändern, indem er sechs Jahre lang konsequent zum Psychiater ging, so ineffektiv diese Bemühungen manchmal scheinen mochten. Sie müssen von einem anderen Rourke kommen, dem wahren Rourke vielleicht, dem reinen Rourke, von dem man lange nichts gehört hat.

In seinem Hotelzimmer wirft er sich aufs Bett. Loki hüpft neben ihn, und Rourke führt vor, wie er neben ihr einschläft. Er sieht glücklich aus in dieser Position, sogar friedvoll. "Wie geht's meinem kleinen Mädchen?" sagt er zu dem Hund. "Alles klar? Du siehst müde aus. Ich weiß nicht, was ich ohne die hier machen würde. Sie ist elf. Gib Daddy einen Kuß."

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