In der Nacht zum ersten Mai lodern vielerorts wieder die Feuer. Es ist Walpurgisnacht, und die Hexen tanzen auf dem Blocksberg. Was ist dran am alten Zauber? Ein Gespräch mit der Hexenexpertin Brigitte Riebe (51) aus München, promovierte Historikerin und Bestseller-Autorin (1,5 Mio Exemplare; soeben erschien "Die Hüterin der Quelle", Diana Verlag).

JOURNAL: Frau Riebe, was ist dran an der Walpurgisnacht?

BRIGITTE RIEBE: Absolut nichts. Bei den Maifeiern beruft man sich auf das alte keltische Beltane-Fest - das Ende der Winterzeit -, auf das die Kirche dann die Feier der Hl. Walpurga gestülpt hat. Der Tanz auf dem Blocksberg ist historisch gesehen eine Erfindung der Romantik; auch Goethes "Faust" hat seinen Teil dazu beigetragen. Immerhin ist das für den Fremdenverkehr im Harz ein Segen.

JOURNAL: Was sind Hexen überhaupt?

RIEBE: Das Wort "Hagazussa" ist zum ersten Mal im 16. Jahrhundert in den Gerichtsbüchern aufgetaucht. Hexen waren Frauen und Männer, die angeblich ihre Seele dem Teufel überschrieben hatten. Heute wird die Hexe in Kinderbüchern wie "Harry Potter" oder "Bibi Blocksberg" gefeiert. Die Frauenbewegung schrieb sie sich auf die Fahnen, als Symbol für ein wildes Leben am Busen der Natur. Hexen müssen für die neue Lust an der Mystik herhalten.

JOURNAL: Zu Unrecht?

RIEBE: Allerdings. An dem Begriff klebt viel Leid und Verfolgung. In der frühen Neuzeit war sie am schlimmsten, 60 000 Menschen starben - wenn auch keine 9 Millionen, wie oft behauptet wird. Sogar in Hamburg waren es 40.

JOURNAL: Was waren die wirklichen Gründe für die Hexenverfolgung?

RIEBE: Laut neueren Forschungen hing sie eng mit dem Klima zusammen. Im 17. Jahrhundert herrschte eine kleine Eiszeit, der Bodensee war dick überfroren. In regenreichen, nassen Sommern verfaulten alle Vorräte in den Scheunen. Für die riesigen Hungersnöte versuchte man Sündenböcke verantwortlich zu machen. Das waren dann die Hexen. Nach schaurigen Strafprozessen hat man ganze Familien dazu gebracht, einander zu denunzieren und sie dann ins Feuer gestoßen.

JOURNAL: Die Hexe taugt also nicht für lustige Tänze?

RIEBE: Nein. Die Geschichte der Hexen ist traurig und viel differenzierter, als sie heute vermittelt wird.

Interview: R. GASPER