Für die Halligleute ist sie eine von ihnen. Aber Kari Köster-Lösche sucht und bewahrt auch noch die Geschichte der Insel Langeneß. Jetzt hat sie einen Roman geschrieben, der diese Historie populär macht. Wir haben sie besucht.

Den Blick fest auf den welligen Wattboden geheftet, hatte sie sie gefunden und aufgehoben: zwei Totenschädel, die das ewige Auf und Ab von Ebbe und Flut zutage gefördert hatte. Kriminalistische Absichten konnte man ihr zu der Zeit noch nicht nachsagen. Aber beim Bürgermeister stieß es auf Empörung: Eine Zugereiste, die dann gleich die seit Jahrhunderten bewahrte Totenruhe störte. Unglaublich!

Kari Köster-Lösche, vor kurzem auf die Ketelswarf von Langeneß gezogen, hatte die Gebeine brav bei Bürgermeister Andresen abgeliefert. "Fürs Museum oder zum Begraben. Ich wußt' ja auch nicht, wie man mit so was umgeht", sagt sie. Andresen war zwar sauer, erkannte aber bald ihre guten Absichten, und heute sind die beiden beste Freunde. Denn sie setzen sich für das Gleiche ein: das ungewöhnliche Leben auf der 956 Hektar großen Hallig, für die 120 Halligleute und ihre Geschichte zwischen Überlebenskampf und Untergang.

Kari Köster-Lösche tut das als Wattforscherin und Schriftstellerin. Die beiden Schädel, das hat sie inzwischen mit kriminalistischem Spürsinn festgestellt, stammen wohl aus der Untergangszeit der Rickertswarf, die 1825 südlich der heutigen Hallig dem Meer überlassen wurde.

Sie haben längst Eingang gefunden in ihre Sammlung, mit Tausenden anderer Fundstücke, die das Halligleben seit dem elften Jahrhundert hergab und die das Watt freigegeben hat. Aus einer Zeit, als man hier ohne Deiche lebte, Öfen mit getrocknetem Kuhmist heizte und Wasser aus den Fethingen trank, teichartigen Regenwasserspeichern.

Heute pfeift der Wind unerbittlich übers flache Land, und Kari Köster-Lösche holt Gäste von der Fähre ab: eine kleine, blau angezogene Person, die sich aus einem Golf schält. Parka, Jeans, Pudelmütze, rote Backen. Im Hilligenlei, dem einzigen Hallig-Gasthof, spricht sie dann bei Bier und Speckscholle fast zwei Stunden über das Leben auf Langeneß.

Seit elf Jahren wohnen Kari und Karl-Heinz Köster-Lösche hier. Gerade hat die Autorin vieles vom Hallig-Leben in ihrem Krimi "Mit der Flut kommt der Tod" verarbeitet. Und mit dem Aquarell-Pinsel malt sie alles, was sie im Watt findet, um es zu dokumentieren. Das kopierte Material schickt sie ans Archäologische Landesdenkmalsamt. Das erklärte ihre Sammlung umgehend zum Privatmuseum. "Das kann ich in die Hallig-Gemeinschaft einbringen", sagt sie.

Klar, daß sie ihr Wissen auch im Krimi unterbrachte. "Es zu vermitteln und mit Phantasie in eine Handlung einzuweben hat Spaß gemacht", erzählt sie. Dabei schreibt sie nur über Dinge, über die sie Bescheid weiß: "Eigenes Erleben ist besser als jede Recherche." Trotzdem wälzt sie seit Jahren auch alte Schriften über Hallig-Geschichte. Zu ihrem Erstaunen fand sie dann die "Quatsche" hier wieder, einen Bootstyp, den sich die Köster-Lösches einst an der Ostsee bauen ließen: ein Boot der Hallig-Fischer.

Es fängt an zu schneien. In diesem Jahr war die Hallig schon achtmal landunter - in früheren Zeiten lebensgefährlich. Aber heute hat man ja Deiche. 1894, als die Handlung des Krimis beginnt, wurden gerade die ersten Schutzmaßnahmen für die Hallig offiziell geplant. Im Buch kommt nun Sönke Hansen, ein mutiger Wasserbauinspektor, ins Spiel, der die Deiche durchsetzen soll. Er stößt auf Widerstand, denn die Halligleute lassen sich von Fremden nichts sagen. Eines Tages liegt im Westen, wo heute der Leuchtturm steht, eine Leiche. Der Verdacht fällt auf Hansen . . .

Wie der Held ihres Krimis steht Kari Köster-Lösche seit einem Sommertag Mitte der 80er Jahre, als sie mit ihrem Mann das erste Mal nach Langeneß kam, ganz im Bann der Hallig: "Wir waren verloren." Irgendwann kauften sie dort ein Haus, in dem sie wohnen, wenn sie nicht im nordfriesischen Süderlügum sind.

Neue Wege zu beschreiten ist ihr nicht fremd. Sie studierte Tiermedizin, war Abteilungsleiterin im Batelle-Institut, erforschte Tumoren, entwickelte Knochenersatzmaterial, wurde Autorin und, seit sie auf Langeneß lebt, Wattforscherin und Museumsbesitzerin; und manchmal ist sie auch Muschelsucherin.

Wie heute. Ihr Mann hat die Pazifischen Felsenaustern köstlich zubereitet: überbacken mit Spinat und Speck. Später wird sie die Schalen waschen, bürsten und vorm Haus in einen Kasten legen. Jeder, der eine Spende fürs Tadsen-Museum nebenan hinterläßt, kann welche mitnehmen.

Nur wenige Halligleute ahnen wohl, wie tief die Autorin in ihre Geschichte eingestiegen ist. Aber der Kaufmann will ihr Buch auslegen. Sönke Hansen jedenfalls wird ein paar Krimis lang weitermachen. Im nächsten kommt er bis Mecklenburg. Da verbrachte die Autorin ihre frühen Jahre. Ein wunderbarer Grund, sich in die mecklenburgische Geschichte hineinzuwühlen. Ein Toter wird sich dabei schon finden lassen.

Ringelganstage auf den Halligen : 16.April bis 16. Mai. www.ringelganstage.de