Mitten in Harve- stehude versteckt sich noch ein alter LANDSCHAFTS- GARTEN. Er entstand 1883 nach der Besied- lung des früheren “Klosterlands“: Betuchte Bürger- familien wollten es stilvoll haben.

Oliver Breitfeld

Hinter Wohnhäusern und dunklem Grün verbirgt sich am Mittelweg in Harvestehude ein Kleinod Hamburger Gartenarchitektur: ein Mini-Landschaftspark, bewahrt, intakt und doch unbekannt. Angelegt hatte ihn der legendäre Hamburger Gartenarchitekt Rudolf Jürgens (1850-1930) im Jahr 1883 für die wohlhabende Bürgerfamilie Büsch. Heute bewohnen Annelie und Bruno Schrep die zum Park gehörende Gründerzeitvilla, schlendern auf dem gewundenen Garten-Rundweg, genießen die Aussicht auf geformte Rasenflächen, schnuppern im Mai an duftenden gelben Azaleen, fühlen sich beschützt von einer riesigen Blutbuche: "Wir fühlen uns hier, mitten in der Großstadt, wie auf dem Lande." Bald werden die alten Apfel- und Birnbäume blühen. Diese Sorten, etwa die Tafelbirne Köstliche von Charneux , sind sonst kaum noch zu finden. Die Bäume strahlen die Würde der Jahrhunderte aus.

Annelie Schrep hat der Geschichte des Gartens nachgeforscht. Er ist als romantischer englischer Park angelegt, den die Familie Büsch fast ohne Eingriffe mehr als 120 Jahre lang hegte. Christoph Büsch aus Wohltorf, ein Nachkomme, erinnert sich an seine Kindheit in der Villa: "Der Hamburger Architekt Hans Rackwitz hat das Haus 1882 entworfen. Den Ginkgo-Baum setzte einst meine Großmutter, im Andenken an Goethe." Gärtner beschnitten regelmäßig die Eiben zu spitzen Formen. Die Wege wurden mit hellem Grand bestreut und gewalzt. "Während der Hamburger Cholera-Epidemie 1892", erzählt Büsch, "durften mein Vater und seine Geschwister als Kinder das Grundstück nicht verlassen. Denn auf dem Mittelweg wurden die vielen Toten nach Ohlsdorf gefahren. Damals war der Garten ihr Spiel- und Rückzugsort."

Der Gartenarchitekt Jürgens war einer der bekanntesten deutschen Gartenkünstler. Er gestaltete nicht nur Pferderennbahnen im englischen Stil, sondern plante auch die "Allgemeine Gartenbau-Ausstellung zu Hamburg 1897", zusammen mit Alfred Lichtwark, dem damaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle. Jürgens schuf in Hamburg und Altona viele Villen- und Landhausgärten, etwa für die Familien Münchmeyer und Warburg. Auch den Park von Adolph Vorwerk in Teufelsbrück, der im Sommer 2004 beim Ausflugsprogramm zur Liebermann-Ausstellung besichtigt werden konnte, überarbeitete Jürgens im englischen Landschaftsstil.

Der Büsch-Park ist heute mit seinen verschlungenen Wegen gerade für das stadtnahe Harvestehude einmalig. Annelie Schrep kann von ihrem Wintergarten auf den "Pleasureground" sehen, einen Freiluft-"Wohnraum" mit halbrundem Schmuck-Beet, wo sie Rosen und Azaleen immer im Blick hat. Unweit davon stand einst ein weißer Pavillon, in den die Familie Büsch Gäste zum Kaffee lud. Die historischen Fotos aus ihrem Album zeigen nicht nur Familiengeschichte, sondern auch Gartenkunst-Historie, die sonst längst verschwunden ist. Denn die meisten historischen Gärten in der Nachbarschaft wurden inzwischen eingeebnet oder umgestaltet. Das Gartenkonzept "Landschaft im Miniaturformat" wurde Anfang des 20. Jahrhunderts einer Reform unterzogen: Die Garten-Neuerer hielten nichts mehr von großflächiger Landschaftskunst auf Stadtparzellen.

Die etwa 180 Jahre alte Blutbuche im Büsch-Park kündet aber von Zeiten sogar noch vor Jürgens. Das Klosterland Harvestehude, das einmal zum evangelischen Damenstift St. Johannis gehörte, wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch überwiegend landwirtschaftlich genutzt. 1866 erwarb ein Zusammenschluß von sechs Hamburger Bürgern - das "Klosterland-Konsortium" - das gesamte Areal von 117 Hektar, um es zu bebauen. Denn Hamburgs Bevölkerung wuchs rasch von 256 600 Menschen im Jahr 1866 auf 351 200 im Jahr 1876 und drängte aus der überbelegten Innenstadt in die Vororte. Das Konsortium erschloß das Gebiet durch ein Straßensystem im Quadratraster und parzellierte die anliegenden Gelände. Bis 1876 waren bereits alle Grundstücke verkauft.

Vom alten parkartigen Charakter des Klosterlands blieb nur wenig erhalten. Heute erinnert daran wenigstens der Büsch-Park: als grünes Erbstück und lebendiges Landschaftsgemälde einer Hamburger Patrizierfamilie.

( Der Autor, Gartenhistoriker in Hamburg, schrieb u. a. auch über den Römischen Garten: "Campagna am Elbhang", Christians Verlag.)

Liebhaber historischer Gärten können den privaten Büsch-Park am 23. April vormittags auf einer Führung kennenlernen. Möchten Sie teilnehmen? Schreiben Sie bitte bis Mittwoch (20. April) an: Hamburger Abendblatt, Wochenend-Journal, 20350 Hamburg, Stichwort "Büsch-Park". Bitte unbedingt Personenzahl, Tel.-Nr. oder E-Mail-Adresse zur Bestätigung angeben, da die Zahl der Plätze begrenzt ist.

Der Garten ist als romantischer englischer Park angelegt. Die Familie Büsch hegte ihn über 120 Jahre lang.