Alexandra Maria Lara kann man derzeit im Kino schwer entkommen: Sie ist in mehreren Filmen gleichzeitig und bald nacheinander zu sehen und wurde überdies “Woman Of The Year 2004“. Unser Autor auf der Spur eines Phänomens.

Ja, stimmt. Sie hat wirklich einen sehr schönen Rücken. Aber auch der Rest ihrer schlanken Figur ist ansehnlich. Und erst diese sanften braunen Augen! Als Schauspielerin überzeugt Alexandra Maria Lara (26) sowieso. Das haben so viele Regisseure erkannt, daß man ihr im Kino momentan kaum entkommen kann. Noch läuft "Der Untergang", in dem sie Hitlers Sekretärin spielt. Vorher hat sie mit Mark Schlichter "Cowgirl" gedreht, eine schräge Komödie, für die sie kopfüber, nur mit einem Drahtseil gesichert, vom Hanseatic Trade Center herabhing. Ein Drahtseilakt anderer Art ist ihre Rolle in Helmut Dietls neuem Film "Vom Suchen und Finden der Liebe": Da versucht sie als Sängerin Venus Morgenstern, ihren Geliebten Mimi Nachtigal (Moritz Bleibtreu) aus der Unterwelt zurückzuholen. An der Aufgabe sind ja bekanntlich schon ganz andere gescheitert.

Sie scheitert in dieser Romanze keineswegs. Überhaupt ist die Besetzung, zu der auch Anke Engelke, Harald Schmidt, Uwe Ochsenknecht und Heino Ferch gehören, eine der Stärken des Films. Die Arbeit mit Helmut Dietl steht in dem Ruf, etwas ganz besonderes zu sein. Kann Lara, die von ihren Freunden Alex gerufen wird, das bestätigen? "Beim Film ist es oft besonders. Bei ihm ist es anders besonders", philosophiert sie. "Er ist ein Meister, weil er Ahnung von Sprache, Timing und Rhythmus hat. Ich habe viel gelernt . . . Er ist präzise und hat viel feinen Humor. Man hat bei ihm das Gefühl, auf Händen getragen zu werden. Ich bin jeden Tag mit freudiger Erregung an den Drehort gekommen."

Mehr Lob geht ja wohl kaum. Aber soll Dietl nicht auch ziemlich rigoros sein? Sie überlegt. "Mit eigenen Vorschlägen sollte man ihm lieber nicht kommen."

Es geht in dem Film um Herzensangelegenheiten. Ein Thema, zu dem fast jeder Mensch etwas zu sagen hat. Während der 60jährige Regisseur resümiert, seine Vorstellungen über die Liebe hätten sich im Laufe seines Lebens "modifiziert", hat seine Hauptdarstellerin in dieser Hinsicht ein noch unerschüttertes Weltbild. "Ich bin jetzt acht Jahre mit meinem Freund zusammen", sagt Lara, "und zwar nicht, weil wir uns das vorgenommen haben, sondern weil die Liebe so groß ist. Das überrascht mich manchmal selbst und macht mich stolz und glücklich." Angeblich wollen die beiden demnächst heiraten. Romantisch aber, behauptet Lara, sei sie nicht. Na!

Prüde aber auch nicht. Sie dreht Nacktszenen, obwohl sie sie nicht so gern mag. "Es ist nicht das, was mir am meisten Spaß macht. Ich würde es immer vorziehen, bekleidet zu sein. Nackt sein kostet mich Kraft und Überwindung." Die hat sie in Doris Dörries "Nackt" (!) aufgebracht, in Dietls Film hat ihr der Kollege Bleibtreu dabei geholfen: "Moritz ist in dieser Hinsicht ein phantastischer Partner. Sehr sensibel, very gentleman-like. Wie ein Freund von mir eben." Offenbar verteilt sie gern Komplimente.

Überhaupt ist sie so nett, daß man es kaum glaubt. Ohne erkennbare Allüren, freundlich, charmant, zuvorkommend, selbst der Zimmerkellner wird begrüßt, als hätte er sich ein Bein ausgerissen, um ihr ein Getränk zu bringen. Besonders gern trinkt sie übrigens Cola. Das hängt mit ihrer Familiengeschichte zusammen.

Alexandra Maria Platareanu wurde in Rumänien geboren, wo Cola Mangelware war. Ihre Eltern sind mit ihr nach Berlin geflüchtet, als sie vier Jahre alt war. Ihre Mutter, von Beruf Literaturprofessorin, soll zu ihr gesagt haben: "Wenn wir in unserer neuen Heimat ankommen, bekommst du so viel Cola zu trinken, wie du magst." Ihr Vater, Schauspieler und Intendant in Bukarest , leitete nach der Flucht eine Theaterschule in Berlin-Charlottenburg - und bildete dort auch seine Tochter aus. Offenbar erfolgreich. Denn schon im Alter von 16 Jahren war sie Star der TV-Serie "Mensch, Pia". Sie hinterließ Eindruck und nahm den Rat an, sich einen eingängigeren Künstlernamen zuzulegen. Den wählte sie nach der berühmten Lara in "Doktor Schiwago".

Seitdem hat sie sich kontinuierlich nach oben geabeitet. Sie war in der "Bubi-Scholz-Story", in "Der Tunnel" und an der Seite von Gerard Depardieu im ZDF-Vierteiler "Napoleon" zu sehen. So erfolgreich wie im vergangenen Jahr war Lara bisher allerdings noch nie. Sie wurde zur "Woman Of The Year 2004" gekürt und ist als beste Schauspielerin für die Goldene Kamera nominiert, die im kommenden Monat vergeben wird. Man hat den Eindruck, sie sei nicht nur enorm fleißig, sondern auch sehr gutmütig. Hat sie keine Angst vor einem medialen Overkill, wie ihn beispielsweise Katja Riemann verkraften mußte?

Sie wirkt leicht zerknirscht: "Ich bin in der Tat nicht die größte Neinsagerin. Ich arbeite daran und hoffe, der Bogen ist noch nicht überspannt. Ich habe mitbekommen, was mit anderen passiert ist. Sich rar zu machen ist auf jeden Fall ein guter Vorsatz."

Davon hat sie noch ein paar mehr. Zum Beispiel möchte sie immer gern dankbar sein, weil sie die Schauspielerei für einen privilegierten Beruf hält. "Ich glaube, daß es viel mit meinen Eltern zu tun haben muß und mit den Dingen, die sie mir vermittelt haben. Wenn man schon das Privileg hat, das alles erleben zu dürfen, hat man eine Verpflichtung, dankbar zu sein."

Das klingt fast preußisch streng und ungewöhnlich aus dem Mund einer Frau, die ansonsten höchstens gnadenlos lieb ist. Und zwar so lieb, daß man ihr mehr Ecken und Kanten oder zumindest Ansätze von Rebellion wünscht, ohne die man nicht so gut erwachsen werden kann, wie der Regisseur Hans Weingartner ("Die fetten Jahrte sind vorbei") es mal sagte. Wer bei der tugendhaften Alex nach Abgründen sucht, findet höchstens, daß sie gelegentlich raucht, aber natürlich nur Kräuterzigaretten aus der Apotheke; oder daß sie dreimal die Führerscheinprüfung vermasselt hat. Vielleicht verkörpert sie ja eine sanfte Marktlücke, die Wiederkehr des Rehleins in den Zeiten der frechen Frau.

Sie selbst sagt, sie könne auch ganz schön zickig sein. Wirklich? Aber halt! Eine Äußerung macht stutzig. Auf die Frage der Zeitschrift "Max", was sie sich nie verzeihen würde, hat sie geantwortet: "Einem siebenjährigen Mädchen grundlos ihren Lieblingslolli wegzunehmen." Wie sie das wohl gemeint hat? Ist Alexandra Maria Lara am Ende etwa doch ein verkappter Fiesling? Unwahrscheinlich. Es sei denn, es wäre ein Cola-Lolli . . .