Kann man dem Schrubben, Kochen, Wischen und Waschen etwas Positives abgewinnen? Aber sicher. Sagt Marie Theres Kroetz-Relin, bekennende Hausfrau und Gründerin der “Hausfrauen-Revolution“.

Erstaunte Reaktionen ist Marie Theres Kroetz-Relin gewohnt. "Hausfrau?!" sagen die Leute zu ihr und setzen ungläubig nach: "Aber Sie sind doch Schauspielerin !"

"Schauspielerin!" Marie Theres Kroetz lacht laut auf und wiederholt dann das böse Wort: "Ich bin Hausfrau , ich habe im Hausfrauenberuf Karriere gemacht. So what?" Es scheint, als bereitete es ihr ein geradezu diebisches Vergnügen, den Widerspruch zu benennen, der zwischen ihrem berühmten Namen liegt und dem, wofür sie heute steht. Sie hat vor zwei Jahren die "Hausfrauenrevolution" ausgerufen, eine sehr erfolgreiche Website gegründet und jetzt ein Buch veröffentlicht.

Die Tochter des Weltstars Maria Schell eine Hausfrau - das paßt ja so gar nicht. Die Ehefrau des Dramatikers Franz Xaver Kroetz eine Hausfrau - ja, das kann man sich eher vorstellen; Kroetz, der linke Theaterrevolutionär, daheim ein Macho . . .

Wie lebt sich's denn mit dem? Marie Theres Kroetz findet die Frage gar nicht komisch: "Also wissen Sie, mein Mann ist den ganzen Weg mit mir gegangen. Erst hatten wir die klassische Aufgabenteilung, ich habe ihm als Dichtergattin den Rücken freigehalten. Inzwischen teilen wir uns den Haushalt und die Kinderbetreuung."

38 Jahre ist sie alt, die Tochter von Maria Schell und Veit Relin. 1983 begann ihre Schauspielkarriere mit dem englischen Spielfilm "Secret Places"; 16 Jahre war sie damals, als sie allein und ohne Schulabschluß nach Paris ging, um Karriere zu machen. Vier Jahre später hatte sie Darstellerpreise in Taormina und Toronto gewonnen und war als beste Nachwuchsschauspielerin mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet worden. "Ich habe eben schnell und gut abgeräumt", sagt sie rückblickend.

Mit 21 lernt sie "den Dichter" kennen, Franz Xaver Kroetz. 20 Jahre älter, Dramatiker, Regisseur und Schauspieler, ein Bayer mit heiligem Zorn auf die Nachkriegsgesellschaft, den er in furiose Volkstheaterstücke ummünzt.

Marie Theres wird schwanger ("zu blöd zum Verhüten", sagt sie). Mit 28 ist sie "auf dem Höhepunkt der neuen Karriere: voll ausgebildete dreifache Mutter". Eine von 15 Millionen "Nur-Hausfrauen" in Deutschland, wenn auch eine privilegierte, die zwischen dem Chiemgau und Teneriffa pendelt und keine Geldsorgen hat. Weil sie aber nicht blöd ist, hat sie das dumpfe Gefühl, daß das nicht alles sein kann. "Nur-Hausfrau! Wie ich dieses Wort hasse. Es weiß doch jeder, daß wir Mütter, Geliebte, Muse, Putzfrau, Köchin, Seelsorgerin, Sekretärin, Buchhalterin und und und sind." Anstrengend, aber von keinem anerkannt. Es klappt ja auch so.

So einfach? Marie Kroetz-Relin funktioniert wie eine Maschine und fühlt sich innerlich gefangen. Tagein, tagaus die gleiche Routine, Kinder, Kochen, Gassi mit dem Hund, Waschmaschine einräumen, ausräumen, und dann sagen die Leute: ,Wann arbeitest du eigentlich mal wieder?' Marie Theres seufzt. "Ich habe so viel Potential in mir gespürt und kein Ventil dafür."

2002 wird sie krank. Schilddrüsenüberfunktion, Herzrasen, Lungenembolie. Als sie zur Radiojodtherapie vier Tage in Quarantäne muß, kauft sie sich spontan einen Laptop und nimmt eine Stunde Unterricht. "Hausfrauenrevolution", sagt die Computerfachfrau, "das ist ein guter Name für eine Homepage."

Die Homepage mit dem Schwein im Logo zählt mittlerweile drei Millionen Besucherinnen. Marie Theres Kroetz beteiligt sich an den Online-Debatten, vermittelt, hilft, wo sie kann: "Via Internet kann man Menschen dazu bewegen, sich zu öffnen. Wenn ich ein paar Einzelschicksale verändere, bin ich haushoch zufrieden." Vor allem spätabends, wenn alles erledigt ist, kommen die Frauen innerlich zur Ruhe - vor dem Computer. Dann schreiben sie über Einsamkeit, Bulimie, Kochrezepte und Männer, in anrührender Ehrlichkeit.

Einige der Texte sind auch in Marie Theres' Buch "If pigs could fly" (dt. "Das Unmögliche möglich machen") geflossen. Sogar Tochter Josephine (16) hat zwei Beiträge über ihr Lebensgefühl verfaßt.

Natürlich braucht es eine Portion Mut, neben einem Dichter von Weltruhm überhaupt zu schreiben. "Ich, die Nur-Hausfrau, packe neben ihm etwas in zwei Buchdeckel", sagt Marie Kroetz-Relin. "Noch vor einem Jahr hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mir das prophezeit."

Der Schlüssel liegt im Selbstbewußtsein: "Die einzige Möglichkeit, etwas in der Gesellschaft zu verändern, ist, daß wir zu unserem Beruf stehen." In Deutschland, da laufe aber alles schief. Die Kosten für die Kinderbetreuung. Der Fernseher als Babysitter. Und vor allem die fehlende Bildung, die aus desinteressierten Kindern eines Tages dumpfe Erwachsene macht.

Natürlich hat Frau Kroetz keine Illusionen. Die Kassen des Staates sind leer, und ein Hausfrauengehalt ist ein naiver Wunsch. 1979 hatte sich die "Deutsche Hausfrauengewerkschaft" gegründet, die heute "Verband der Familienfrauen und -männer" heißt und immer noch dasselbe fordert: Mütterrente für Kindererziehung; das Gehalt des arbeitenden Partners gehört beiden; Familienarbeit ins Bruttoinlandsprodukt rechnen.

So weit, findet Kroetz, muß man gar nicht gehen. Es reicht, mit den vielen kleinen Dingen anzufangen: die Schulzeiten zu vereinheitlichen, wie es die Mütter in der Schweiz durchsetzten, das Kino billiger zu machen und den öffentlichen Nahverkehr. Betreuung auch für Neunjährige anzubieten und die Kinder nicht mit zehn entscheiden zu lassen, ob sie aufs Gymnasium gehen. Man wird ganz fertig, sagt Kroetz, wenn man drüber nachdenkt. Natürlich passiert eine Revolution nicht von heute auf morgen. Die Frauen stehen sich bislang mit Beißverhalten selbst im Weg: die ganztags Berufstätigen gegen die Teilzeitkräfte, die Mütter gegen die Nicht-Mütter, die Karrierefrauen gegen die Normalen. Ein Irrsinn ist das. Seit 1968 hat sich natürlich viel getan, vor allem in Sachen Frauenemanzipation. Aber das Thema Familie blieb merkwürdigerweise außen vor. Die Situation, sagt Kroetz, sei geradezu schlechter geworden. Keine Großfamilien, keine Achtung der Hausfrau und überall nur Spätgebärende.

Und Marie Theres Kroetz? Seit 18 Jahren sind sie und Franz Xaver zusammen, 24 Stunden am Tag. Das muß man erst mal schaffen. Der Dichter charakterisiert sich im Buch selber als abwechselnd selbstquälerisch und unausstehlich. Bier müsse da sein und bloß kein Babysitter - keine fremden Personen im Haus -, und bitte auf jeden Fall kochen, weil sonst die Laune absinkt. Er schreibt das herrlich selbstironisch. Und schwierig, sagt seine Frau, sei sie selbst auch.

Und wenn mal wieder jemand die Stirn runzelt und auf die berühmte Familie verweist? "Meine Mutter freut sich darüber, auch wenn sie nicht mehr so viel mitkriegt." Nach mehreren Schlaganfällen lebt Maria Schell völlig zurückgezogen. "Sie war ja immer jemand, der für Frauen mehr Anerkennung gewünscht hat."

Und auf irgendeine Weise, sagt Frau Kroetz spitzbübisch, setze sie die Familientradition fort: "Meine Oma war auch Schauspielerin, hat ihren Beruf für die vier Kinder aufgegeben und einen Dichter geheiratet. Im Leben wiederholt sich eben alles."

www.hausfrauenrevolution.com, Marie Theres Kroetz-Relin : If Pigs Could Fly. Die Hausfrauenrevolution. Kabel by Piper. 271 Seiten; 14,90 Euro.

WER IST DIE FAMILIE KROETZ-RELIN?

Marie-Theres Relin (38), Tochter von Maria Schell und Veit Relin sowie Nichte von Maximilian Schell, ist gelernte Schauspielerin. 1992 heiratete sie Franz-Xaver Kroetz (58), Ex-DKP-Mitglied und einer der meistgespielten Stückeschreiber Deutschlands (z. B. "Stallerhof"), Regisseur und Schauspieler. TV-Zuschauer kennen ihn als Klatschreporter Baby Schimmerlos in "Kir Royal". Sie wurde Hausfrau. Die beiden bekamen drei Kinder: Josephine,16, Magdalena, 12, und Ferdinand, 8. Die Hälfte des Jahres lebt die Familie im Norden Teneriffas, die andere Hälfte auf einem Bauernhof im Chiemgau.