Ihr Sonnenstudio auf dem Hamburger Kiez hat Silke Rösner aufgegeben - und ihre Erfüllung in Ghana gefunden: Seit sechs Jahren betreut sie dort afrikanische Straßenkinder und Aidswaisen. Es gibt noch viel zu tun.

Die Arbeit mit den Kindern ist mein Leben. Es ist das, was mich ausfüllt - und was ich tun möchte." Silke Rösner spricht mit leiser, aber fester Stimme. Die zierliche, schüchtern wirkende Frau hat ihr Leben in Hamburg gegen eins in Accras Straßen eingetauscht: Seit 1998 ist sie Leiterin des von ihr gegründeten Kinder Paradise in Ghanas Hauptstadt. In zwei Wohnhäusern und einem Tageszentrum betreut sie Kinder von der Straße, die Ärmsten im westafrikanischen Land: Kinder obdachloser und behinderter Eltern sowie Aidswaisen. Alles Ausgestoßene, zwischen einem und 18 Jahren alt. Die Arbeit von Silke Rösner ist ihre einzige Chance auf ein normales Leben.

Nach Ghana ist die heute 40jährige eher zufällig gekommen. "Ich wußte lange nicht, wohin ich gehöre", sagt sie. Als Abiturientin war sie 1981 aus ihrer ostfriesischen Heimatstadt Leer nach Hamburg gezogen. Sie entschied sich für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Aber das Hotel war nicht ihre Welt. Sie probierte diverse Jobs, war Fabrikarbeiterin, sogar Leiterin eines Sonnenstudios auf dem Kiez. Silke Rösner erinnert sich: "Die Leere meines Lebens versuchte ich mit Marihuana und Alkohol zu betäuben."

Das blieb so bis 1992, als eine Freundin sie zu einer afrikanischen Familie in Accra mitnahm. Das Leid der Straßenkinder und der lebendige christliche Glauben der Ghanaer berührten die damals 28jährige ungewöhnlich tief. Von da an reiste sie immer wieder nach Westafrika.

Die entscheidende Wende kam aber erst drei Jahre später, bei einem gemeinsamen Gebet mit der befreundeten ghanaischen Familie. "Als ich in der Runde stand, schlug der Glaube wie ein Blitz in mich ein. Plötzlich wußte ich: Ich wollte meine eigene Erfahrung mit Gott machen, und ich wollte für Kinder da sein."

Die blasse Frau, die noch eben wie fröstelnd dasaß, wird lebhaft. "Ich habe ab dem Moment keine Drogen mehr angerührt", sagt sie. In Hamburg sammelte sie Kleider und Gelder. Silke Rösner lacht: "Von allen Seiten bekam ich spontane Spenden. Meine Wohnung war eine einzige Kleiderkammer." Als ein befreundeter Ghanaer ein leeres Haus unweit von Accra zur Verfügung stellte, war das "Kinder Paradise" geboren.

Am 27. Oktober 1998 zogen die ersten 15 Kinder in das neue Heim. An seine Stelle traten später ein Mädchen- und ein Jungenhaus am Stadtrand, in denen heute 61 Straßenkinder wohnen. Sie bekommen Essen, werden medizinisch und schulisch betreut.

Zunächst allerdings war das Mißtrauen der Kinder noch groß. "Als mir beim Brotschneiden einmal eine Scheibe entglitt, stürzten die Kinder prügelnd aufeinander los." Solche Szenen, sagt sie, gehören jetzt der Vergangenheit an. "Die Kinder wissen, daß für alle genug da ist." Im Gegenteil, sie helfen einander, auch bei den Schulaufgaben.

Seit einem Jahr erhalten zudem rund hundert 12- bis 18jährige in einem Tageszentrum Hilfe. Die Jugendlichen, die sich oft für einen Euro prostituieren, können duschen, Wäsche waschen, spielen oder einfach schlafen. "Die Großen sind oft sehr müde", erzählt Silke Rösner. "Nachts auf der Straße regieren die Gangs und stehlen ihnen die letzten Habseligkeiten. Oder Mädchen wachen auf, und ein Mann liegt auf ihnen."

Inzwischen sind rund 16 Mitarbeiter aus Ghana täglich für Silke Rösner im Einsatz, darunter drei Teilzeitlehrer, vier Hausmütter, zwei Sozialarbeiter und zwei Köchinnen.

Silke Rösner wohnt und lebt mit den Kindern wie eine Mutter und kümmert sich ansonsten um die Organisation und die Finanzen. Die meisten Spendengelder fließen aus Deutschland. Neben Privatpersonen gehört seit 2002 auch die Deutsche Welthungerhilfe zu den Unterstützern.

Silke Rösner fühlt sich noch lange nicht am Ziel. Sie möchte so vielen Straßenkindern wie möglich ein Zuhause bieten. Ein neues Etappenziel ist mit dem Kauf eines zwei Hektar großen Grundstücks in Prampram erreicht. 35 Kilometer von Accra entfernt entsteht dort ein Wohnhaus, in dem bald 40 Kinder einziehen können.