Jilliane Hoffman kennt die Szene des Verbrechens - und beherrscht die Kunst des Schreibens. Ihr Thriller “Cupido“ erscheint jetzt in Deutschland.

Können Sie es nicht irgendwie so machen, dass ich aussehe wie Michelle Pfeiffer?" Jilliane Hoffman strahlt den Fotografen an und zwinkert verschmitzt mit den Augen. Die Frau mit den langen blonden Haaren im schwarzen eleganten Hosenanzug weiß ganz genau, dass sie diese künstlichen Veränderungen an ihrem Äußeren nicht nötig hat. Die amerikanische Autorin sieht ohnehin schon fast aus wie Filmstar Michelle Pfeiffer. Freundliches Lachen, helle, aufmerksame Augen, sympathischer Händedruck - ist das die Frau, deren erster Roman (oder besser: Psychothriller) einem den Schlaf raubt? Sie lacht.

Die Frage hört sie öfter. In ihren zehn Jahren als Staatsanwältin und Beraterin von Spezialeinheiten der Polizei in Miami hat sie gelernt, Dinge voneinander zu trennen. Das Gute vom Bösen, das Schöne vom Schrecklichen. Ihr Buch "Cupido" ist ein Teil des Schrecklichen. Es lässt den Leser in die Abgründe menschlicher Seelen blicken und drängt ihm die letztlich alles bestimmende Frage auf: Was ist Gerechtigkeit?

Jilliane Hoffman erzählt, wie die Jurastudentin Chloe kurz vor ihrem Examen in ihrer New Yorker Wohnung von einem maskierten Mann überfallen, gefoltert und vergewaltigt wird. Sie überlebt nur knapp, und danach ist nichts mehr, wie es war. Die Angst vor dem entkommenen Vergewaltiger erdrückt sie fast, ihr Leben fällt auseinander. Zwölf Jahre später - als sie es notdürftig wieder gekittet hat - begegnet sie ihrem Peiniger. Chloe ist die Staatsanwältin, er der angeklagte Serienkiller "Cupido". Diesmal ist sie im Vorteil - aber nur scheinbar. Ein Nervenkrieg beginnt.

Das Buch hat die Verleger auf Anhieb so fasziniert, dass es in diesem Monat nahezu zeitgleich in den USA, Deutschland und Großbritannien in die Läden kommt. Man wartet nicht, wie sonst üblich, den Erfolg auf dem US-Markt ab. Die Filmrechte sind auch bereits verkauft.

Jilliane Hoffman lässt ihrem Leser kaum Zeit zum Durchatmen, kaum Ruhepausen. Sie lässt keine Distanz zwischen Chloe und ihrer aufgewühlten Gefühlswelt zu. "Man muss ihren Horror verstehen", sagt sie - dann versteht man, was aus Chloes Sicht Gerechtigkeit ist.

Für Jilliane Hoffman muss sie jeder für sich selbst definieren. "Gerechtigkeit ist das, was man selbst dafür hält", sagt sie - und man merkt ihr und ihrem Buch an, dass sie die Gerechtigkeit, die dem Opfer zusteht, dabei am meisten interessiert. An den harten Urteilen, die sie selbst gegen Mörder, Schläger und Vergewaltiger erwirkt hat, hat sie nie gezweifelt. Sie hat so viele von Männern gedemütigte und geschlagene Frauen vor Gericht gesehen, dass sie sich nach jeder Verurteilung oft nur fragte, ob die Strafe für den Mann auch hoch genug war und die Frau nun vor ihm geschützt ist. "Ich war eine sehr gründliche und ernsthafte Staatsanwältin", sagt sie. "Die Täter haben alle bekommen, was sie verdient haben."

Resozialisierung? Kann sich ein Mensch ändern? Jilliane Hoffman muss einen Moment nachdenken. Im amerikanischen Rechtssystem gehe es wohl eher nach der Devise: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ja, natürlich können sich Menschen ändern. "Doch viel wichtiger ist es, die Gewaltspirale zu durchbrechen", sagt sie. Nicht der Vater, der seine Familie prügelt, ist derjenige, dem zuerst geholfen werden muss, sondern dem Sohn, der das gesehen hat. Er würde sonst als Erwachsener ebenso gewalttätig.

Jilliane Hoffman hat sich viele Jahre lang auf häusliche Gewalt spezialisiert - ein Feld, auf dem man als Staatsanwalt nur schwer Karriere machen kann und das entsprechend unbeliebt ist. Die Ermittlungen gestalten sich oft sehr schwierig, die Opfer trauen sich nicht auszusagen. Jilliane Hoffman hat das nicht geschreckt. "Man leistet etwas Gutes für die Gesellschaft", sagt sie.

Natürlich sind viele ihrer Erfahrungen in das Buch eingeflossen - Situationen, Beziehungen, Probleme. "Sonst hätte ich alles nicht so aufschreiben können", sagt sie. Die Zutaten für den Thriller hat sie alle schon erlebt. "Die Wirklichkeit ist doch viel grausamer als die Fiktion", sagt Jilliane Hoffman. Sie kann dennoch ganz locker über ihre Zeit im Gericht erzählen.

Etwa von der letzten Verhandlung vor der Geburt ihrer ersten Tochter Amanda vor acht Jahren. Sie war im achten Monat schwanger. Der scheinbar ganz biedere Angeklagte hatte kurz nach der Hochzeit seine Frau nicht nur zur Prostitution gezwungen, sondern sie auch derart mit dem brennenden Bügeleisen gequält, dass . . . "Oder soll ich lieber aufhören, bevor Ihnen schlecht wird?", fragt Jilliane Hoffman kurz und lacht wieder. Die Fotos, die im Gerichtssaal gezeigt wurden, dienen heute der Polizei noch als Abschreckungsmaterial.

Ihrer Tochter hat sie damals schon im Bauch zugeflüstert: "Lass dich niemals mit solchen Männern ein." Inzwischen ist Amanda acht und ihre jüngere Schwester Catherina sechs Jahre alt. Lesen dürfen sie Mamas Buch erst, wenn sie 18 sind. Aber natürlich wissen sie ungefähr, wovon es handelt, und haben schon von ihrer Mutter gelernt, dass die Welt nicht nur gut ist.

Wie gesagt, Jilliane Hoffman kann Beruf und Privatleben trennen, aber "wachsamer" ist sie in ihrem Privatleben trotzdem. Sie will zwar nicht wie eine Glucke auf ihren Mädchen sitzen, aber sie lässt sie auch nicht unbedarft losziehen. Ihre Kinder dürfen zu Hause in Fort Lauderdale (Florida) nicht allein mit dem Fahrrad in der Nachbarschaft herumfahren.

"Wir leben eben in einer sehr gewalttätigten Gesellschaft", sagt sie. Ihr Menschenbild ist frei von Illusionen. Jeder Mensch habe seine grausamen Seiten - "lass ihn nur in die entsprechende Situation kommen." Ob sie einem Menschen noch trauen kann? "Ich weiß nicht, ob ich das jemals getan habe", sagt sie.

Dass sie auch selbst jederzeit ein Opfer sein kann - wie ihre Titelfigur Chloe - ist ihr durchaus klar. Eigentlich kann die Gefahr in jedem Supermarkt lauern, wie sie erfahren musste, als ein Mann plötzlich ihren Einkaufswagen anhielt: "Sie sind Miss Hoffman?" "Ja", aber wer ist er, dachte sie. "Sie haben mich ins Gefängnis gebracht." Das war der Moment, als Jilliane Hoffman verzweifelt zwischen den Regalen nach dem Fluchtweg Ausschau hielt - bis die erlösenden Worte folgten: "Ich wollte Ihnen dafür danken." Trotzdem ist sie nicht mehr in den Supermarkt gegangen.

Jilliane Hoffman: Cupido. Wunderlich, 448 S.; 19,90 Euro. Erscheinungstermin: 24. Januar.