Füße habens schwer. Sie tragen den ganzen Menschen, und zum Dank kümmert er sich nicht um sie. Das ist ungerecht, sagt Shanti Wetzel. Denn in den Füßen entdeckt sie eine ganze Welt - und liest aus ihnen wie aus einem Buch.

So toll sind die wirklich nicht. Hängen irgendwie unten an den Beinen, sehen eigenartig aus, neigen zu üblem Geruch und ziepen manchmal, wenn das Wetter umschlägt. Kein Zweifel: Füße zählen zu den ungeliebten Körperteilen.

Ganz traurig ist das, findet Shanti C. Wetzel aus Zürich. "Die meisten Menschen schenken dem Fuß zu wenig Beachtung. Weil er für sie zu weit weg ist."

Shanti ("Liebe und innere Ruhe") Claudia Wetzel gehört zu denen, die Füße nah ranholen. Sie praktiziert das so genannte "Feet-Reading" (Fußlesen): Aus Sohlen, Spann und Zehen schließt sie, was in Körper, Seele und Geist vorgeht. "Im Fuß kann man erkennen, wie jemand wirklich ist", findet sie, "wie er im Leben steht, wie er vorwärts geht." Veranlagungen und Stärken, Krankheiten und sogar die Seelenlage fänden sich dort wieder.

Das klingt komisch. Zumindest komischer, als wenn jemand behauptet, mittels "Antlitzdiagnostik" die Krankheiten aus dem Gesicht lesen zu können. Das Gesicht hat eben ein besseres Image.

Dabei ist die Theorie, dass die Füße eine Landkarte des Körpers sind, fast 5000 Jahre alt. Jedem Teil des Körpers entspricht eine Zone am Fuß, besagt die Lehre von den Reflexzonen. Wie eine Landkarte bildet der Fuß den Körper im Kleinen noch einmal ab: Was am Fuß unten ist, ist auch am Körper unten. So entspricht die Ferse dem Becken, die Zehenregion dem Kopf. Ist im Körper ein Organ krank, dann reagiert die entsprechende Stelle am Fuß mit Hautveränderungen oder Schmerzpunkten an der Sohle. Indem man nun den Fuß behandelt, kann man wiederum Einfluss auf die Organe nehmen.

Shanti Wetzel, ausgebildete Medizinerin, praktiziert die Fußreflexzonentherapie seit 15 Jahren. Bei ihrer Arbeit hat sie beobachtet, dass Menschen mit ähnlichen gesundheitlichen Problemen auch ähnlich geformte Füße haben. Aus dieser kuriosen Beobachtung entwickelte sie im Laufe der Zeit ihre eigene Fußdiagnostik.

"Ein Fuß ist jedesmal wie ein Geschenk, das ich auspacke", sagt Shanti Wetzel. Dabei gibt es durchaus Geschenke, die weniger Freude machen: durch Stöckelschuhe deformierte Füße, Druckstellen und übermäßige Hornhaut, gekrallte Zehen, veränderte Formen. Ergebnisse eines lieblosen Umgangs mit den Füßen - und mit sich selbst. "Der Fuß schreit", diagnostiziert Wetzel.

Dem Objekt ihrer Neugierde nähert sie sich in mehreren Schritten. Zunächst einmal betrachtet die Therapeutin die Fußform. Sie unterteilt die Sohle in drei Zonen: Zehen und Ballen haben mit dem Geist zu tun; der mittlere Teil der Sohle, die Fußwölbung, mit der Seele; die Ferse mit dem Körper.

Ein Beispiel: Ein Mensch mit einem langen "Mittelteil" ist sensibel und anfällig für Magen-Darm-Beschwerden aus Nervosität; mit großer Ferse bekräftigt er dagegen seinen Willen und seine Tatkraft.

Ebenso gilt: Je größer die Füße, desto größer der Bodenkontakt der betreffenden Person. Kleine Füße (und Hände) bei einem großen Menschen zeugen umgekehrt von wenig Erdung.

Ein weiterer Anhaltspunkt ist der Tonus des Fußes. Schlaff oder angespannt, das lässt sich schon auf den ersten Blick erkennen. Manche Füße stehen von den Zehen bis zum Fußgewölbe unter Spannung, andere liegen schlaff und kraftlos auf, und an der Fußsohle bilden sich dicke Querfalten. "Das sagt mir, dass die Organe des Betreffenden träge arbeiten. Ein Mensch mit wenig Vitalität und Spannkraft."

Auch ausgeprägte Hornhaut ist für Shanti Wetzel ein Signal: Sie verrät Belastungen und Verhärtung - es sei denn, sie hat sich als Schutz gebildet, wie dies beispielsweise bei Läufern der Fall sein kann.

Bei der Form der Zehen wirds noch detaillierter. Wetzel unterscheidet Länge und Dicke, ihre Lage zueinander, Form und Richtung sowie den Bodenkontakt. Lange Zehen bringt sie mit Konzentration und Genauigkeit in Verbindung, kurze Zehen mit einem ausgeprägten Sinn fürs Praktische. "Natürlich geht es immer um das Gesamtbild. Sind die Zehen gleich lang, oder besteht ein Ungleichgewicht?" Ist die vierte Zehe versteckt und klein, stimmt etwas mit der Sinnlichkeit nicht. Drängt der große Zeh zur Seite, kann die Person zwar gut zuhören, ist aber entscheidungsschwach.

Das Idealbild der Fußleserin: gestreckte und gerade Zehen ohne große Zwischenräume; und wenn auch noch der kleine Zeh gerade ist - "ein seltener Anblick" -, lebt der Mensch mit sich im Reinen.

Im Nagel schließlich findet Shanti Wetzel Hinweise auf gesundheitliche Probleme. So deuten Längsrillen auf Stoffwechselstörungen hin - gilt auch für Fingernägel -, Querrillen zeugen von Stress. Weiße Flecken können eine Folge von Nervosität oder einer Übersäuerung des Körpers sein. Brüchige Nägel sind das Ergebnis von Kalziummangel oder bedeuten eine Störung der Schilddrüse. Wer die Sprache seiner Füße verstehen lernt, kann also noch rechtzeitig etwas für seine Gesundheit tun.

"Die Füße tragen uns unser Leben lang", mahnt Shanti Wetzel. "Viele Krankheiten müssten nicht sein, wenn wir den Füßen mehr Aufmerksamkeit schenken würden." Die beginnt bei der Pflege ("täglich eincremen"), beim Schuhwerk und endet bei leichten Übungen für mehr Beweglichkeit: Kreisen, Dehnen, Lockern. Auch eine kräftige Massage der Fußsohle (siehe großes Foto) wirkt wahre Wunder. "Ich möchte allen sagen, dass sie lernen sollen, ihre Füße zu lieben. Schließlich lassen die sie durchs Leben gehen."

Shanti C. Wetzel: Feet-Reading. Bio Ritter Verlag. 184 S. Farbe, 22,50 Euro.

Kontakt und Feet-Reading (per Foto, 60 Euro) über: Tel. 0041-1-341 61 52