Dierk Strothmann über Kriegsfüße, Bierpusten und Frikadellendramaturgie

Jan Philipp Reemtsma, Multimillionär und Literaturwissenschaftler, brachte es mit einem eleganten Seitenhieb auf den Punkt: "Die engste Verbindung, die der Name der Stadt jemals mit einem Stück Philosophie eingegangen ist, hat in der 'Hamburgischen Dramaturgie' bestanden."

Und es ist wohl tatsächlich so, dass die Hamburger sowohl mit der Philosophie als auch mit dem Autor der "Dramaturgie", dem großen Gotthold Ephraim Lessing, immer ein wenig auf Kriegsfuß standen. Als Lessing am 15. Februar 1781 starb, beschloss der Hamburger Senat, "dass davon keine Notiz zu nehmen" sei. Und es dauerte genau 100 Jahre, bis der Grundstein für das überfällige Lessingdenkmal auf dem Gänsemarkt gelegt wurde.

Auch danach fehlte es an Respekt gegenüber einem der ganz Großen der deutschen Kulturgeschichte. Viele Jahrzehnte lang wurde der Gänsemarkt zum Parken genutzt, was Lessing irgendwie zum Parkplatzwächter degradierte. Und seine Blickrichtung, ursprünglich auf den Standort seines Theaters ausgerichtet, bot ebenfalls Anlass zur Kritik. 1985 wurde das Ehrenmal zersägt, gesäubert und gedreht wieder aufgestellt. Parken darf man seitdem zu Lessings Füßen nicht mehr. So weit ist alles in Ordnung.

Die Entscheidung für den Entwurf des Bildhauers Fritz Schaper (übrigens der Großvater der Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann) sorgte für erneute Reibereien. Lessing sitzend darzustellen, empfanden viele als unangemessen. Und in der Tat, die Lockerheit, mit der Lessing auf dem Stuhl hockt, spiegelt nicht die Grundstimmung seiner Hamburger Jahre wider.

Die waren angefüllt mit religiösen und politischen Auseinandersetzungen, der Pleite seines Verlages, dem Verlust seiner Bibliothek und dem Untergang der Idee eines deutschen Nationaltheaters. Indirekt wird darauf hingewiesen: Ein Relief am Sockel des Denkmals zeigt den Philosophen Hermann Samuel Reimarus, Lehrer am Akademischen Gymnasium, der Gedanken aufgeschrieben hatte, die den orthodoxen Lutheranern gegen den Strich gingen, als Lessing sie als "Fragmente eines Ungenannten" veröffentlichte. Daraus resultierte Lessings Streit mit Johann Melchior Goeze, Hauptpastor von St. Katharinen, und das berühmteste Werk des Dichters, "Nathan der Weise". Ein anderes Relief auf dem Sockel zeigt Konrad Ekhof, den "Vater der Deutschen Schauspielkunst", der eng mit Lessing am Theater gearbeitet hatte. Mit ihm verband Lessing auch die Mitgliedschaft in der Freimaurerloge, deren Insignien ebenfalls an einer Seite des Denkmals zu sehen sind.

Natürlich hätte man auch andere Personen an Lessings Denkmal verewigen können: den Dichter Matthias Claudius oder Johann Samuel Müller, Rektor des Johanneums, den Pädagogen Johann Bernhard Basedow. Sie waren Lessings Freunde, mit denen er im "Eimbeckschen Haus" ins Bier pustete. Oder den Kaufmann Johannes Schuback, mit dem er auf der Terrasse des Baumhauses an der Niederbaumbrücke den über alles gerühmten Stockfisch nebst fabelhaftem Blick auf Hafen und Elbe genoss.

Ach ja, auf der Liste von Lessings Werken am Denkmal steht "Hamburger" und nicht "Hamburgische" Dramaturgie. Ein prophetischer Verschreiber, denn viele Jahrzehnte nach Aufstellung des Denkmals öffnete gegenüber ein "McDonald's", in dem gleichnamige Frikadellen angeboten wurden. Aber das ist inzwischen ja auch schon Geschichte.