Perfekt gestylte Musiker, kreischende Fans und eine wilde Bühnen- Show: Beim Schülerband-Wettbewerb in der Altonaer Fabrik kocht die Stimmung. Junge Musiker können hier ihr Talent beweisen.

Seit einer Stunde schon warten die Fans geduldig vor der Fabrik in Altona. Nicht auf große Superstars, sondern auf solche, die es mal werden wollen. An diesem Abend wird hier das Finale des 6. Hamburger School-Band-Battle ausgetragen. Die 14-jährige Charlotte Knothe und ihre Freundinnen von der Albert-Schweitzer-Schule aus Klein Borstel sind aufgeregt. Mit glänzendem rosa Lippenstift und glänzenden Augen harren sie sehnsüchtig auf den Auftritt von "The Hoddels". Vor allem auf den Schlagzeuger: "Niki!!!" Ein paar Meter weiter lehnen Lars Schirren und Alexander Weitze, beide 15, an einem Geländer und beobachten den Trubel. Von ihrer Schule, dem Christianeum Othmarschen, ist keine Band vertreten. Sie seien nur hier, "um gute Musik zu hören": Rock-Pop, Gothic Metal und HipHop. Die Chancen stehen nicht schlecht. Denn alle acht Gruppen, die an diesem Abend die Bühne entern, haben sich bereits durch die Vorentscheidungsrunden in verschiedenen Stadtteilen gekämpft. Und jetzt müssen sie sich im finalen Auftritt vor Publikum und einer kritischen Jury beweisen. Im Backstage-Bereich geht es hektisch zu. Zwischen Cola-Kästen, Kabeln und Gitarrenhüllen übt Fridtjof Eschen von "Persecution Complex" letzte Läufe auf dem Saxophon. Ina Müller von "Mantra of Death" sitzt konzentriert vor dem Spiegel, malt sich die Augen schwarz und die Lippen dunkelrot. Heute muss alles stimmen, schließlich gehts um was: Die vier Erstplatzierten des Wettbewerbs nehmen einen Sampler auf; dem Sieger winken zusätzlich 500 Euro. Wird der vielleicht "Mantra of Death" heißen? Keyboarderin Ina bleibt bescheiden: "Zunächst mal sind wir froh, dass wir dabei sein können." Draußen klettert Ties Rabe, Landesgeschäftsführer der SPD, zu einer "Viereinhalb-Minuten-Rede" auf die Bühne. Die Partei veranstaltet seit sechs Jahren diesen Wettbewerb und versucht, das hohe Jugend-Aufkommen für etwas Polit-Arbeit zu nutzen. Auf Tischen mit roten Lackdecken liegen Broschüren aus, und junge Sozialdemokraten stehen zum Gespräch bereit. "Werbung spielt natürlich eine Rolle, ist aber nur ein Aspekt", sagt Rabe. "Wir werden hinterher nicht von einer Eintrittswelle überflutet." Als Erste müssen die "Everlastin'Boyz featuring LilC" auf die Bretter: Gangsta-HipHop. Kopftuch, dicke Ketten, Tanzeinlagen und fette Beats sind jedoch eine Mischung, die das rockorientierte Publikum nicht vom Hocker reißt. Vereinzelt gibts sogar Buhrufe. Backstage lümmeln sich Mitglieder der Band "Nova" auf dem Sofa. Sie kommen zum Schluss dran. Solo-Gitarrist Artur Brecht grinst: "Die Besten spielen ja bekanntlich immer zuletzt." Der 20-Jährige vom Gymnasium Hamm ist gespannt, wie ihr auf Russisch gesungener Rock beim Publikum ankommen wird. Draußen segelt ein Boxershort auf die Bühne. Ein Fan-Geschenk für Sängerin Anne Kleinfeld (16) von der Schülerband "Soundless" aus Ahrensburg: "Sexgöttin" steht auf der Unterhose und "Geile Braut". Auch Fridtjof von "Persecution Complex" lobt: "Euer neues Lied ist echt der Hammer!" Neid gibt es aber nicht. "Ups, wir müssen los!", bemerkt Ina Müller und springt auf. Sie trägt mittlerweile ihr Bühnen-Outfit: ein schwarzes Kostüm mit spitz hochstehendem Kragen im Fledermaus-Stil. "Mantra of Death"-Drummer Eugen rafft seine Sticks zusammen, Geigerin Xsenia schnappt ihr Instrument. Die Headbanger-Fraktion freut sich, allen voran "Nova"-Gitarrist Artur, der begeistert seine Haare zur Musik schüttelt. Auch Niki (13), der eigentlich Nikolas von Zech heißt, mischt sich unters Publikum, umringt von Charlotte und ihren Freundinnen, rauscht aber schnell wieder davon. Für "The Hoddels" naht der Auftritt. Später sitzen die vier Jungs verschwitzt im Backstageraum, in dem die Luft mittlerweile tropisch heiß und feucht ist. "Ich finde es schön zu wissen, dass wir gemocht werden", sagt Sonnyboy Niki ganz professionell. Unterdessen sitzt Daniel von "Der Don & Daniel" alleine mit seiner Akustikgitarre auf der Bühne. Dem Bandkollegen Don ist eine Abifeier dazwischen gekommen. Hinter den Kulissen schreiben Juri Schewe und Fridtjof Esche von "Persecution Complex" an einer provisorischen Playlist. Ihre Lieder heißen "Stupid but happy" ("Dumm, aber glücklich - ein Song für George W. Bush") oder "Finally over". Juri trommelt sich auf seinem Knie warm, das er mit einem alten Sweatshirt umwickelt hat. Auch Anne von "Soundless" ist wieder da, von oben bis unten mit schwarzem Edding vollgeschrieben: "Mein Schatz Anne" prangt auf ihrem Dekollete, daneben ein Herzchen. Draußen stimmen "Two Fams" ihren letzten Song an. Wenig später wirft sich Sänger Sebastian Falk ausgepumpt aufs Sofa. "Cool, aber ich kann nicht mehr", ächzt er und umklammert seine Sprudelflasche. "Musikalisch stehen unsere Chancen ganz gut." Langsam werden auch "Nova" umtriebig: Artur Brecht macht Striptease, die Jungs gehen in selbst genähten Kutten auf die Bühne. "Persecution Complex" ernten die ersten Zugabe-Rufe des Abends. Vergebens, denn die Spielzeit pro Band ist auf 20 Minuten beschränkt. Um 22.26 Uhr betreten "Nova" als Letzte die Bühne in der Fabrik. Die fünf Jury-Mitglieder, die sich dezent unters Publikum gemischt haben, zeigen sich erst jetzt. Insgesamt 863 gelbe Stimmzettel werden aus dem Publikum abgegeben, auf denen zwei Kreuzchen über Wohl und Wehe der Bands entscheiden. Die Jury, fünf Leute mit Musikkenntnis, zieht sich zur Beratung in ein Hinterzimmer zurück. Das Zusammenspiel, die Songs, die Performance, die Musikalität, aber auch das soziale Verhalten der Nachwuchsbands spielen bei der Bewertung eine Rolle, erklärt Barry Williamson, der schon Tourmanager der Rolling Stones war. Jedes Jury-Mitglied hat hundert Stimmen zu vergeben; sie gehen zum Großteil an "Two Fams", "Mantra of Death" und "Persecution Complex". Gemeinsam mit den Publikumsstimmen stehen um 23.30 Uhr die vier Besten fest. Backstage hat sich unterdessen eine gewisse Lähmung eingestellt. Die Musiker hängen ausgepowert auf den Sofas und warten auf das erlösende Ergebnis. "Oh mein Gott, es geht los!", kreischt Anne, als draußen Applaus für den Moderator und die Jury aufbrandet. Innerhalb von Sekunden ist der Raum leer. "Der vierte Platz geht an ,Mantra of Death'!", schallt es von der Bühne. "Der dritte Platz an ,Soundless'!" Der Jubel schwillt zum Höllenlärm an. Anne macht einen Luftsprung, rast auf die Bühne. "Der zweite Platz geht an ,Two Fams'!" Fridtjof schließt die Augen und klammert sich an Schlagzeuger Juri. Für die Jungs von "Persecution Complex" geht es jetzt um alles oder nichts. Und sie bekommen alles - sie sind die Sieger des Abends.