Schwimmen in voller Bekleidung? Da heißt es zuerst: Die sind ja völlig durchgeknallt. Die Mitglieder des Hamburger Clubs “Nasse Jeans & Co“ sehen das anders. Sie schwören auf ihr feuchtes Hobby.

Christian Wienke hat es mit 15 voll erwischt. Er kam mit dem Fahrrad in einen Regenguss. Weil er es eilig hatte, stellte er sich nicht irgendwo unter, sondern strampelte weiter durch den Regen. Und plötzlich war es da, dieses großartige Glücksgefühl von klitschnasser Kleidung auf der Haut. Auf dem Rückweg kam der junge Hamburger am Kupferteich in Poppenbüttel vorbei und sprang, noch immer durchnässt, in voller Bekleidung hinein ins frische Nass. Mehr als ein Vierteljahrhundert ist seitdem vergangen, und Christian Wienke hat keine Gelegenheit mehr ausgelassen, in Klamotten baden zu gehen. "Dass ich mit meiner Macke nicht allein auf der Welt bin, weiß ich aber erst seit dem Herbst 2000", erzählt der 41 Jahre alte Technische Angestellte im Verkehrswesen. Damals sah er im Fernsehen einen Beitrag über Leute, die in Kleidung baden gingen, suchte flugs im Internet und fand dort den Club "Nasse Jeans & Co" ( www.njco.de, "Der deutsche Wet-Club"). Dessen Mitglieder treffen sich regelmäßig zur genüsslichen Schwimmstunde in Klamotten und Turnschuhen. Und sie finden sich überhaupt nicht merkwürdig dabei. "Wenn man es allein tut, hat man immer Angst, erwischt zu werden", sagt Christian Wienke. In der Gruppe ist das anders. Da bleibt einem auch erspart, was letzten Sommer seinem Kumpel Nils in einem See bei Uelzen passierte: Die Polizei fischte ihn in Jeans und Sweatshirt aus dem Wasser - die aufmerksamen Beamten hatten ihn für einen Selbstmörder gehalten. Dass Jacke wie Hose im Wasser angeblich nach unten ziehen - Blödsinn. "Wenn man eine Jeans-Hose ins Wasser wirft, schwimmt sie doch oben", sagt Wienke. "Die Kleidung gibt dem Schwimmer Auftrieb. Sie bremst nur die Bewegungen. Aber wir machen ja auch kein Wettschwimmen." Schwer werden die Klamotten erst, wenn man wieder ins Trockene kommt. In den Sommermonaten lässt sich die seltsame Leidenschaft trefflich pflegen. Dann nämlich locken in Norddeutschland Dutzende von Badeseen. Der Eichbaumsee in Moorfleet, der Inselsee bei Scharnebeck, der Großensee oder der Mönchsteich bei Trittau. Hart ist immer nur der kalte Winter. Denn kaum ein Hallenbad lässt Klamottenschwimmer in voller Montur ins Becken. Die Mitglieder von Nasse Jeans & Co sind heilfroh, dass sie wenigstens in Barsbüttel östlich von Hamburg geduldet werden. Dort dürfen sie einmal im Monat nach der regulären Badezeit in die Schwimmhalle. Für diesen Spaß legen sie mitunter mehrere hundert Kilometer zurück. Einige kommen aus Berlin, andere aus Holland, manchmal sogar einer aus der Schweiz. Freilich ist das Klamottenschwimmen in der Halle an strenge Auflagen geknüpft. "Die Kleidung muss frisch gewaschen sein, darf nicht fusseln und nicht färben", sagt der Clubvorsitzende Peter Milbradt (50). Sein höchstes Glück, in Lederjacke und Lederhose im Wasser seine Runden zu drehen, bleibt ihm in der Winterzeit also versagt. "Dabei ist das ein geradezu erotisches Gefühl", verrät er zögernd. Schwimmen in Kleidung - ist das ein Fetisch? "Jein", sagt Robert Börstling aus Lüneburg, der mit 32 Jahren das Küken bei Nasse Jeans & Co ist. "Für mich mag das wohl zutreffen, aber es gilt nicht für alle Clubmitglieder. Ich fahre voll auf das streichelhafte Gefühl von Stoff im Wasser ab." Andere sehen das Klamottenschwimmen eher als einen Kulturtrend, ähnlich wie FKK. Club-Chef Peter Milbradt sieht es genauso: "Wir sind die Anti-FKK-Fraktion. Andere laufen nackt am Strand herum, wir gehen eben bekleidet ins Wasser." Warum er das so gern tut und warum er hinterher besonders gern die nassen Sachen anbehält, dafür bietet der selbstständige Kaufmann einen Erklärungsversuch an: "Es könnte eine frühkindlich geprägte Sehnsucht sein. Auch ein neugeborenes Baby ist ja anfangs feucht und spürt mit dieser Feuchtigkeit noch den Mutterleib." Auf diese Idee hat ihn mal ein Kunde gebracht, der Psychologe war. Milbradt räumt aber ein, dass schon mal der eine oder andere Paradiesvogel Kontakt mit seinem Club aufnimmt: "Im vergangenen Sommer an der Weser ist einer im Latex-Anzug mitgeschwommen. Da haben wir alle ganz schön gestaunt. Und neulich hatte ich einen Transvestiten am Telefon, der fragte, ob er in Frauenkleidern mitschwimmen darf. Ich hab es ihm nicht verboten, aber er ist dann trotzdem nicht gekommen." Auch Latex-Andreas kam nicht wieder, hinterließ aber als Erinnerung einen begeisterten Erlebnis-Bericht vom Weser-Badetag auf der njco-Homepage ("Abenteuer im Weserschlick"). Wie für alle bei Nasse Jeans & Co war es auch für Robert Börstling eine Erleichterung zu erfahren, dass es Gleichgesinnte gibt. Dem Internet sei Dank. "Der Reiz der nassen Kleidung war bei mir schon als Kind da, und ich dachte deswegen immer, ich bin total bescheuert", schildert der gelernte Flugzeugbauer, der bald als Berufsschullehrer arbeiten wird. "Diesen Club zu finden, das war so, als wenn ich nach vielen einsamen Jahren mit meiner Untertasse auf einem Planeten gelandet bin und plötzlich merke: Hier ist dein Platz." Nur eines versteht der Jeans-Schwimmer nicht: "Warum machen so wenig Frauen bei uns mit?" Unter den 70 Mitgliedern bei Nasse Jeans & Co sind gerade mal sechs Damen. "Bei Pool-Partys und Schaum-Partys in der Disco sind dagegen jede Menge Mädels dabei", weiß Börstling. "Da sollten wir öfter mitmachen." Das Problem des Club-Jüngsten: Die anderen sind alle über 40 und haben wenig Lust, in die Disco zu hüpfen. Den niederschmetternden Spruch des Türstehers müssen sie sich nicht geben: "Suchen Sie Ihre Tochter?" Überhaupt ist das mit den Partnerinnen eine heikle Sache. Nicht viele von ihnen haben auf Dauer Verständnis für das feuchte Hobby der Männer. Christian Wienke ist gerade wieder solo. "Ich hatte schon Freundinnen, die haben anfangs mitgemacht", erzählt er. "Aber auf längere Sicht muss man meistens Rücksicht nehmen und Kompromisse finden. Das klappt nicht immer." Peter Milbradt dagegen ist stolz: "Meine Frau kommt damit klar und schwimmt manchmal auch in Klamotten mit. Sie sagt zwar jedesmal ,die Spinner baden wieder', aber sie nimmt mich, wie ich bin." Robert Börstling sieht - wohl auch mit Recht - ein ernsthaftes Problem mit den Frauen: "Vor einiger Zeit ist mir eine weggelaufen, weil sie wirklich dachte, ich habe nicht alle Lichter im Christbaum. Ich hatte aber schon Freundinnen, die gern mitgeschwommen sind". Eines aber ist klar: Einfach so in die Ecke packen und ignorieren lässt sich das schräge Faible nicht. Denn Baden in Klamotten macht süchtig. Christian Wienke zieht es im Sommer mehrmals in der Woche in seinen Lieblingssee - und im Winter ertappt er sich regelmäßig dabei, wie er in voller Montur in die heimische Badewanne steigt. Da muss eine Frau fürs Leben wohl hart im Nehmen sein! Peter Milbradt dagegen spürt einfach nur "schmerzliche Sehnsucht nach unserem nächsten Badetag". Sein Leiden hat bald ein Ende. Noch vor Ostern aalen sich Nasse Jeans & Co wieder im Becken der Barsbütteler Schwimmhalle. Und der nächste Sommer kommt ja sowieso. Telefon: 04102 / 82 17 15 (Peter Milbradt).