Entführer quälte Rebecca vier Tage, dann gelang der Gymnasiastin die Flucht. Der Täter ist mehrfach vorbestraft und stand unter Aufsicht.

Rostock. Rebecca H. war zur falschen Zeit am falschen Ort. Die 17 Jahre alte Rostockerin wurde überfallen, vergewaltigt, verschleppt und wieder missbraucht - vier Tage lang. Als ihr Peiniger, Mario B., 28, die Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Rostock für eine kurze Zeit verließ, konnte sie sich befreien und fliehen.

Das Schicksal der jungen Frau berührt nicht nur die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. Der Rostocker Polizeipräsident Thomas Laum sprach gestern von einem "Martyrium". Gegen den mehrfach vorbestraften mutmaßlichen Täter wurde Haftbefehl erlassen. Ihm werden sexuelle Nötigung, Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Mario B. hat eingeräumt, das Mädchen überfallen und in seiner Wohnung festgehalten zu haben.

Wegen eines Sexualdelikts war er schon als 14-Jähriger zu einer Jugendstrafe verurteilt worden. Danach gab es weitere Verurteilungen, unter anderem wegen Raubes, räuberischer Erpressung und Körperverletzung. Erst im August 2010 hatte er eine knapp dreijährige Haftstrafe abgesessen, wurde aus dem Gefängnis in Rostock entlassen und stand seitdem unter Führungsaufsicht. Diese soll den Übergang in die Freiheit erleichtern und verhindern, dass neue Taten begangen werden. Dabei hilft ein Bewährungshelfer. "Im Rahmen dieser Führungsaufsicht sind keinerlei Beanstandungen seitens der Führungsaufsichtsstelle bekannt geworden", sagte Staatsanwalt Andreas Gärtner. "Er hat sich bislang gut bewährt." Der Mann, der eine Ausbildung zum Koch absolviert hat, habe keine gewalttätigen Absichten erkennen lassen. Eine Fehleinschätzung. Dabei hätte die Polizei stutzig werden müssen, denn erst vor Kurzem fand sie - nach einer Anzeige - in der Wohnung von Mario B. Waffen.

Noch sind nicht alle Details von Rebeccas Martyrium bekannt, viele Dinge wird die Öffentlichkeit nie erfahren - zu ihrem Schutz. Bekannt ist, dass die Gymnasiastin am vergangenen Sonnabend im Bacio Club im Rostocker Stadthafen auf einer Abi-Party gefeiert hat. Gegen 2.30 Uhr ging sie zu Fuß in Richtung elterlicher Wohnung im Stadtteil Toitenwinkel. Am Petridamm (Stadtteil Dierkow) begegnete sie Mario B., der in dieser Nacht nur noch schnell Zigaretten holen wollte und sie dabei mit dem Rad anfuhr. Er bedrohte und verletzte sie, dann vergewaltigte er sie. Danach verschleppte er das Mädchen in seine Wohnung am Dierkower Damm, nur wenige Meter entfernt. Die Fenster waren abgedunkelt, Rebecca wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. Immer wieder missbrauchte und schlug er sie. Am Dienstag gelang ihr endlich die Flucht. Spärlich bekleidet sprang sie aus dem Fenster im ersten Stock, schleppte sich verletzt auf die Straße, versuchte - nur mit einer Steppdecke bekleidet - Autos anzuhalten, bis schließlich Frank Z. anhielt. "Ich bin Rebecca", sagte sie zu ihm. Sie wollte so schnell wie möglich nach Hause. Er informierte die Polizei, die schon tagelang mit einem Großaufgebot nach ihr gesucht hatte.

Es dauerte nur wenige Minuten, dann umstellten Beamte das Haus, in dem Mario B. wohnt. Er war nicht da, Per Handy-Ortung konnten sie ihn in der Innenstadt ausfindig machen. Dort ließ er sich widerstandslos festnehmen.

Bei der Polizei sagte Mario B. aus, er habe Rebecca nach einigen Tagen freilassen wollen, wenn ihre Wunden verheilt seien. Dann, so seine Hoffnung, würde er bei einer Verurteilung besser wegkommen, vielleicht würde Rebecca ihn ja auch gar nicht anzeigen. Doch die Polizei glaubt ihm nicht: "Eine Sehne an Rebeccas Hand ist verletzt, sie hat viel Blut verloren. Das ist keine Wunde, die in zwei oder drei Tagen verheilt", sagte Inspektionsleiter Michael Ebert. Inzwischen ist Rebecca wieder mit ihren Eltern zusammen und muss das Erlebte verarbeiten. Ein Polizeiseelsorger kümmert sich um die Familie. Über Facebook bedankten sich Rebeccas Eltern: "Was hier passiert ist an Unterstützung, wir sind völlig überwältigt. Habt bitte Verständnis dafür, dass wir im Moment unter uns bleiben möchten."

Die Entführung von Rebecca erinnert an den Fall einer 26-Jährigen aus Bargteheide, die als "Tattoo-Mädchen" für Schlagzeilen sorgte. Die Arzthelferin wurde am 20. Juni 2010 am Bahnhof Bargteheide von einem 49 Jahre alten Klempner verschleppt. Sieben Tage folterte und missbrauchte der Mann die junge Frau, bevor er sie freiließ. Seiner Verantwortung entzog er sich durch Selbstmord.