Berlin. Johann Lafer ist einem Millionenpublikum aus seinen Kochshows bekannt. Jetzt wird er 66 Jahre alt. Was er sich wünscht.

Am 27. September feiert Johann Lafer seinen 66. Geburtstag. Anlass für den österreichischen Koch, Autor, Unternehmer und Kochshow-Pionier, zurückzuschauen. Auf seine Anfänge in Berlin, das Glücksgefühl des Erfolgsrausches, Plastikhummer in der Berufsschule, Angst vor der Fernsehkamera und Burger King am Kudamm als Teil seiner kulinarischen Entwicklung.

Herr Lafer, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Der 66., ist das ein wichtiges Datum für Sie oder eher ein Anlass, den man eben für PR gut nutzen kann?

Johann Lafer: Nein, auf keinen Fall. Ich habe vor kurzem ein Buch veröffentlicht, "Essen gegen Schmerzen”, und das ist natürlich der richtige Anlass. Grundsätzlich merke ich an solchen Daten: Die Zeit vergeht wahnsinnig schnell. Ich muss schon sagen, das Maßband wird immer kürzer.

Breitet Ihnen das Kopfzerbrechen?

Ich glaube, man muss mit den Tatsachen leben. Das ist etwas, wo uns das Leben alle gleich behandelt. Keiner ist ewig auf dieser Erde zu Gast, und deswegen versuche ich jetzt für eine gute Lebensqualität zu sorgen, und dass die Zukunft, die noch bleibt, Spaß macht. So sehe ich das. Ich muss nichts mehr erzwingen, ich möchte jetzt beispielsweise nicht noch einen Marathon laufen. Aber ich frage mich natürlich, was ich noch erleben möchte, wofür ich früher keine Zeit hatte. Gastronomie ist beinhart, ich musste immer dann arbeiten, wenn die meisten Leute frei hatten.

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Es heißt nicht umsonst: ohne Fleiß kein Preis

Empfinden Sie das als Versäumnis?

Das kann man so nicht sagen. Ich war ja auch erfolgreich. Und es heißt nicht umsonst: ohne Fleiß kein Preis. Ich wüsste nicht, ob das anders gegangen wäre. Ich glaube, das gilt für jede Branche, wer etwas erreichen möchte, muss dafür großen Aufwand betreiben. Die Frage ist immer, was heißt erreichen? Was heißt es für mich, glücklich zu sein? Wann hat sich der Aufwand gelohnt? Das ist bei dem einen das Geld, beim anderen ist es das Hochgefühl. Es gibt keinen vorgegebenen Maßstab für Glück. Und da kann ich von mir sagen: Ich bin sehr glücklich, dass ich in meinem Leben ganz, ganz vielen Menschen Freude bereiten konnte mit dem, was wir gemacht haben. Stellen Sie sich mal vor, wir würden heute ein Interview führen und ich müsste sagen: Alles war schlecht, ich habe nur gearbeitet, habe mich ausbeuten lassen, was war ich für ein Depp! Das wäre schlimm.

Was war es denn bei Ihnen, was Sie angetrieben hat? Was wollten Sie erreichen?

Ich glaube, das war meine Dienstleistungsfreude. Ich habe schon zu Hause mitbekommen, dass meine Mutter alles gegeben hat, um uns oder auch Gäste glücklich zu machen. Und das zweite ist ganz klar der Erfolg. Das ist für mich wie eine Droge oder wie ein Rausch. Deshalb wollte ich immer weitermachen. Als ich angefangen habe, existierte gute Gastronomie in Deutschland unter anderem nur bei Witzigmann und im “Schweizer Stuben”. Stellen Sie sich das mal vor! Heute ist die Bandbreite viel größer. Nehmen Sie allein Berlin. Als ich Ende der 1970er-Jahre dort angefangen habe, gab es irgendwo in der Nähe vom Bayerischen Platz einen Italiener, da gab es Pizza und Lambrusco aus dieser Korbflasche. Das war für mich der Inbegriff von Luxus. Ich hatte am Anfang ganz wenig Geld. Also saß ich jeden zweiten Tag beim ersten Burger King am Kurfürstendamm, weil es günstig war, aber auch, weil das für mich so geil war. Burger kannte ich nicht aus der Steiermark. Ich habe mich wahnsinnig erfreut an so einem Burger. Heute würde jeder sagen: Um Gottes willen, was will der denn da? Für mich war es ein Teil meiner kulinarischen Entwicklung.

In der Berufsschule haben wir an der Wand einen Plastik-Hummer gehabt

Wenn Sie sagen, Deutschland war damals nicht auf dem kulinarischen Niveau wie heute, wo kam das bei Ihnen her, diese Vision, dass Sie unbedingt in diese Richtung gehen wollen?

Das kam bei mir ganz einfach durch die Betriebe, in denen ich zu Beginn meiner Karriere gearbeitet habe. In der Berufsschule haben wir an der Wand einen Plastik-Hummer gehabt und dann hat der Lehrer mit einem Zeigestab vorgeführt: Das hier vorne sind die Scheren, die kann man essen, und hinten den Schwanz. Und dann komme ich zum Josef Viehhauser und bekomme am ersten Tag eine Fischlieferung mit einem echten Hummer. Da saß ich plötzlich vor dieser Kiste und sollte den Hummer zerteilen und dann daraus etwas kochen, was anderen schmeckt. Ich war sehr überfordert und unglücklich. Also habe ich immer nachmittags, wenn der Chef nicht mehr da war, irgendwas aus dem Kühlschrank geholt und etwas davon heimlich zubereitet. So habe ich versucht, mir selber das anzueignen, was ich nicht kannte. Dann ging es weiter mit den “Schweizer Stuben”, dann kam Witzigmann und sein Drei-Sterne-Restaurant und ich war da immer dabei. Ich war zufällig und mit viel Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Vorher sind Sie in Berlin gewesen. Nicht der richtige Ort und die richtige Zeit für Ihre Karriere?

1977 kam ich nach Berlin, in den "Schweizerhof" an der Budapester Straße, das gibt es heute nicht mehr. Ich wollte beliebt sein in der Küche, also habe ich jeden Tag die Reste aus angefangenen Schnapsflaschen in einer Kaffeekanne gesammelt, das mit Orangensaft und Eiswürfeln gemischt und an die Kollegen verteilt. Das ging aber nicht lange gut, weil bemerkt wurde, dass der Spirituosenverbrauch plötzlich um 300 Prozent gestiegen war. Ich kam dort auch schon sehr früh mit berühmten Persönlichkeiten aus dem Fernsehen in Kontakt, so wie Wim Thoelke oder Dieter Thomas Heck, die häufig im “Schweizerhof” gewohnt haben. Und wer weiß, wenn es im KaDeWe später die Genehmigung des Fahrstuhls an der Hausfassade gegeben hätte und wir das Gourmetrestaurant “Silberterrasse” wie geplant eröffnet hätten, vielleicht wäre ich dann in Berlin geblieben.

TV-Karriere: Ich habe am Anfang richtig viel Stress gehabt

Ab Ende der 1980er-Jahre waren Sie selbst im Fernsehen präsent, wurden ein Pionier der Fernsehköche. Lag Ihnen das gleich, das Unterhalten und Kochen vor der Kamera?

Überhaupt nicht, ich habe am Anfang richtig viel Stress gehabt. Das begann mit meiner Aussprache, das sollte ich trainieren, genau wie meine Körpersprache. Ich hatte dann aber ein Schlüsselerlebnis. Der SWF-Fernsehdirektor aus Mainz hat damals zu mir gesagt: Bei all dem Aufwand, den Sie jetzt betrieben haben, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder bleiben Sie jetzt so, wie Sie sind, und der Zuschauer akzeptiert Sie, oder Sie werden das nicht hinkriegen. Das habe ich mir zu Herzen genommen, und das war der Beginn meiner Fernsehkarriere.

Wie ist es heute mit den Sozialen Medien? War das mit Ihrer TV-Erfahrung leichter?

Ich mache das nicht gerne selbst, das macht eine Agentur. Ich bin mir auch gar nicht so sicher, ob das alles sinnvoll ist, weil man dort ja eigentlich nur mit privaten Veröffentlichungen viel Reichweite bekommt. Aber was will man denn schon von mir wissen? Ich habe das Ziel, dass die Leute gerne kochen, dass sie Spaß am Kochen haben.

Fernsehkoch Johann Lafer.
Fernsehkoch Johann Lafer. © Mike Meyer | Mike Meyer

Johann Lafer über die Kindheit: Ich war arm aber glücklich

Welcher Lebensabschnitt war denn bisher der beste? Oder sagen Sie: Alles hat seine Zeit?

Da kommt mir ein Satz des österreichischen Heimatdichters Peter Rosegger in den Kopf: Je mehr man hat, desto weniger weiß man es zu schätzen. Als ich Kind war in der Steiermark und wir wirklich mit den Gegebenheiten zurechtkommen mussten, weil wir nichts kaufen konnten, war ich arm und trotzdem glücklich. Ich glaube, je mehr man hat, desto weniger hat man die Muße oder auch die nötige Sensibilität, die Situationen so einzuschätzen, wie sie an Aufmerksamkeit und Würde verdient haben.

Sind Sie deshalb froh, dass Sie auch diese Erfahrung in Ihrer Kindheit gemacht haben?

Sehr froh! Der große Vorteil im fortgeschrittenen Alter ist, dass man bestimmte Dinge und Situationen realistischer, besser, gefühlvoller und auch emotionaler einordnen kann. Das ist in jungen Jahren im Ungestüm der Tatendränge nicht so gewesen. Aber ich glaube, das gehört dazu. Ohne diese Erfahrung kann man das nicht richtig zuordnen.

Auf dem Bauernhof gab es einmal die Woche Fleisch

Viele Köche Ihrer Generation trauern den Zeiten hinterher, in denen es keine Vegetarier, keine Glutenunverträglichkeit gab. Sie haben mit “"ssen gegen Schmerzen” gerade ein Buch veröffentlicht, in dem Sie Ihren eigenen Weg zu einer gesunden, veganen und damit heilsamen Ernährung beschreiben …

Wenn man ehrlich ist, ist das genau die Ernährung, die wir früher bei uns auf dem Bauernhof hatten. Da gab es vielleicht einmal pro Woche Fleisch. So eine große Umstellung ist das Ganze nicht. Ich habe das jetzt gemacht, um meine Lebensqualität zu verbessern. Ich fühle mich wohl, und ich möchte den Rest meines Lebens eben nicht mit Schmerzen verbringen. Auf dem von mir mitgegründeten Foodnetzwerk "Starcook” gibt es von mir und vielen anderen aber natürlich auch weiterhin Rezepte, auch für ein gutes Schnitzel. Die Leute sollen ja von mir lernen.

Ich würde gerne noch einmal eine richtig schöne Fernsehshow machen

Was planen Sie außerdem für die Zukunft?

Ich würde gerne noch einmal eine richtig schöne Fernsehshow machen. Mit jungen und mit älteren Leuten, wo es darum geht, zu informieren und Wissenswertes über das Kochen weiterzugeben. Ich möchte gerne darauf einwirken, dass die Leute zu Hause mehr kochen, dass sie mehr über Lebensmittel und Nachhaltigkeit wissen. Das ist im Moment mein großer Traum.

Und wie feiern Sie Ihren Geburtstag?

Dieses Jahr feiere ich wirklich im Kreise meiner ganz engen Familie und Menschen, die immer bei mir waren, auch in schlechten Zeiten. Das habe ich nie vergessen.

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