Berlin. Immer wieder erschüttern Schiffsunglücke die Welt. Oft sind sie vermeidbar, immer tragisch – eines veränderte einen ganzen Landstrich.

Dass der Untergang der Titanic 1912 noch heute das bekannteste Schiffsunglück ist, liegt sicher auch an James Camerons Verfilmung und an der ewigen Kontroverse, ob Leonardo DiCaprio nun auf die Tür gepasst hätte oder nicht. Auch ohne Hollywood wäre die Katastrophe aber wohl ein Thema in jedem Geschichtsbuch. „Zeitenwende“ und „Diskursumbruch“ sagen Historiker und Germanisten, weil die vermeintliche Unsterblichkeit des Menschen durch Technologie von einem einfachen Eisberg zunichte gemacht wurde.

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Seitdem hat es immer wieder schreckliche Schiffsunglücke gegeben, vor allem in den Kriegen des 20. Jahrhunderts. Leider aber auch zu Friedenszeiten. Das sind die verheerendsten Schiffsunglücke, die tausende Menschenleben gefordert haben – und eins von ihnen hunderttausende Tierleben.

Doña Paz, 1987

Die Doña Paz war eine philippinische Fähre – und bei ihrem Untergang starben über 4300 Menschen, das schwerste Schiffsunglück in Friedenszeiten überhaupt. Am 20. Dezember 1987 kollidierte die Fähre auf dem Weg von Leyte nach Manila mit dem Tanker „Vector“. Der hatte 1130 Tonnen Benzin, Diesel und Petroleum geladen. Das Flammeninferno verschlang beide Schiffe augenblicklich, die Doña Paz sank nach zwei Stunden, die Vector nach vieren.

Nur 24 Passagiere der Fähre und zwei Besatzungsmitglieder der Vector überlebten, weil sie unter den Flammen zum Schiff „Don Claudio“ tauchen konnten. 4317 Passagiere und 56 Besatzungsmitglieder der Doña Paz, elf Besatzungsmitglieder der Vector starben. Es bleibt die Frage, ob es so viele hätten sein müssen, und, ob das Unglück nicht ohnehin vermeidbar gewesen wäre. Die Doña Paz durfte eigentlich nur 1518 Menschen transportieren, der Zugang zu den Schwimmwesten war verriegelt, die Rettungsboote ließen sich nicht zu Wasser lassen. Und noch dazu: Die Besatzung der Vector war nicht qualifiziert, den Tanker zu lenken – dessen Zulassung ohnehin schon abgelaufen war.

Exxon Valdez, 1989

Exxon Valdez: einst der Name eines US-Amerikanischen Öltankers, heute ein Synonym für eine der verheerendsten Umweltkatastrophen überhaupt. Als das Schiff am 24. März 1989 vor Alaska auf Grund lief und Leck schlug, starb kein einziger Mensch. Aber hunderttausende Fische, Seevögel und andere Tiere.

Kampf gegen das Öl: Mit anderen Schiffen wurde versucht, das Rohöl aus der Exxon Valdez (größeres Schiff) herauszupumpen, bevor es ins Meer laufen konnte.
Kampf gegen das Öl: Mit anderen Schiffen wurde versucht, das Rohöl aus der Exxon Valdez (größeres Schiff) herauszupumpen, bevor es ins Meer laufen konnte. © AP | Rob Stapleton

Schätzungsweise 258.000 Barrel Rohöl, das sind 41 Millionen Liter, liefen in den Prinz-William-Sund an der Südküste Alaskas und brachten das Ökosystem an den Rande des Kollaps. Noch 2019 berichteten Fischerdörfer entlang der Küste von Auswirkungen. Der Heringsbestand habe sich noch immer nicht erholt, Menschen müssten ihre Heimat verlassen, weil ihr Beruf als Fischer nicht mehr wirtschaftlich sei.

Estonia, 1994

Eigentlich war es eine Routinefahrt für die Fähre Estonia, seit 1980 in Betrieb. Am 27. September gegen 19 Uhr Abfahrt im estnischen Tallinn, geplante Ankunft in Stockholm um 9 Uhr morgens. Doch so weit kam die Estonia nicht. Irgendwann nach Mitternacht dringt Wasser in die Estonia ein. Durch die Bugklappe der Autofähre, wegen eines Lecks unter der Wasserlinie, weil der Kapitän das Tempo nicht drosselte und das Wasser so quasi in die Fähre „schaufelte“ – wie genau das Unglück passierte, ist noch heute unklar.

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Was man weiß: Um 1.29 Uhr verschwand die Estonia vom Radar umliegender Schiffe, die Fähre sank innerhalb weniger Minuten. Die Schiffe, die zur Rettung eilten, konnten kaum helfen, meterhohe Wellen schleuderten die Schiffbrüchigen durch die Ostsee. 137 Menschen überlebten das Unglück, mindestens 852 starben, geborgen wurden nur 94 von ihnen. Viele schafften es erst gar nicht aus der sinkenden Fähre, etliche erfroren in der 13 Grad kalten Ostsee oder auf den Rettungsinseln.

Ein Bild aus besseren Tagen: die Fähre Estonia. Vorne ist die verhängnisvolle Bugklappe zu sehen.
Ein Bild aus besseren Tagen: die Fähre Estonia. Vorne ist die verhängnisvolle Bugklappe zu sehen. © dpa | epa Scanpix Samuelson

Le Joola, 2002

Hunderte Studenten aus dem westafrikanischen Landstrich Casamance hatten am 26. September 2002 die Fähre Le Joola genommen, um pünktlich zum Semesterbeginn in der senegalesischen Hauptstadt Dakar anzukommen. Doch gegen 23 Uhr geriet die Fähre vor Gambia in einen Sturm, kenterte in nur fünf Minuten und trieb noch 20 Stunden auf dem Kopf im Atlantik, bevor sie versank. Nur 64 Menschen überlebten, 1863 kamen ums Leben.

„Grob fahrlässig überladen“ sei die Fähre gewesen, sagten französische Experten später, der Sturm habe natürlich auch eine Rolle gespielt. Aber schwerwiegender noch: Die Joola sei gar nicht für Routen auf hoher See gebaut worden, außerdem sei das Schiff schlecht gewartet gewesen. Die Vorwürfe richteten die Experten an den Eigner der Fähre – an den Staat Senegal. Und so wurden 2008 neun internationale Haftbefehle gegen mutmaßlich Verantwortliche erlassen, unter anderem sogar gegen die ehemalige Premierministerin des Landes.

Costa Concordia, 2012

Ähnlich wie bei der Titanic oder bei der Exxon Valdez ist der Name des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia längst mehr als ein Name. Ein Synonym für eine vermeidbare Tragödie, für das schier unvorstellbare Verhalten des Kapitäns. Am 13. Januar 2012 lief das Schiff gegen 19 Uhr aus dem Hafen von Civitavecchia aus, mit dem Ziel Savona. Doch gegen 21.45 Uhr kollidierte die Costa Concordia vor der toskanischen Insel Giglio mit einem Felsen.

Wasser drang ein und überraschte viele der 3200 Passagiere beim Abendessen. Das Schiff drehte sich zusehends auf die Seite, etliche Passagiere sprangen von Bord und schwammen selbst an Land, andere wurden von Schiffen und später von Hubschraubern gerettet. Für 32 Menschen kam jede Hilfe zu spät. Sie wurden tot aus dem Meer geborgen, die letzten zwei Opfer wurden erst entdeckt, als das Schiff 2014 abgewrackt wurde.

Vielleicht noch mehr als die Katastrophe selbst schockierte das Verhalten des Kapitäns, Francesco Schettino. Er fuhr nach eigenen Aussagen absichtlich dicht an Giglio vorbei, um einen ehemaligen Kollegen an Land zu grüßen. Das ist keine unübliche Praxis, auf italienisch nennt sie sich „inchino“, die „Verneigung“ vor den Menschen an Land, bei dem die Schiffshörner betätigt werden. Diesmal aber, sagte Schettino, habe er zu spät beigedreht. Noch dazu verließ er sein Schiff, lange bevor die Evakuierung abgeschlossen war, er selbst erklärte, er sei ausgerutscht und in ein Rettungsboot gefallen. Seit 2017 sitzt Schettino in einem römischen Gefängnis – für insgesamt 16 Jahre.