Eine ganze US-Familie hat ihren Alltag auf die Uhrzeit des Roten Planeten umgestellt. Der Vater betreut bei der Nasa die Mission Curiosity.

La Canada Flintridge. Die Idee kam Bryn Oh, als ihr Mann David wegen seiner Funktion bei der Weltraumbehörde Nasa seinen Arbeitsalltag auf eine andere Zeit umstellen musste. Er betreut als Flugdirektor die Mission des Mars-Rovers Curiosity.

Für ihren Plan eigneten sich die Sommerferien in Kalifornien besonders gut. Der Ehemann, die zwei Söhne und die Tochter fanden das Experiment spannend und sagten begeistert zu. So lebt jetzt die fünfköpfige Familie seit Anfang August auf dem Mars - oder zumindest in Mars-Zeit. David, Bryn, Braden, 13, Ashlyn, 10, und Devyn, 8, haben ihren Tagesrhythmus auf den des Roten Planeten umgestellt.

"Wir sind etwas müde, man fühlt sich den ganzen Tag, als hätte man einen Jetlag, aber allen geht es gut", sagt Bryn Oh nach zwei Wochen. Die Tage auf dem Mars dauern etwas länger als auf der Erde. Während sich unser Planet innerhalb von 24 Stunden einmal um die eigene Achse dreht, dauert dies beim Mars 39 Minuten und 35 Sekunden länger. Der Unterschied mag zunächst nicht lang erscheinen, aber die Differenz zwischen Erde-Zeit und Mars-Zeit wächst von Tag zu Tag.

Wenige Tage vor der Landung der Curiosity am 5. August gingen die Kinder um 23.30 Uhr zu Bett und schliefen bis zehn Uhr - für die Sommerferien nichts Ungewöhnliches. Mit jedem Tag gingen sie etwas später schlafen und wachten dann erst am Nachmittag oder am Abend auf. In der vergangenen Woche beispielsweise gab es bei der Familie Oh um 15 Uhr Frühstück, um 20 Uhr Mittagessen, um 2.30 Uhr Abendessen und um 5 Uhr Nachtisch, bevor es ins Bett ging. Im Flur hilft ein handgemachter Kalender dabei, die Übersicht über die Tage zu behalten. Und im Schlafzimmer der Eltern ist eine Digitaluhr auf Mars-Zeit eingestellt. Sie muss alle 24 Stunden 40 Minuten vorgestellt werden

In einem Blog im Internet schreibt Braden regelmäßig über die Erfahrungen der Familie: "Am Anfang wussten wir noch, ob es morgen, heute, vergangene Nacht oder morgen Nacht war. Jetzt haben wir unseren Rhythmus gefunden. Und wir nennen unsere Tage ,Sols'." (Sol ist die Bezeichnung für einen Tag auf dem Planeten Mars.)

An der Haustür warnt ein Schild: "Eingestellt auf Mars-Zeit: Flugdirektor schläft. Kommen Sie später wieder." Um das Haus tagsüber zu verdunkeln, beklebten die Ohs ihre Fensterscheiben mit Alufolie. "Meine Mutter hat eine Firma gefunden, die Fotostudios ausstattet. Von ihr hat sie die entsprechende Abdeckung mit Klettverschluss bekommen", schreibt Braden.

David Oh hat Kollegen und Freunden erzählt, dass seine Familie ihn auf die virtuelle Reise zum Mars begleitet. "Einige denken, dass es richtig toll ist, dass ich die Kinder dabei habe", sagt der Flugdirektor. "Einige, die schon auf anderen Mars-Missionen waren, sagen: ,Du bist verrückt'." Das Leben als Nachteulen hat aber auch Vorteile. Braden, Ashlyn und Devyn haben ihre erste Sternschnuppe gesehen. Die Familie unternimmt nächtliche Spaziergänge durch La Canada Flintridge. Sie gehen spät abends essen und besuchen eine Mitternachtsvorstellung im Kino. Devyn übt nachts auf einem leeren Parkplatz das Fahrradfahren - er kann es jetzt schon ohne Stützräder.

Ashlyn hat am meisten mit der Zeitumstellung zu kämpfen. "Es ist toll - aber es macht müde", sagt das Mädchen. Braden genießt hingegen das lange Aufbleiben und das nächtliche Naschen von Frozen Yogurt. Kürzlich haben die Ohs einen Meilenstein auf ihrer imaginären Mars-Mission erreicht: Sie gingen erst bei Sonnenaufgang zu Bett und schliefen den ganzen Tag. Doch gerade wenn sich die Kinder an die Mars-Zeit gewöhnt haben, müssen sie ihre innere Uhr wieder auf Erde-Zeit umstellen: Ende des Monats geht nämlich die Schule wieder los.

Insgesamt müssen sich neben den Ohs noch fast 800 Mitarbeiter der Nasa für die kommenden 23 Monate auf die Mars-Zeit umstellen - allerdings ohne ihre Familien. Ihr Tagesrhythmus hängt davon ab, wann die Raumsonde Signale an die Erde sendet. Um den anstrengenden Arbeitsalltag etwas zu versüßen, spendiert die Weltraumbehörde Eis - zu jeder Zeit. Mike Watkins weiß, was die Kollegen und deren Familien durchmachen. Aber der Chef der Mission spendet Trost: "Es ist etwas, an das sie sich den Rest ihres Lebens erinnern werden."