Auch der Papst twittert und verlinkt sich. Seiten mit religiösen Inhalten boomen in den sozialen Netzwerken. Ein Beispiel ist bei Facebook Jesus Daily.

Atlanta. Preisfrage: Wer hat die aktivsten Fans auf Facebook? Nein, weder das Teenager-Idol Justin Bieber oder Popdiva Lady Gaga noch US-Präsident Barack Obama. Die aktivsten Fans auf Facebook hat zurzeit: Jesus.

Auf der Facebook-Seite Jesus Daily klicken inzwischen vier Millionen Menschen pro Woche den Gefällt-mir-Button. Sie kommentieren und posten mehr als auf allen anderen Facebook-Seiten in den USA: "Ich hatte keine Ahnung, dass die Reaktion so überwältigend sein würde", sagt der Gründer von Jesus Daily, Aaron Tabor, Sohn eines Predigers, der als Diätarzt im US-Bundesstaat North Carolina arbeitet.

Online-Medien mit religiösen Inhalten stehen hoch im Kurs. Blogs, Netzwerke oder YouTube-Kanäle mit religiösen Videos haben einen großen Zulauf, vor allem unter Christen. Aber auch Moslems, Juden, Buddhisten und Hindus chatten, posten und verlinken sich. Papst Benedikt XVI. twittert und hat längst eine eigene Facebook-Fanseite. Den modernen sozialen Medien gab er vor Kurzem seinen Segen. Sie seien "eine große Chance", heißt es in einem päpstlichen Statement. Zugleich mahnte jedoch Gottes Stellvertreter auf Erden: "Der virtuelle Kontakt im Internet kann und darf nicht den direkten Austausch zwischen Menschen ersetzen."

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Besonders in den USA sind religiöse soziale Netzwerke im Aufwind. Laut Gary Laderman, Theologie-Professor an der Emory University in Atlanta, habe der Boom der religiösen Online-Medien "viel zu tun mit der Begeisterung der Amerikaner für Religion und religiöse Gemeinschaften, die tief in der Geschichte und Kultur des Landes verwurzelt ist".

Die Mehrheit der religiösen Online-Plattformen wird dabei in den USA von offiziellen Kirchenvertretern bespielt. Doch die Zahl der religiösen Laien, die sich in der Welt der sozialen Netzwerke bewegen, nimmt stetig zu, wie im Fall von Jesus Daily. Aaron Tabor rief die Facebook-Seite im April 2009 ins Leben - für "alle Christen, unabhängig von der Konfession". Gepostet werden Bibelverse, Fürbitten, Gebete, religiöse Gedichte, erbauliche Fotos und spirituelle Videoclips. Tabor ist ein Mann um die 40, smart, mit blitzweißem Lachen und einer jovialen Baritonstimme. Im realen Leben verkauft der Mediziner Diätpillen, Sojadrinks und Proteinpulver im Internet, Jesus Daily betreibt er ehrenamtlich. Dabei kommt ihm allerdings seine Erfahrung im Bereich Marketing zugute. "Ob ich mit Kunden oder mit Gläubigen zu tun habe", sagt er, "die Prinzipien sind die gleichen." So habe er gelernt, seine Botschaften zum Beispiel immer morgens und abends zu verbreiten, wenn viele Menschen auf Facebook unterwegs sind.

Vor allem, sagt Tabor, sei er immer wieder darüber verblüfft, wie der Austausch zwischen den Mitgliedern von Jesus Daily Ländergrenzen, Kontinente und Ozeane überschreite: "Da bittet ein Gläubiger aus den Philippinen um ein Gebet - und jemand in Nigeria antwortet." Mittlerweile hat Jesus Daily fast elf Millionen Fans rund um den Globus. Zwei Drittel davon sind Frauen; die Hälfte kommt aus den USA; Asien und Afrika sind stark vertreten, doch auch in Europa wächst die Fangemeinde. Zu ihr gehört Anette aus Norwegen, Anfang 20, eine fröhliche junge Frau, die in New York modernen Gesang studiert hat und sich derzeit in Oslo mit Gelegenheitsjobs durchschlagen muss. Sie wartet auf ihr Visum, um in den USA zu arbeiten. Religion sei wichtig in ihrem Leben, sagt sie. Aber sie gehöre keiner Konfession an.

Anette besucht Jesus Daily jeden Tag. "Die Gebete und Bibelverse haben meinen eigenen Dialog mit Gott beeinflusst." Erbauung und Inspiration, das sei es, was sie auf Jesus Daily suche und finde, ihre "tägliche Dosis Gott". Sie selbst poste nur selten, aber "die stillen Gebete für andere haben mich zu einer besseren Christin gemacht".

Religionsführer in den USA sehen soziale Netzwerke einerseits als Chance für die Kirchen, neue Mitglieder zu werben, andererseits befürchten einige von ihnen, dass die sozialen Netzwerke künftig den Kirchgang überflüssig machen könnte. Jesus-Daily-Gründer Aaron Tabor ist dagegen überzeugt, dass soziale Medien die Kirchen niemals verdrängen werden: "Das Ziel von Jesus Daily ist eine moralische und spirituelle Ergänzung."

Theologie-Professor Gary Laderman ist sich da nicht so sicher. Schließlich spiele sich ein großer Teil des sozialen Lebens heute bereits im Internet ab. Mittlerweile würden sogar schon Beerdigungen per Webcast übertragen. "Da ist die Online-Beichte auf Facebook eigentlich keine Utopie mehr", sagt er.