Essen. Heidi Hetzer ist nicht zu bremsen – die Berlinerin hat mit einem uralten Wagen alle Kontinente durchquert

Die Reise ihres Lebens endet im Ruhrgebiet. Langsam kommt sie die Straße hochgefahren, ihre Freunde warten schon auf Heidi Hetzer und ihren Hudson, den sie liebevoll „Hudo“ nennt, auch wenn sie ihn so manches Mal verflucht hat in den letzten eineinhalb Jahren. Weil er nicht mehr weiter wollte – ganz anders als sie. Mit Ende 70 hat sich die Berliner Rennfahrerin in ein Abenteuer begeben, das die meisten nicht mal in jungen Jahren wagen würden. Hetzer fuhr um die Welt, und zwar in einem Auto, das noch einmal sechs Jahre älter ist als seine Fahrerin. Jetzt sind beide zurück in Deutschland. In Essen, weil sich die gesundheitlich angeschlagene Heidi Hetzer dort behandeln lässt.

Kameras klicken, Hände werden geschüttelt, Schultern lachend geklopft. Hetzer trägt türkis-gelbe Brille zu schwarzer Sweat-Shirt-Jacke und Jeans. An der Schulter baumelt eine Handtasche in Autoform. „Nein“, wird sie später sagen, „ich weiß auch nicht, wo ich den Elan hernehme. Vielleicht weil ich als Frau in meinem Job schon immer viel kämpfen musste.“ 45 Jahre war sie Chefin eines der größten Berliner Opel-Autohäuser. 2013 hat sie aufgehört zu arbeiten, aber nur „auf dem Sofa sitzen“, das war dann doch nichts für sie.

Stattdessen beschließt sie, um die Welt zu fahren, so wie einst die Rennfahrerin Clärenore Stinnes in den 1920ern. Bei manch anderer hätte man gelacht, nicht aber bei Heidi Hetzer. Seit einem halben Jahrhundert nimmt sie an Rennen wie der Rallye Monte Carlo oder der Panama-Alaska-Rallye teil, hört, ob ein Motor rund läuft, kann manche Reparatur selber erledigen. „Sie hat Benzin im Blut“, weiß Claudio Schlegtendal, Chirurg am Essener St.-Josefs-Krankenhaus und einer ihrer ältesten und engsten Freunde.

Im Juli 2014 bricht sie auf. 66.000 Kilometer hat der Hudson „Great Eight“, Baujahr 1930, da schon auf dem Tacho. Mittlerweile sind es rund 84.000 mehr. Durch Asien und Australien ist sie gefahren, hat Nord- und Südamerika bereist und weite Teile Afrikas. Bei glühender Hitze und mit begrenzten Benzin- und Wasservorräten geht es durch die namibische Wüste, wo kein Navi funktioniert und einem stundenlang kein anderes Auto entgegenkommt. „Ja“, sagt Hetzer, „da kann es unangenehm werden, wenn man an einer Kreuzung falsch abbiegt.“ Genau wie bei minus 21 Grad in den chinesischen Bergen, wo sie ein Lkw eine Stunde immer im Kreis ziehen muss, bevor Hudo anspringt. Ganz zu schweigen von Laos, das sie weitgehend mit nicht funktionstüchtigen Bremsen durchquert hat. „Bin ich halt langsamer gefahren.“

Mal parkt sie in Australien in pechschwarzer Nacht nur wenige Meter neben einer Steilküste, dann wieder muss sie in Südafrika wochenlang nach einem Mechaniker suchen, der einen größeren Schaden an ihrem Auto beheben kann. Der Mann, der ihr schließlich helfen kann, ist 82 Jahre alt. „Aber der kannte sich aus mit dem Hudson.“

Doch nicht nur die Technik streikt manchmal, auch die Gesundheit macht Probleme. Anfang 2016 erkrankt Hetzer an Krebs. Aus Peru fliegt sie nach Essen, wo ihr Arzt sie zweimal operiert. Neun Tage nach der letzten OP ist sie zurück in Lima, setzt sich wieder hinter das Steuer. „Beeindruckend“ findet der Chirurg das bis heute.

Am 12. März will Heidi wieder zu Hause in Berlin sein. Zuvor aber geht es noch zu Oldtimer-Clubs in Köln, Rüsselsheim und Bad Homburg. Und zu einem „geheimen Ort“ im Harz. „Familientreffen“, verrät sie nur und freut sich riesig, dass sie dabei endlich die Enkel trifft, die sie all die Monate nur als Fotos auf dem Armaturenbrett kleben hatte. „Einen habe ich noch gar nicht gesehen.“ Die letzte Nacht wird Hetzer in der Nähe der Hauptstadt übernachten. Und zwischen all den Stationen hat sie immer einen „zeitlichen Puffer“ eingeplant. „Falls Hudo nicht mehr kann.“

Dass sie selbst noch kann, bezweifelt Hetzer nicht. „Mir geht es gut, alles klar.“ Im Sommer will sie groß ihren 80. Geburtstag feiern. Dann aber soll es wieder losgehen mit dem Auto. Von Ägypten nach Südafrika. „Die Strecke fehlt mir noch.“ Und ausruhen? Auf dem Sofa? Heidi winkt ab und lacht. „Das mache ich, wenn ich alt bin.“