Hamburg. Er ist seit Anfang an dabei: Fernsehproduzent Georg Feil spricht über sein Leben mit dem „Tatort“

Georg Feil gehört selbst zu den Vätern des Tatorts: Der Münchner Fernseh-Produzent war seit 1969, also von Anfang an dabei. Als Autor und Redakteur hat er schon zum ersten Hamburger Tatort „Taxi nach Leipzig“ (mit Kommissar Trimmel) den Hansjörg-Felmy-Tatort (mit Kommissar Haferkamp) mitentwickelt. An 57 Tatorten war der 73jährige beteiligt. Jetzt hat er mit Dagmar Rosenbauer auch den 1000. Tatort produziert.

Wie würden Sie einem Außerirdischen das Prinzip Tatort erklären?

Georg Feil (lacht): Als unerklärliches Kulturphänomen in der Mitte Europas.

Sie waren von Beginn an dabei – und es hat Sie offenbar nie losgelassen: Was ist für Sie als Macher das Tolle am Tatort?

Er ist aus meiner Sicht die beste Produktions- und Sendeform, die die ARD entwickelt hat. Im Tatort findet man die größte Konzentration auf Qualität, in jeder Beziehung. Für den Tatort arbeiten die besten Talente, die bei der ARD zu finden sind.

Tatort-Erfinder Gunther Witte war von Haus aus Theaterdramaturg. Was hat ihn veranlasst, eine Krimireihe zu entwerfen?

Wir haben uns in den Sechzigern kennen gelernt, als es noch keinen Tatort gab – eine Zeit, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Günter Rohrbach, damals gerade neuer Fernsehspiel-Chef beim WDR, war überzeugt, dass zum Fernsehen Serien gehören. Rohrbach ging mit den Redakteuren Witte und Peter Märtesheimer im Kölner Stadtwald spazieren, und sie durften auswählen: Märtesheimer wollte Familienserien entwickeln, Witte Krimiserien.

An Wittes Tatort-System war neu, dass alle ARD-Sender mit eigenen Ermittlern beteiligt sein sollten.

Ja, er schlug den ARD-Chefs vor, das Konzept mal zwei Jahre lang auszuprobieren. Nach einem Jahr war immer noch nichts passiert. Als dann herumgefragt wurde, sagte der NDR-Fernsehspielchef Dieter Meichsner: „Ich habe da ein Drehbuch in der Schublade, das könnte in die Reihe passen.“ Das war „Taxi nach Leipzig“. Damit kam der erste Tatort aus Hamburg vom NDR.

Waren Sie selbst auch an einer Tatort-Idee beteiligt?

Ja, ich habe neben vielen anderen Formaten auch den Münster-Tatort aktiv mitentwickelt. Ich komme aus Münster. Und nach den ersten beiden Folgen bekam ich von dort empörte Anrufe.

Welcher Tatortkommissar ist denn aus Ihrer Sicht besonders untypisch?

Untypisch war natürlich Götz George als Schimanski. Alle hatten vor der ersten Sendung die Hosen voll, in Teilen der ARD hielt man das für nicht sendefähig. Das Gegenteil war der Fall, Schimanski hatte Riesenerfolg.

Wie etwa Til Schweiger?

Schweiger hat als Nick Tschiller Ähnlichkeiten mit Schimanski, nämlich eine bestimmte Version von Männlichkeit. Aber ganz untypisch ist doch auch Faber im Dortmunder Tatort. Der Mann ist eigentlich gar kein Kommissar mehr, der erleidet ja gewissermaßen den Täter, um ihn zu verstehen.

Ungewöhnlich war auch Sieghardt Rupp als Zollfahnder Kressin.

Ja, aber für das Publikum etwas zu extrem. Kein Deutscher glaubt, dass ein Zollbeamter Mörder jagt. Kressin hat sich um keinen Vorgesetzten gekümmert, aber um Damen jüngeren Alters, die gern mit ihm im Bett landeten. Das war damals eine Überforderung.

War es Manfred Krugs eigene Idee, als Kommissar Stöver öfter mal zu singen, wie etwa 1996 im Neuwerk-Tatort?

Mit Sicherheit. Er wollte immer singen und hat versucht, seine DDR-Musikerkarriere auch im Westen fortzusetzen, was nicht funktionierte.

Haben Sie einen Lieblings-Tatort?

Ja, natürlich den mit Schimmi. Gleich die erste Folge in Duisburg-Ruhrort war für uns wichtig: Da kommt eine Rockertruppe auf Motorrädern auf den Zuschauer zugefahren, auf einer der Maschinen steht Schimmi, und während sie vorbeifahren, schmeißt irgendein Arbeitsloser aus dem Fenster sein TV auf die Straße und schreit „Scheißfernsehen!“ Das hat unglaublich eingeschlagen, weil so viele Dinge mal anders gemacht wurden als sonst.

Was ist typisch deutsch am Tatort?

Felmy ja, Schimmi nein – das ist so die Spannbreite. Im Ernst: Der Tatort reflektiert wie keine andere Sendeform die deutsche Realität. Das ist Programm, das ist wichtig. In einem Krimi können Sie die Abgründe einer Gesellschaft, ihre Ängste und auch ihre Hoffnungen schildern. Deshalb muss der Tatort aktuell sein.

Was kostet eigentlich ein Tatort?

Das ist unterschiedlich, aber wenn man von 1,3 bis 1,5 Millionen Euro netto ausgeht, liegt man richtig.

Was würden Sie gern verwirklichen, wenn das Budget egal wäre?

Ich würde mit den Autoren gerne länger an den Drehbüchern arbeiten. Aber die Kosten machen nicht den Erfolg aus.