Münster . Prozessauftakt gegen einen 25-jährigen Traktorfahrer

Jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit fahre er über den Bahnübergang. Jeden Tag habe er die Katastrophe wieder vor Augen. Das sagt der 25 Jahre alte Traktorfahrer aus Ibbenbüren im Münsterland. Er sitzt an diesem Mittwoch als Angeklagter vor Gericht, weil ihm der Staatsanwalt vorwirft, durch seine Fahrlässigkeit verantwortlich für den tödlichen Zusammenstoß von einer Regionalbahn und einem leeren Güllewagen vor eineinhalb Jahren zu sein. Der Angeklagte hatte sich nicht vergewissert, ob der Sicherungsbolzen an der Kupplung vorgeschoben war.

Zum Auftakt berichtet der Mann, wie er sich an das Unglück erinnert, bei dem der Lokführer und eine 18-Jährige im Zug starben sowie 15 weitere Menschen verletzt wurden. Er schildert, wie es einen Knall gab, als er mit seinem Traktorgespann über einen Bahnübergang fuhr; wie er sich umdrehte und sah, dass der leere Güllewagen aus der Kupplung gesprungen war und weit auf die Gleise ragte; wie er alles versuchte, den Anhänger aus dem Weg zu räumen; wie sich Minuten später schon die Schranken senkten. Zuvor hatte er einen Notruf abgesetzt, Bekannte eines nahegelegenen Hofes alarmiert, sie mögen mit Ketten kommen und den Anhänger wegschleppen. Dann rannte er der Bahn entgegen, um den Lokführer zu warnen. Vergebens. Der Zug kollidierte frontal mit dem Anhänger. Die Fahrerkabine wurde zerdrückt, seitlich riss der Zug auf. Fahrgäste wurden durch den Waggon geschleudert.

Zum Prozessauftakt schildern mehrere Unfallopfer, wie sie bis heute nicht mehr Zug fahren können. Im Gericht sitzen auch die Eltern der getöteten jungen Frau. Sie sei gerade 18 geworden, „hatte noch so viele Pläne“, sagt ihre Anwältin am Rande der Verhandlung. Für die Eltern sei es wichtig, mit dem Angeklagten ins Gespräch zu kommen. Bis jetzt habe es keine persönliche Entschuldigung gegeben. Vor dem Amtsgericht fällt es dem Angeklagten sichtlich schwer, sich an die Hinterbliebenen zu wenden. Er kämpft mit seiner Stimme und den Tränen, als er sagt: „Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, dass das Ganze passiert ist.“