Wiesbaden.

Ein kleiner Babyboom und mehr Hochzeiten: Wird Familie in Deutschland wieder großgeschrieben? „Es deutet sich eine Trendwende an“, sagt Jürgen Dorbritz, Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Soziologe Harald Rost vom Staatsinstitut für Familienforschung stellt mit Blick auf Umfragen fest: „Partnerschaft, Familie und Kinder stehen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen hoch im Kurs.“ Rund 738.000 Jungen und Mädchen wurden 2015 in Deutschland geboren. Mehr waren es nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zuletzt vor 15 Jahren. In Hamburg waren es 19.769 und damit nur geringfügig mehr als im Vorjahr. Etwa 400.000 Paare gaben sich bundesweit das Jawort, auch hier gab es seit dem Jahr 2000 keinen höheren Wert.

Dorbritz erklärt das Plus bei den Geburten mit einem „Doppeleffekt“, bestehend aus der Altersstruktur der Frauen und ihrem Verhalten. „Frauen kriegen mehr Kinder als vor drei, vier Jahren“, sagt der Wissenschaftler. So sei die Geburtenziffer von 1,39 pro Frau (2011) auf 1,48 (2014) gestiegen und werde 2015 vor-aussichtlich noch leicht darüber liegen. Zugleich gebe es mehr Frauen im Alter zwischen 25 und 35 Jahren – also mehr potenzielle Mütter. Dies erkläre auch die Zunahme der Eheschließungen. Mehr Paare seien im entsprechenden Alter. Und: „Kinder sind eines der zentralen Heiratsmotive.“

Doch etwas Wehmut bleibt: Noch immer sterben mehr Menschen als geboren werden. 2015 wurden 925.000 Sterbefälle regis­triert. „Die Kluft zwischen Sterbefällen und Geburten wird sich nicht schließen, sondern eher noch größer werden“, sagt Dorbritz. Nur in Hamburg und Berlin überwiegen die Geburten. Damit die Bevölkerung wachse, müsste sich einiges ändern, meinen die Experten. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor schwierig“, sagt Familienforscher Rost. Die Kinderbetreuung sei zwar ausgebaut worden, insbesondere im Schichtdienst, in Randzeiten und in den Ferien sei es aber nach wie vor nicht einfach, eine gute Betreuung zu finden. „Deutschland könnte familienfreundlicher sein.“ In Frankreich etwa gebe es große steuerpolitische Anreize für das dritte Kind.