Hamburg. Erste Städte in Deutschland richten Lichtsignale ein, die abgelenkte Fußgänger vor Gefahren warnen sollen

Sandra Schröpfer

In der Bahn, auf dem Fahrrad, im Auto, in den Fußgängerzonen – nahezu überall sieht man Menschen mit gesenktem Kopf auf ihre Smartphones starren. Mitunter sind sie derart abgelenkt, dass sie ihre Umwelt nicht mehr wahrnehmen und im Straßenverkehr zur Gefahr werden.

Zwei deutsche Städte testen jetzt, ob spezielle Bodenampeln die Generation „Kopf unten“ vor Unfällen schützen können: In Augsburg sind an zwei Straßenbahnhaltestellen Signalleisten in den Boden eingelassen worden. Wenn eine Straßenbahn einfährt und die reguläre Ampel Rot zeigt, blinken die LED-Leuchten ebenfalls rot auf. Die Fußgänger sollen so auf eine mögliche Gefahrenquelle hingewiesen werden. Pro Stück kosten die umstrittenen Ampeln rund 10.000 Euro. In Köln sind mit einer ähnlichen Technik bereits drei Haltestellen ausgestattet worden.

Ob das System etwas bringt? Verkehrsforscher Professor Michael Schreckenberg (Uni Duisburg-Essen) ist überzeugt: Blinkende Bodenlichter als Warnsignal für Fußgänger in Handytrance seien bestenfalls bedingt tauglich. „Es blinkt ja ohnehin ständig auf den Handydisplays, da geht so ein Signal von außen unter“, so Schreckenberg. „Wichtig ist, dass die Warnsignale direkt aufs Handy gespielt werden, durch optische Zeichen oder beispielsweise Vibrationen.“ Durch die fortschreitende Vernetzung könnten entsprechende Techniken bald zur Verfügung stehen.

Auch in Hamburg wird das dauernde Herumdaddeln auf dem Handy zum Sicherheitsproblem. „Immer häufiger beobachten wir, dass Kraftfahrer wie selbstverständlich ihr Smartphone während der Fahrt benutzen und scheinbar kein Gefahrenbewusstsein dabei haben“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) bei der Präsentation der Hamburger Verkehrsunfallstatistik. „Auch Radfahrer und Fußgänger sind immer häufiger so stark abgelenkt und unaufmerksam, dass es leicht zu konkreten Gefahrensituationen und in nicht wenigen Fällen zu folgenschweren Unfällen im Straßenverkehr kommt.“ Allerdings werden Unfälle, die auf die Nutzung von Smartphones im Straßenverkehr zurückgehen, von der Polizei nicht gesondert erfasst. Immer wieder gibt es punktuelle Verkehrskontrollen, bei denen die Polizei die Handynutzung bei Autofahrern ahndet. Dabei kann der Blick aufs Smartphone während der Fahrt mit einem Bußgeld von 60 Euro und einem Punkt in Flensburg enden. Für Fußgänger ist er jedoch nicht verboten.

Bodenampeln seien derzeit indes „kein Thema“, heißt es aus der Hamburger Innenbehörde. Gleichwohl sei abzuwarten, ob sich das in Augsburg und Köln installierte System im täglichen Einsatz bewähre. Skeptisch reagiert auf die Testläufe auch die Hamburger CDU. „Von jedem Verkehrsteilnehmer ist ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit zu verlangen“, sagt Dennis Thering, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Wer als Fußgänger selbst beim Überqueren einer Straße nicht den Blick vom Smartphone lösen kann, handelt schlicht verantwortungslos. Dagegen hilft auch kein aufwendiger und teurer Umbau von Ampelanlagen, sondern nur eine grundsätzliche Verhaltensänderung.“ So einfach dürfte es aber wohl nicht sein. Verkehrsforscher Schreckenberg spricht von einem „eingeschliffenen Verhalten“ insbesondere bei den jüngeren Handynutzern. In den USA war eine Konsequenz aus dieser Erkenntnis, dass Verkehrsbetriebe ihre Busse mit Lautsprechern ausstatteten, die bei jedem Abbiegevorgang Passanten mit den Worten „Fußgänger, der Bus biegt ab!“ warnten. „Hierzulande beobachten wir ein ähnliches Phänomen“, sagt Schreckenberg. „Vor allem die Jüngeren kriegen schon Panik, wenn sie mal nicht online sind. Man sollte deshalb schon in der Schule sehr, sehr deutlich machen, wie gefährlich die Handynutzung im Verkehr ist.“

Von den 2,4 Millionen Verkehrsunfällen in Deutschland gehen, so Schreckenberg, mindestens 300.000 pro Jahr auf die Ablenkung durch Handys zurück – umgerechnet auf Hamburg wären das rund 8400 der 67.200 Unfälle. „Die Ablenkung durch die Nutzung des Handys während des Laufens oder Fahrens entspricht einem Blutalkoholspiegel von 0,8 Prozent“, so Schreckenberg weiter. Wer nur eine Sekunde nicht auf die Straße schaue, lege bei 50 km/h ganze 14 Meter im Blindflug zurück. „Ein tödlicher Leichtsinn“, sagt Christian Hieff, Sprecher des ADAC Hansa. „Unsere Studien zeigen, dass Ablenkung am Steuer Ursache für mindestens jeden zehnten Unfall ist.“ Alle Verkehrsteilnehmer seien gefragt, das Sicherheitsproblem zu erkennen und ihr Verhalten zu ändern. Auch Fußgänger. „Bodenampeln“ seien jedoch nicht die Lösung. „Autofahrer und Fußgänger sollten eher geradeaus schauen, als dass Verkehrsanlagen angepasst werden“, so Hieff.


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