Mainz/Berlin. Staatsanwalt ermittelt: Schmähgedicht über Erdogan beleidigt Staatsoberhaupt

Der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann, 35, hat sich mit seinem Schmähgedicht auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan höchstwahrscheinlich strafbar gemacht. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Mainz. Zuvor waren 20 Strafanzeigen von Privatpersonen eingegangen. Diese sollen alle in dem Verfahren zusammengeführt und bearbeitet werden.

Die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts könne nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden – wenn die Beleidigung in verleumderischer Absicht erfolgt, sogar mit bis zu fünf Jahren. Zu diesem Schluss kommt das Auswärtige Amt in einer internen juristischen Prüfung, die nach Informationen des Berliner „Tagesspiegel“ (Ausgabe vom Donnerstag) noch vor dem Telefonat von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem türkischen Premierminister Ahmet Davutoglu am Sonntag in Auftrag gegeben worden war. Merkel soll in dem Gespräch das Gedicht „bewusst verletzend“ genannt haben.

Mit der kurzfristigen Prüfung, deren Ergebnis am Sonntag in einer Krisensitzung im Ministerium vorgestellt worden sei, reagierte das Auswärtige Amt auf den erheblichen Unmut, den Jan Böhmermanns Erdogan-Kritik in der türkischen Regierung ausgelöst hatte. Dessen Verse über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sorgen seit Tagen für Aufregung. Das ZDF strich den Beitrag daraufhin aus der Wiederholung seiner Sendung. „Er verfolgt eine gezielte Provokationsstrategie, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Diese Themen werden bewusst gesetzt“, sagt die Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher von der Universität Hamburg. Sie glaubt, dass es Böhmermann daher geradezu entzückt haben dürfte, zu hören, dass er mittlerweile sogar im Bundeskanzleramt Thema ist. Man könne ihn auch nicht als klassischen Fernsehmoderator begreifen. „Böhmermann kann man nicht ohne enge Wechselwirkungen mit dem Social Web betrachten“, sagt Joan Kristin Bleicher.

Böhmermann ist im Fernsehen und in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook präsent. Mehrere Beiträge aus dem „Neo Magazin Royale“ wurden Hits im Internet, darunter der sogenannte Varoufakis-Bluff – für den Böhmermann an diesem Freitag in Marl mit dem renommierten Grimme-Preis geehrt wird – eine freche Fake-Satire über den Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis. Böhmermann hatte in der Griechenland-Krise Verwirrung gestiftet, als er behauptete, ein umstrittenes Youtube-Video mit Varoufakis gefälscht zu haben. Böhmermann gebühre das Verdienst einer großen Medienkritik, begründet die Grimme-Jury ihre Entscheidung. Er habe die Medienrepublik in Aufruhr versetzt und für ein Innehalten gesorgt.

Typisch für Böhmermann: Er vermeidet es gern, seine Aktionen bis ins Letzte zu erklären, etwa in Interviews. So auch aktuell. Was er zu sagen hat, sagt er im Böhmermann-Kosmos. Verwirrung inklusive. Dass er dabei einen Teil des Publikums verschreckt, nimmt er wohl bewusst in Kauf. „Böhmermann will wahrscheinlich gar nicht wesentlich über die Zielgruppe hinaus, die er mit seinem Format adressiert. Das ist eine klare Ausdifferenzierungsstrategie“, sagt Wissenschaftlerin Bleicher.

Wer nicht allen gefallen will, muss auch Gegenkritik einstecken. So wie die von Til Schweiger nach ein paar Böhmermann-Spitzen: „Das ist ein leicht verzogener Bubi, der sich selbst am lustigsten findet.“