Norddeich. Alle Jahre wieder: Sobald der Winter von jetzt auf gleich einsetzt, häufen sich die Probleme vor allem im Bahnverkehr

Weihnachten noch Temperaturen im zweistelligen Plusbereich, dann plötzlich Blitzeis und Schnee: Autofahrer und Bahnreisende hat der extreme Wintereinbruch mit Temperaturen bis zu minus zehn Grad Celsius besonders hart getroffen. Mehrere Hundert Fahrgäste saßen in der Nacht zu Montag und am Tag teilweise mehr als 22 Stunden in einem IC fest.

Der Zug, der von den ostfriesischen Inseln nach Köln unterwegs war, blieb am Sonntagabend auf offener Strecke zwischen Norddeich und Emden liegen, weil die Oberleitungen vereist waren. Die Fahrgäste musste die Nacht in ihren Abteilen und in der Halle einer Fährgesellschaft verbringen. Helfer des Roten Kreuzes versorgten die verhinderten Reisenden mit Essen und warmen Decken. Unter den Fahrgästen war auch Thorsten Schatz, der stellvertretende Sprecher der Berliner CDU-Fraktion. Schatz, der bei dem Versuch, von Norderney nach Berlin zu kommen, fast 24 Stunden im Zug festsaß, informierte die Zuhausegebliebenen per Twitter über seine Lage und erntete dafür online nicht nur Mitgefühl und Ratschläge anderer User, sondern auch das Interesse der Medien. „Bitte um Verständnis, dass ich aus Rücksicht auf die Nerven meiner Mitreisenden keine weiteren Presseanfragen per Telefon beantworte. #ic2203“, twitterte Schatz gegen 12 Uhr – als er immer noch unterwegs war. Niedersachsens Verkehrsminister, Olaf Lies, strandete am Bremer Bahnhof. „Sollten wir etwa Winter haben und keiner hat es gewusst??“, postete er am Sonntagabend frustriert bei Facebook.

Grund für die Bedingungen sind laut Wetterexperte Frank Böttcher die derzeit extremen Temperaturen am Nordpol, ausgelöst durch ein Tief über dem Atlantik. Zuletzt wurden am Nordpol null Grad Celsius gemessen. „Die normalerweise dort herrschende, eisige Luft strömt über Russland zu uns und überzieht die niedrigen Bodenschichten“, sagt der Geschäftsführer des Instituts für Wetter - und Klimakommunikation in Hamburg.

Wetterexperte rechnet für heute mit Unfallgefahr auf der Autobahn 7

Es sei weiter mit Frost zu rechnen. Das gilt aber vor allem für den Norden und den Osten Deutschlands. Am Montag unterschieden sich die dort herrschenden Temperaturen teils deutlich von denen im Westen und Süden des Landes. Denn links von Deutschland zieht derzeit ein Tiefdruckgebiet umher, dass sich im Gegensatz zum Hoch linksherum dreht und somit warme Luft in den Westen und Süden schaufelt.

Wetterfachmann Frank Böttcher geht davon aus, dass heute vor allem auf der Autobahn 7 Unfallgefahr bestehen werde: „Dort wird es spiegelglatt.“

Schon am Montag hatte die Polizei in Niedersachsen und Bremen mehr als 300 Unfälle während der vergangenen 24 Stunden gezählt. Die Polizeidirektion Oldenburg meldete in einer ersten Bilanz am Morgen 183 Unfälle. Bei Itzehoe wurde bei frostigen Temperaturen sogar ein Brand zum Problem. Die Feuerwehr hatte Schwierigkeiten, ein in Flammen stehendes Mehrfamilienhaus zu löschen, weil wegen der plötzlich deutlich gesunkenen Temperaturen das Löschwasser in den Schläuchen gefror und den Feuerwehrleuten ihre nasse Kleidung an den Körpern festfror.

Auf der Autobahn 8 im Südwesten kam es zu langen Staus, weil insgesamt vier Lastwagen in beiden Richtungen quer auf der Fahrbahn standen. In Hamburg blieb es dagegen verhältnismäßig ruhig. „Was Unfälle betrifft, können wir keine Besonderheiten melden“, sagte ein Polizeisprecher. Und auch die Feuerwehr erklärte am Montagmorgen, es habe in der Nacht keinerlei „nennenswerte Ereignisse“ gegeben. Im Westen und Süden Deutschlands sorgt das Tiefdruckgebiet schon jetzt für mildere Temperaturen. Bis es am Wochenende auch im Norden der Republik wieder wärmer werden soll, könnten die nächsten Tage noch einmal extreme Wetterbedingungen mit sich bringen, lauten die Vorhersagen.

Frank Böttcher rechnet mit bleibender Kälte und Regen und erinnert an das sogenannte Münsterländer Schneechaos vor einigen Jahren. Weil nasser Schnee eine Eisschicht um einige Leitungen gebildet hatte, wurden diese vom Wind stärker angegriffen und knickten um. Die Folge waren Stromausfälle im Münsterland und im Emsland. „Es könnte sein, dass auch wir Probleme mit den Hochspannungsleitungen bekommen.“ Bis Sonnabend sollte der Schnee laut Böttcher aber wieder verschwunden sein. Wie es dann weitergeht, ist unklar. „Bisher können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob die milden Temperaturen nur eine kurzzeitige Unterbrechung des Winters darstellen oder ob sie langfristig bleiben.“

Für die Fahrgäste des steckengebliebenen IC gab es am Montagmorgen zunächst gute Nachrichten: Spezielle Lokomotiven hatten die Oberleitungen schließlich vom Eis befreit, die Fahrt sollte weitergehen. Thorsten Schatz twitterte um kurz vor 9 Uhr: „Der #IC2203 verlässt in diesem Moment aus eigener Kraft den Bahnhof #Norddeich. Es werden Wetten abgeschlossen, wo wir liegen bleiben.“ Die Frage hatte sich wenig später von selbst beantwortet, als der Zug – mit fast einem Tag Verspätung schließlich in Emden angekommen – wegen einer Weichenstörung kurzzeitig nicht weiterfahren konnte.