Washington/Miami . Immer mehr US-Bürger sind Latinos, und ihre Sprache gewinnt an Bedeutung. Ist Zweisprachigkeit die Zukunft des Riesenlandes?

Lange Zeit war Spanisch in den USA die Sprache unterprivilegierter Einwanderer. Man begegnete ihr in Restaurantküchen und in den Häusern von Latinos, die auf der Suche nach dem American Dream in die Staaten gekommen waren. Doch die Zeiten haben sich geändert: Heute spielt Spanisch selbst im Weißen Haus eine Rolle. Und im US-Wahlkampf.

Was heute im von kubanischen Einwanderern geprägten Miami bereits Alltag ist, könnte zur Zukunft der ganzen Nation werden: ein zweisprachiges Land, in dem Englisch und Spanisch nebeneinander existieren. Fast alles lässt sich in Miami im US-Bundesstaat Florida bereits auf Spanisch regeln, sei es eine Behördensache oder ein Anruf beim Telefonanbieter.

Ähnlich verhält es sich in den Metropolen New York, Los Angeles oder Chicago. Immer mehr Internetseiten haben einen spanischen Webauftritt, viele Firmen bieten sowohl einen englischen als auch einen spanischen Kundenservice. Doch nicht allen gefällt das: Der Einzug der Zweisprachigkeit in den Alltag sorgt für ähnliche Spannungen wie die Einwanderungspolitik.

„Sie sollten ein Vorbild sein und Englisch sprechen, wenn wir in den USA sind“, kritisierte der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump seinen Konkurrenten Jeb Bush. Der hatte auf Spanisch um Latino-Stimmen geworben. „Das ist die Realität in den USA“, verteidigte sich der mit einer Mexikanerin verheiratete Bush.

55,4 Millionen Spanischsprachige in den USA

Der Streit verdeutlicht den Konflikt um die steigende Zahl von Latinos. In den USA leben derzeit rund 55,4 Millionen Spanischsprachige, die meisten von ihnen Einwanderer aus Lateinamerika und deren Nachfahren. Das sind 17,4 Prozent der US-Bevölkerung.

Vor diesem Hintergrund fürchtet so mancher - wie Trump - einen Bedeutungsverlust der englischen Sprache. Die Organisation Proenglish.org etwa verteidigt das „historische Recht des Englischen als gemeinsame und vereinigende Sprache“. Vor allem die Regierung und die Verwaltung müssten englischsprachig bleiben. Englisch solle zur offiziellen Landessprache erklärt werden, fordert Proenglish-Chef Robert Vandervoort. Für ihn wäre dies ein wichtiger Schritt, um Einwanderer zu ermutigen, sich zu assimilieren.

Den Kritikern zum Trotz hielt Spanisch bereits Einzug ins Weiße Haus. Mit den Worten „Bienvenidos a la Casa Blanca“ (Willkommen im Weißen Haus) empfing Präsident Barack Obama kürzlich die kubanischen Musiker des Buena Vista Social Club. Die Webseite des Amtssitzes des US-Präsidenten gibt es neben Englisch nur in einer weiteren Sprache: auf Spanisch. „Das ist die falsche Message“, kritisiert Vandervoort. „Die Regierung soll den Leuten nicht sagen: ,Ihr müsst nicht Englisch lernen, wir schreiben euch alles auf Spanisch auf.’“ Die USA könnten sonst enden wie Kanada: „Das Land ist gespalten - Französischsprachige gegen Englischsprachige.“

Spanisch eigentlich keine Fremdsprache mehr in den USA

„Es ist ein faszinierender Moment für die spanische Sprache“, sagt dagegen Gerardo Piña-Rosales, Direktor der Nordamerikanischen Akademie für die Spanische Sprache (ANLE). Spanisch habe Französisch an den Universitäten verdrängt und sei auch in Schulen immer gefragter. Zudem sei Spanisch eigentlich keine Fremdsprache in den USA. „Es wurde hier früher gesprochen als Englisch.“ Daran erinnern auch die Namen von Bundesstaaten wie Florida und Colorado oder Städtenamen wie Los Angeles, Sacramento und San Antonio.

Piña-Rosales zufolge wird der Siegeszug des Spanischen weitergehen. Prognosen des US-Zensus scheinen seine These zu untermauern. Demnach werden die USA im Jahr 2050 die größte spanischsprachige Nation der Welt sein. Etwa ein Drittel der Bevölkerung - geschätzt 133 Millionen Menschen - werden dann Spanisch sprechen. Den jüngsten Entwicklungen zum Trotz ist Spanisch aber das Einwanderer-Image noch nicht losgeworden. „Wenn Migranten sozial aufsteigen, hören sie auf, Spanisch zu sprechen“, sagt Piña-Rosales. „Sie sehen es als eine Sprache zweiter Klasse, und dagegen müssen wir vorgehen.“

Ob sich Spanisch im ganzen Land wird durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Vor allem die großen Städte werden zweisprachiger, wie Piña-Rosales meint.

Eine Entwicklung hin zu einer „funktionalen Zweisprachigkeit“ sieht Ignacio Olmos, der Direktor des New Yorker Cervantes-Instituts: Spanisch werde in den USA präsent sein, aber „ohne das Englische zu bedrohen“.