monrovia. Sierra Leone ist seit heute frei von dem Virus. Liberia zeigt, wie schwer der Wiederaufbau ist

Tawoo Bono steht im Morgengrauen auf seinen Feldern, erntet Reis, stellt Fallen im anliegenden Wald, um Nager und kleine Waldantilopen zu fangen, fällt Bäume für Brennholz. Der einfache Bauer aus dem Dorf Bomota in Zentralliberia ist ein Überlebender. Seine Tante Ponawenee ist an Ebola gestorben. Genauso wie sechs weitere Menschen in dem Ort, in dem es nur Lehmhütten gibt und der über einen zweistündigen Fußmarsch durch den Wald erreichbar ist.

Tawoo Bono leistet seinen Beitrag zum Wiederaufbau in dem bitterarmen afrikanischen Staat, in dem sich die Menschen hauptsächlich durch Landwirtschaft selbstversorgen. Ein Land, das lernen muss, wieder aufzustehen.

Seit im Sommer 2014 die größte Ebola-Epidemie der Geschichte außer Kontrolle geriet, steht der bürgerkriegsgeschüttelte Staat wirtschaftlich vor dem Kollaps. Im Mai 2015 konnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Liberia offiziell als ebolafrei erklären. Diese Regel gilt, wenn 42 Tage lang kein neuer Fall aufgetreten ist. So wie in Sierra Leone, das seit heute frei von Ebola ist. Anders in Guinea: Nach zwei Wochen ohne registrierte Neuinfektionen traten dort in der vergangenen Woche mindestens zwei neue Fälle auf.

Die WHO berichtet, dass sich seit dem Ausbruch 28.600 Menschen in Liberia und den Nachbarn Sierra Leone und Guinea ansteckten, etwa 11.300 starben. Laut SOS-Kinderdörfer wurden 20.000 Kinder zu Waisen. Und das Ende vom Virus ist erst der Beginn vom wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau.

Ausländische Investoren kehren nur zaghaft wieder nach Liberia zurück, viele Flugverbindung in die Hauptstadt Monrovia sind gekappt, es herrscht landesweit unter den vier Millionen Einwohnern eine Arbeitslosigkeit von 80 Prozent. Donald Kaberuka, Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank, prognostizierte einen Rückgang des Wachstums um vier Prozentpunkte. Ernten fielen aus, weil die Bauern aus Angst vor Ansteckung diese nicht einholten. „Nach dem Bürgerkrieg, der in Liberia 2003 endete, war das Land eigentlich auf einem guten Weg“, berichtet der Regisseur Carl Gierstorfer dieser Zeitung. Der Filmemacher blieb während des Ausbruchs im Land.

Wochenlang bereiste er vergangenes Jahr in Gummistiefeln, Handschuhen und mit Mundschutz Liberia. Der studierte Biologe hält das Risiko, das er damals für die Recherche einging, für „kalkulierbar“. Sein Film „Ebola: Das Virus überleben“ soll im Januar bei Arte ausgestrahlt werden. „Mit Ebola verlor man plötzlich zahllose Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern. Sie steckten sich an, als die Menschen in die Krankenhäuser kamen, um sich behandeln zu lassen.“ Es fehlte das Wissen darüber, wie ansteckend dieser Erreger ist. Für ein Land, in dem die Arztdichte nicht hoch ist, war das fatal.

Auch gesellschaftlich hat das Land, laut Gierstorfer, gelitten, weil so viele Familien zerstört wurden. „In einem Land, in dem der soziale Zusammenhalt so wichtig ist, gibt es nun wieder Misstrauen und Ausgrenzung. Dieses Problem wird noch lange bestehen.“

„Ebola war schlimmer als der Bürgerkrieg“

Eine Hoffnung und Lehre aus der Ebola-Krise für Liberia sieht der Regisseur dennoch. Im Bürgerkrieg um Blutdiamanten, der Liberia 14 Jahre lang bis 2003 erschütterte und Tausende Kindersoldaten zurückließ, kannte man seinen Feind. „Aber diesmal war der Feind unsichtbar und gegen alle gerichtet. Viele Liberianer sagten, Ebola sei deshalb schlimmer als der Krieg“, sagt Gierstorfer. Doch vielleicht habe Ebola die Liberianer auch zusammengeschweißt, resümiert er. Weil sie diesen Feind gemeinsam bekämpft und schließlich auch besiegt haben.