Syracuse. Der Pilot einer US-Airline fällt in Ohnmacht und stirbt während des Flugs an einem Herzinfarkt. Für Kapitäne gibt es strenge Medizinchecks.

Es müssen dramatische Szenen gewesen sein, die sich in der Nacht zum Montag in dem Airbus A320 ereignet haben: Auf dem Flug von Phoenix nach Boston fällt der 57 Jahre alte Pilot der American Airlines in Ohnmacht - später stirbt er.

„American 550. Medizinischer Notfall. Kapitän ist flugunfähig“, funkt der Copilot an den Tower. Der zweite Mann an Bord leitet die Notlandung ein und bringt die Maschine mit 147 Passagieren auf dem Flughafen Syracuse, im Bundesstaat New York, sicher zu Boden. Dann erreicht Passagiere und Familie die traurige Gewissheit: Der Flugkapitän starb an einem Herzinfarkt. Er soll zwei Bypässe gehabt haben. So berichtet es zumindest der amerikanische TV-Sender KUTV.

Auch in Deutschland dürfen Piloten mit Bypass fliegen

Der tragische Fall wirft unter Experten die Frage auf, wie streng die gesundheitlichen Anforderungen an Berufspiloten sein müssen. In der Ärzteschaft ist die Regelung, Piloten mit Bypässen fliegen zu lassen, umstritten: „Eine Gefäßerkrankung am Herzen kommt selten isoliert vor“, sagt der Gefäßspezialist Dr. Michael Offermann aus Essen.

„Meistens sind auch andere wichtige Arterien von Ablagerungen befallen: Man kann davon ausgehen, dass jemand, der zwei Bypässe hat, auch an anderen Gefäßen unter Arteriosklerose leidet“, so der Mediziner.

Arteriosklerose, also die Verengung der Gefäße durch Ablagerungen, sei der Grund für den Verschluss der Koronargefäße, die den Herzmuskel mit lebenswichtigem Sauerstoff versorgen. Bypass-Operation werden empfohlen, wenn diese Gefäße verstopft sind. Nur eine äußerst engmaschige Kontrolle des Patienten könne gewährleisten, dass die Bypasse auch durchlässig sind. Dennoch sind Bypässe kein Ausschlusskriterium für den Beruf des Piloten.

Ab 40 Jahren gelten strengere Richtlinien

In Deutschland und den Vereinigten Staaten gelten beinahe die identische Anforderungen an Piloten. „Genauso wie in den USA erfolgen die obligatorischen Untersuchungen jedes Jahr“, sagt Thorsten Bender, Flugmediziner an der Berliner Charité.

Ab dem Alter von 40 Jahren halbiert sich der Zeitraum der sogenannten fliegerärztlichen Tauglichkeitsuntersuchung auf alle sechs Monate. „Zu den Checks gehören zum Beispiel die Anamnese, die Krankengeschichte, ein Hörtest sowie ein EKG“, sagt der Mediziner.

Hat der Pilot einen Bypass, entscheidet nicht der einzelne Flugmediziner über die Flugfähigkeit, sondern die dafür zuständige Behörde: das Luftfahrt-Bundesamt. „Dieses beauftragt einen Gutachter, der entscheidet, ob der Pilot flugtauglich ist oder nicht“, sagt Bender.

Der 57-jährige amerikanische Kapitän war seit 1990 Pilot. Laut Experten bedeutet ein solcher Todesfall keine unmittelbare Gefahr für Passagiere. Verkehrsflugzeuge würden von Pilotenteams geflogen, um zu gewährleisten, dass ein zweiter Pilot das Flugzeug in einem Notfall steuern könne.

Hohe Sicherheitsstandards

„Dies ist eine Tragödie, und seine Familie tut mir sehr leid“, sagt der Luftfahrtexperte und Ex-Pilot John Cox der Zeitung „The Arizona Republic“. Passagiere seien allerdings nicht unmittelbar in Gefahr gewesen, weil es immer noch einen Co-Piloten gebe, auf vielen Langstreckenflügen sogar zwei.

„Copiloten haben genau dieselbe Ausbildung. Es ist Teil der Ausbildung eines jeden Piloten, in so einem Fall zu übernehmen und das Flugzeug sicher zu landen, auch unter widrigen Bedingungen“, sagt auch Markus Wahl, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit. Wahl, der selbst seit mehr als zwölf Jahren Pilot ist.

Fällt ein Pilot überraschend aus, greifen bestimmte Routinen: „Es gibt keine festen Richtlinien, aber natürlich gilt es, möglichst bald zu landen, um den erkrankten Piloten schnell medizinisch versorgen zu können und die Zeit kurz zu halten, in der nur ein flugfähiger Pilot an Bord ist“, sagt der Cockpit-Sprecher. Es sei Aufgabe der Piloten, in solchen Situationen schnell und flexibel zu reagieren, das gehöre zur Ausbildung.

„Unglaublich traurig über den Vorfall“

Den Fall, dass beide Piloten flugunfähig seien, habe es bislang „glücklicherweise noch nicht gegeben“. Eine Möglichkeit, ein Flugzeug vom Tower aus oder nur über den Autopiloten zu landen, gebe es nicht. „Das geht nicht, und das ist auch gut so. Es könnte zum Beispiel Hackerangriffe geben“, sagt Wahl.

Nach der Notlandung des Airbus wechselte American Airlines die Crew aus. Die Fluggesellschaft wollte sich zu Details des Sanitäter-Einsatzes und die Erkrankung des Piloten offiziell nicht äußern. Nur so viel: „Wir sind unglaublich traurig über den Vorfall, und konzentrieren uns nun darauf, uns um die Angehörigen und Kollegen des Piloten zu kümmern“, erklärte der Konzern.