Berlin. Die schwangere 19-Jährige wurde bei lebendigem Leib verbrannt. Jetzt beginnt der Prozess gegen ihren Ex-Freund

Maria P. war im achten Monat schwanger und voller Hoffnung, dass mit dem Vater des ungeborenen Kindes alles wieder gut werden könnte. Doch es kam ganz anders. Die 19-Jährige und das Kind sind tot. Und ihr früherer Freund muss sich ab Donnerstag wegen Mordes vor einer Jugendkammer in Berlin verantworten.

Die Ermittlungen in diesem Fall erschütterten auch erfahrene Ermittler. Die junge Frau wurde festgehalten, ihr wurde mit einem Brotmesser zweimal in den Bauchbereich gestochen, und anschließend wurde sie bei lebendigem Leibe verbrannt. Rechtsmediziner stellten fest, dass sie minutenlang mit dem Tod kämpfte und qualvoll starb.

Unmittelbar vor Prozessbeginn ist offen, wie sich das Geschehen am 22. Januar in dem Berliner Waldgebiet im Detail abspielte. Sicher ist, dass der 19-jährige Eren T. und der gleichaltrige Daniel M. mit diesem Mord zu tun haben. Ihre eigenen Aussagen belegen das. Sie belasten sich gegenseitig. Auch gibt es Spuren, die am Tatort und an Marias Leichnam gefunden wurden.

So wird eine wichtige Aufgabe in der Beweisaufnahme dieses Strafprozesses die Zuordnung der Tat sein: Welcher der beiden Angeklagten hat was genau getan? Die zweite Aufgabe ist die Klärung des Motivs: Überforderung, übersteigerte Wut, weil sich die Freundin den eigenen Vorstellungen so strikt verweigerte, vermutete oder eingebildete Erwartungen von Familienangehörigen – vieles ist denkbar.

Kennengelernt hatten sich die beiden 2013: Maria P. aus Hohenschönhausen und Eren T. aus Neukölln. Er hat einen türkischen Pass, die Großelterngeneration ist eingewandert. Eren ist ein schmaler junger Mann, der polizeilich nie aufgefallen war. Seine Familie gehört den kurdischen Aleviten an, sie gelten als liberal.

Maria P.s leibliche Eltern sind Deutsche. Es gibt drei wesentlich ältere Brüder. Vom Vater dieser vier Kinder hat sich Marias Mutter scheiden lassen. Seit zehn Jahren ist sie mit einem türkischstämmigen Mann verheiratet, mit dem Maria sehr gut auskam. Es gab also kein konfliktträchtiges Aufeinanderprallen von Kulturen, wie es zunächst öffentlich vermutet worden war.

Die Konstellation war zunächst ganz einfach: Da hatten sich zwei sehr junge Leute ineinander verguckt. Beide hatten wenig Erfahrungen mit Partnerschaften. Und sie merkten schnell, dass es verschiedene Vorstellungen gab, wie eine Partnerschaft funktionieren könnte. Eren T. konnte nur schwer damit leben, wenn sich Maria P. in der Disco mit einem anderen Jungen unterhielt. Für sie war es inakzeptabel, wenn er dann überreagierte.

Maria P., so scheint es im Nachhinein, nahm die Beziehung etwas ernster. Sie habe ihn „in Schutz genommen und verteidigt“, wenn er kritisiert wurde, heißt es in ihrer Familie. Maria P. träumte von einer türkischen Hochzeit. Dann wurde sie schwanger, im Sommer 2014. „Sie wollte dieses Kind. Es war ihr, glaube ich, auch egal, was wir dazu meinen oder Eren“, sagt einer ihrer Brüder. Anfangs, so scheint es, war Eren T. noch offen für die neue Situation. Er soll Maria P. sogar zu einer Ul­traschalluntersuchung begleitet haben. Doch dann, sagen Zeugen, sei er zunehmend gegen die Schwangerschaft gewesen. Vor allem sein Vater bestärkte ihn darin. Es war wohl die Sorge, dass der unreife Junge, der große Probleme in der Schule hatte, mit so einer Beziehung überfordert sei.

Im Oktober 2014 trennte sich das Paar. Im Januar holte sich Maria P. einen Termin in der Schwangerschafts- und Konfliktberatungsstelle. Die Sozialpädagogin dort stellte mit ihr einen Antrag beim Jugendamt für eine sogenannte Amtsbeistandschaft, die ihr Unterstützung garantiert hätte. Am selben Tag wurde auch ein amtlicher Brief an Eren T. abgeschickt: Er sei von Maria P. als Vater ihres ungeborenen Kindes benannt worden und solle diese Vaterschaft anerkennen. Die Ermittler gehen davon aus, dass Eren T. spätestens jetzt endgültig beschloss, Maria P. und das ungeborene Kind zu töten.

Es spricht einiges dafür, dass er sich dafür gezielt einen Helfer suchte: Daniel M., einen halben Kopf größer als er und 30 Kilogramm schwerer. Er war mit dem Gesetz schon mehrfach in Konflikt geraten: unerlaubter Waffenbesitz, Beleidigung, gefährliche Körperverletzung, Diebstahl.

Eren T. und Daniel M. sollen mehrfach über einen gewaltsamen Abbruch der Schwangerschaft fantasiert haben. Maria P. ahnte davon nichts. Im Gegenteil, sie soll sich gefreut haben, als sich Eren T. im Januar plötzlich wieder meldete. Wenige Stunden vor ihrem Tod schickte sie eine Nachricht an eine Freundin: „Gehe nachher mit Eren Babysachen kaufen. Eren will bezahlen.“ Doch ihr Ex-Freund fand am Handy immer wieder Ausreden für sein Nichterscheinen. Um kurz vor 21 Uhr traf er dann ein – mit Daniel M. und einem geliehenen Kleintransporter.

Knapp fünf Stunden später, gegen drei Uhr, fuhr Eren T. mit seinen Eltern zu einer Neuköllner Polizeiwache und gab eine Vermisstenanzeige auf. Sein Bekannter Daniel M. sei mit Maria P. in einem Kleintransporter weggefahren. Er befürchte, dass Daniel M. der hochschwangeren Freundin etwas angetan haben könnte. Gegen 12 Uhr erschienen auf demselben Polizeiabschnitt Daniel M. und dessen Eltern. Daniel M. gab zu Protokoll, dass er gesehen habe, wie Eren T. auf die schwangere Maria P. eingestochen und sie danach mit Benzin übergossen habe. Er selber sei aus Angst davongerannt.

Der Prozess soll nun die Wahrheit zutage bringen. Einer von Maria P.s Brüdern will als Nebenkläger dabei sein: „Ich will sehen, ob es bei diesen Typen noch irgendetwas Menschliches gibt, oder ob sie wenigstens vor Gericht die Wahrheit sagen.“