Washington. Am Tag nach der Bluttat von Virginia ist erneut eine Debatte um den Umgang mit Waffen entbrannt. Motive des Täters weiterhin unklar.

Die tödlichen Schüsse auf zwei TV-Journalisten in Virginia haben die Debatte über den Umgang mit Waffen in den USA neu entfacht. US-Präsident Barack Obama sagte, durch solche Verbrechen würden in seinem Land mehr Menschen sterben als durch Terrorismus. „Es bricht mir jedes Mal das Herz, wenn ich so etwas lese oder sehe“, sagte Obama in einem Interview des Senders WPVI.

Vergeblich hat Obama sich in der Vergangenheit bemüht, den Kongress zu schärferen Waffengesetzen zu bewegen. Nichts wird sich daran bis auf weiteres ändern. Weit vor dem November 2016 ist der Wahlkampf bereits dermaßen auf Touren - welcher Kandidat würde sich an dieses Thema wagen? Der Gouverneur des Staates Virginia, Terry McAuliffe, versucht es zumindest. Er sagte am Donnerstag dem Sender CNN, es gebe einfach zu viele Waffen in den Händen von Menschen, die keine haben sollten.

In den USA gibt es mehr Schusswaffen als Einwohner. Zwei Drittel aller Morde geschehen mit Schusswaffen. In den USA gibt es fünfmal so viele Morde per Einwohner wie in Deutschland. Der zweite Verfassungszusatz verbietet der US-Regierung, das Recht auf Besitz und Tragen von Waffen einzuschränken. Aber wie weit dieses Verbot geht, das ist eine hochumstrittene Frage. Nach diesem neuen Vorfall diskutiert sie Amerika aufs Neue. Sie wird rasch wieder abgelöst werden von anderen Themen.

Vor laufender Kamera erschossen

Zwei TV-Journalisten des Senders WDBJ7 waren am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) vor laufender Kamera während eines Interviews erschossen worden, allem Anschein nach von einem früheren Kollegen. Der Täter starb wenige Stunden später nach einer etwa 180 Kilometer langen Flucht an Schussverletzungen, die er sich kurz vor seiner Festnahme selber zugefügt hatte. Die Polizei gab den Namen mit Vester L. Flanagan an. Für den Sender WDBJ7 hatte er unter dem Namen Bryce Williams gearbeitet. 2013 wurde er gefeuert.

Im November 2016 wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Der Vorwahlkampf ist bereits auf vollen Touren. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich die Waffengesetzgebung vor der Wahl ändert. Kaum ein Bewerber kann es sich leisten, für eine Verschärfung einzutreten. Die Waffenlobby ist mächtig. Besitz und Tragen von Waffen sind in den USA von der Verfassung geschützt.

Flanagan hatte seine Bluttat um 6.45 Uhr in dem Einkaufscenter Bridgewater Plaza gefilmt. Auf seiner Flucht twitterte er weiter, stellte einen Film und Bilder ins Internet. Dies befeuert eine Debatte über einen Zusammenhang von Gewalt, Waffen und sozialen Medien. Die Filme wurden von Facebook und Twitter rasch entfernt, machten aber auf anderen Wegen weiter die Runde durchs Netz.

Die Motive Flanagans blieben auch am Donnerstag unklar. Er hatte dem Sender ABC ein 23-seitiges, recht wirres Schreiben geschickt, in dem er unter anderem die tödlichen Schüsse auf Schwarze in einer Kirche in Charleston als ein Motiv nannte. Er sprach von einem „Rassenkrieg“ und davon, dass er als Schwarzer und Homosexueller andauernden Anfeindungen ausgesetzt gewesen sei.

Ein früherer Kollege Flanagans sagte in San Diego, er hätte ihn schon früher aus seinem Sender gefeuert. Flanagan habe eine bizarre Persönlichkeit, sei aggressiv und bedrohlich gewesen.

Trauer um den Star des Senders

Die Familien der Getöteten, zahlreiche Kollegen, aber auch viele Zuschauer des Senders WDBJ7 trauerten um die beiden Opfer. Die Journalistin Alison Parker (24) galt als Star des Senders und war überaus beliebt. Wie Kameramann Adam Ward (27) habe sie vor einer glänzenden Karriere gestanden, erklärte der Sender.

Parkers Familie veröffentlichte ein Statement: „Wir haben eine Nachricht erhalten, die keine Familie je hören sollte. Unsere großartige, kluge, ehrgeizige, wunderschöne und unendlich talentierte Alison wurde der Welt genommen. (...) Unsere Familie ist zerstört.“

Die von Parker und Ward interviewte Frau (62), die von Flanagan angeschossen worden war, befand sich offiziellen Angaben zufolge nach einer Operation auf dem Weg der Besserung.