Kuala Lumpur. Unbekleidet für das Urlaubsfoto posieren kann in Asien schon mal zur Festnahme führen

Ein Reise-Schnappschuss vom Wolkenkratzer Taipei 101 in Taiwans Hauptstadt: Emil Kaminski, Ende 20, lässt sich mit nacktem Po fotografieren. Am Eiffelturm in Paris: Zwei Männer lassen sich dort mit heruntergelassenen Hosen ablichten. Vor dem Panorama des Grand Canyon in Colorado: Eine Frau reckt die Arme in die Luft und ihren entblößten Allerwertesten in die Kamera.

Fotos mit nackten Touristen sind „in“. Bei Twitter, Instagram und auf Facebook haben vorwiegend westliche Touristen Tausende Fotos mit nackten Tatsachen hochgeladen. Was sie für Spaß halten, erzürnt aber viele Einheimische, vor allem in Asien.

Dort greift die Polizei nun immer öfter durch. In Malaysia wurden im Juni vier Touristen aus Großbritannien, den Niederlanden und Kanada wegen obszönen Verhaltens zu drei Tagen Gefängnis verurteilt. Sie hatten am Gipfel des Kinabalu blankgezogen und sich dabei fotografiert. Einheimische machten die Gruppe mit ihrem Verhalten für ein Erdbeben verantwortlich, bei dem 18 Menschen umkamen. „Das Volk der Kadazan und der Dusun, die dort leben, sehen den Berg als letzte Ruhestätte der Seelen ihrer Toten“, sagt der lokale Tourismusminister Masidi Manjun. „Sich dort aus reinem Spaß nackt auszuziehen ist ein Sakrileg.“

Am legendären Tempelbezirk Angkor Wat in Kambodscha sind dieses Jahr bei verschiedenen Gelegenheiten fünf Touristen aus Frankreich und den USA festgenommen worden, sagt der Sprecher des Innenministeriums, Phay Siphan. Sie wurden in den Dschungel-Tempeln dabei erwischt, wie sie sich ohne Kleidung ins rechte Bild rücken wollten. Respektlos findet der Sprecher das. „Man stößt doch überall auf der Welt Menschen vor den Kopf, wenn man sich öffentlich entblößt.“

Sittsamkeit ist eine Tugend, die in Asien noch sehr hochgehalten wird

Emil Kaminski versteht das alles nicht. Der Kanadier rühmt sich, einer der ersten gewesen zu sein, die vor ein, zwei Jahren mit solchen Nacktfotos vor Touristenattraktionen anfingen. „Wir hatten einfach keinen Bock mehr auf die langweiligen Urlaubsfotos. Wir wollten ein bisschen mehr Spaß haben.“ Der Fotograf schreibt einen Reiseblog. Eine Kanadierin, 22, die Oben-ohne-Fotos aus Angkor Wat hochlud und dabei nicht erwischt wurde, findet den Spaß auch harmlos. „Es war heiß, wir hatten solche Fotos von anderen Orten in sozialen Medien gesehen, da haben wir gedacht, warum nicht?“, sagt sie. „Er war einfach total komisch.“

„Kambodschaner würden sich nie in der Öffentlichkeit ausziehen, erst recht nicht in einem Tempel“, sagt Kosal Long, Sprecher der für Angkor Wat zuständigen Kulturbehörde Apsara. „Sie sind entsetzt.“ Er hofft, dass Touristen, die Kambodscha besuchen, sich informieren und mehr Respekt zeigen. Am Kinabalu in Malaysia müssen Touristen künftig unterschreiben, dass sie die Traditionen respektieren. Striptease ist ausdrücklich verboten.

Der britische Roman- und Reisebuchautor Lawrence Osborne lebt seit Jahren in Bangkok. „Sittsamkeit und Zurückhaltung, das sind Tugenden, die in Asien noch sehr hochgehalten werden“, sagt er. „Sich an heiligen Stätten oder Touristenattraktionen auszuziehen, ist nicht nur ein Tabubruch. Viel schlimmer ist es, dass die für die Ordnung zuständigen Beamten in den Augen der Mitbürger ihr Gesicht verlieren, weil sie es nicht verhindert haben.“

Osborne nennt das Verhalten der Nackt-Posierer arrogant. Kaminski hingegen lässt Nacktheit als Tabu nicht gelten. „Vor 100 Jahren haben die Leute sich aufgeregt über nackte Knöchel, dann nackte Knie, nackte Bäuche und jetzt nackte Busen. Die Leute müssen ihre archaischen sozialen Normen mal auf einen neuen Stand bringen. Wir verstehen unsere Fotos inzwischen auch als ein Zeichen gegen Taliban-ähnliches Verhalten.“ (HA)