Paris/Peking/Sydney. Gefundenes Trümmerteil soll zu einer Boeing 777 gehören - dem Flugzeugtyp von MH370. Untersuchung in Frankreich soll Klarheit bringen.

Nach dem Fund eines Flugzeugteils auf der Insel La Réunion im Indischen Ozean verdichten sich die Hinweise darauf, dass das angeschwemmte Wrackteil von dem verschollenen Flugzeug MH370 stammt. Eine Nummer auf dem angeschwemmten mutmaßlichen Steuerruder könne eindeutig einer Boeing 777 zugeordnet werden, sagte der stellvertretende malaysische Transportminister Abdul Aziz Kaprawi am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Demnach habe der Minister die Information persönlich von der Fluglinie Malaysia Airlines erhalten. Eine Bestätigung des Herstellers Boeing steht noch aus.

Zuvor hatte auch Australiens Vize-Premierminister Warren Truss am Freitag dem Sender Sky News TV gesagt, dass das Flugzeugteil "nahezu sicher ein kleiner Flügelteil einer Boeing 777" sei und "MH370 wurde tatsächlich von einer Boeing 777 durchgeführt“, so Truss. Derzeit wird nur eine solche Maschine vermisst - die, die für MH370 eingesetzt wurde. Australien koordiniert die Suche nach dem Flugzeug, das vor mehr als einem Jahr mit 239 Menschen an Bord spurlos verschwand.

Wrackteil wird in Frankreich untersucht

Das an einem einsamen Strand der Insel östlich von Afrika angeschwemmte, etwa zwei Meter lange und mit Muscheln besetzte Trümmerteil soll am Sonnabend im Luftfahrttechnikzentrum der französischen Rüstungsbehörde DGA im französischen Toulouse eintreffen. Das Fundstück dürfte die französische Insel im Indischen Ozean am Freitagabend verlassen, wie eine Sprecherin der Pariser Staatsanwaltschaft sagte. Die Ermittler sollen dann prüfen, ob das Teil tatsächlich von MH370 der Malaysia Airlines stammt. Auch für die französischen Ermittler spricht viel dafür, dass das Teil von einer Boeing 777 stammt. Das sei die „bevorzugte Spur“, so die Sprecherin.

Mit Ergebnissen sei erst in der kommenden Woche zu rechnen, sagte die Sprecherin. Die Pariser Justiz hat den Fund an sich gezogen, weil dort seit letztem Jahr ein Ermittlungsverfahren zum Verschwinden des Flugzeugs läuft.

Der ebenfalls auf der Insel aufgetauchte Koffer hingegen dürfte keine Verbindung zu MH370 haben, sagte Australiens Vize-Premier Truss weiter. Im Gegensatz zum Flugzeugteil seien an dem Koffer keine Spuren marinen Lebens gefunden worden. Dies deute darauf hin, dass er nicht lange im Wasser gewesen sei.

Das mit Muscheln besetzte mutmaßliche Flügelteil einer Boeing 777 wurde an einem Strand der Insel La Réunion angeschwemmt
Das mit Muscheln besetzte mutmaßliche Flügelteil einer Boeing 777 wurde an einem Strand der Insel La Réunion angeschwemmt © dpa | Zinfos974

Australien wird laut Truss die Suche nach dem Wrack im südlichen Indischen Ozean westlich vom australischen Perth fortführen. Dort, etwa 4000 Kilometer von der jetzigen Fundstelle entfernt, soll MH370 abgestürzt sein. Mit Schiffen wird der Meeresboden auf einer Fläche von 120.000 Quadratkilometer untersucht. Bislang wurden 55.000 Quadratkilometer abgetastet. Es könnte noch ein Jahr dauern, bis das ganze Areal erfasst ist.

Meeresforscher: Richtiger Zeitpunkt für Fund von mehr Wrackteilen

MH370 soll westlich der australischen Stadt Perth, etwa 4000 Kilometer von der jetzigen Fundstelle entfernt, abgestürzt sein. Es könnte noch ein Jahr dauern, bis das 120.000 Quadratkilometer große Untersuchungsareal erfasst ist. Australien sei sich sicher, in der richtigen Gegend zu suchen, sagte Truss. „Wenn das auf La Réunion gefundene Flugzeugteil tatsächlich zu MH370 gehören sollte, bestätigt das, dass wir in der richtigen Gegend suchen.“

Der australische Meeresforscher Charitha Pattiaratchi hofft, dass in den kommenden Tagen noch mehr Wrackteile angeschwemmt werden. „Wenn es da draußen noch mehr Teile gibt, erwarten wir, dass sie an Land kommen“, sagte der Professor der Universität von Westaustralien. Seine Berechnungen hätten ergeben, dass jetzt dafür der richtige Zeitpunkt sei, falls MH370 wie berechnet in den Indischen Ozean gestürzt ist. Normalerweise würden verschiedene Teile wie Flugzeugstücke, Koffer oder Flaschen mit der gleichen Geschwindigkeit im Meer herumgetrieben. Falls mehr Wrackteile gefunden würden, helfe das auch bei Einengung der Absturzstelle.

Die Boeing 777 war am 8. März 2014 auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking spurlos verschwunden. An Bord waren 239 Menschen, darunter 153 Chinesen.

MH370-Angehörige sind misstrauisch

Die chinesischen Angehörigen der Passagiere an Bord des verschollenen Flugzeugs MH370 schwanken indessen zwischen Unglauben, Misstrauen und Ungewissheit. Nach dem Fund des Wrackteils mehren sich auch Klagen, dass das Verbindungsbüro für die Familien in Peking im April geschlossen wurde. Viele Angehörige fühlen sich schlecht informiert. Auch machen wieder Verschwörungstheorien die Runde.

Die wichtigsten Fragen zu MH370

Wann startete MH370?

Am 8. März 2014 kurz nach Mitternacht malaysischer Zeit hebt die Boeing 777-200 mit 239 Menschen an Bord in Kuala Lumpur bei gutem Wetter mit Ziel Peking ab.

Der letzte Kontakt?

Die Piloten melden sich 40 Minuten nach dem Start zum letzten Mal beim Tower, ehe sie in den vietnamesischen Luftraum fliegen: „Good night, Malaysian Three Seven Zero.“ Sie melden keine Probleme. Vietnamesische Fluglotsen hören nie von ihnen. Die Maschine verschwindet vom Radar.

Was ist der Stand der Ermittlungen?

Experten gehen auch aufgrund automatischer Satellitensignale davon aus, dass die Maschine sieben Stunden Richtung Süden flog. Ermittler glauben, dass sie abstürzte, als das Benzin ausging.

Wie läuft die Suche?

Anhand der Satellitensignale wird ein riesiges Absturzgebiet in einer der unwegsamsten Ozeanregionen mit rauem Wetter abgesteckt. Schiffe suchen mit Unterwassergerät seit mehr als einem Jahr dort. 55.000 der 120.000 Quadratkilometer haben sie bislang ergebnislos untersucht.

Was sind die Rätsel um MH370?

Warum hat die Maschine abrupt den Kurs geändert und flog Richtung Westen und dann Süden, wie Radar- und Satellitenaufzeichnungen später zeigten? Warum meldeten die Piloten sich nicht mehr, obwohl die Maschine noch so lange flog?

Was sind die gängigsten Theorien

(1) Ein technischer Defekt setzt Gas an Bord frei, Besatzung und Passagiere werden ohnmächtig, die Maschine fliegt auf Autopilot weiter. (2) Ein Pilot will sich das Leben nehmen und lenkt die Maschine ins Verderben. (3) Entführer übernehmen die Gewalt, können die Maschine aber nicht lenken.

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Dass der Fund tatsächlich eine heiße Spur der Maschine der Malaysia Airlines ist, können die Familien nicht glauben. Zu oft gab es Gerüchte und Informationen, die falsche Hoffnung aufkommen ließen. „Ich fühle nichts mehr“, sagte Men Wancheng, dessen Sohn an Bord war, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Peking. „All diese Informationen kommen und gehen.“ Er will nicht wieder enttäuscht werden. „Mich kann nichts mehr überraschen.“

Er wittert hinter dem Mysterium sogar einen Komplott: „Ich glaube, dass das Flugzeug aus einem bestimmten Grund verschwunden ist“, sagte Men Wancheng. Dass das Liaison-Büro in der chinesischen Hauptstadt geschlossen wurde, bestätigt nur sein Misstrauen. Die Angehörigen hätten keine verlässlichen Informationen von den Behörden.

„Es muss eine Verschwörung geben“, ist der Vater überzeugt. „Jemand hat den Flug manipuliert, so dass die Maschine verschwunden ist.“ Er kann nicht an einen Zufall glauben. „Das gibt es doch nicht, dass ein Flugzeug plötzlich einfach weg ist, ohne dass es Beweise gibt.“ Für ihn gibt es nur eine Erklärung: „Jemand muss es versteckt haben.“

Auch Meng Yan, deren Bruder in der Maschine saß, will endlich Klarheit und Wahrheit. Dass das Verbindungsbüro geschlossen wurde, sei ein echtes Problem. „Es gibt keinen direkten Kontakt zu den Behörden“, sagt Meng Yan. „Alles was wir erfahren, jedes Wort, jede vage Information kommt von Medien.“ Auch an ihr nagt jetzt das ungute Gefühl, dass den Angehörigen bewusst etwas vorenthalten wird. „Informationen werden vor uns versteckt.“