Palma de Mallorca. Saufgelage, Lärm – im Kampf gegen wilde Partytouristen kann Mallorca trotz „Benimmregeln“ kaum Erfolge vorweisen.

Jedes Mal, wenn er von einem Besucher nach dem „neuen“ Ballermann gefragt wird, stöhnt Carlos wütend auf. In der berühmtesten Partymeile der spanischen Ferieninsel Mallorca hätten die vor gut einem Jahr mit viel Medien-Tamtam eingeführten Benimmregeln „überhaupt nichts gebracht“, schimpft der 66-jährige Besitzer eines Lebensmittelladens an der Playa de Palma. Der Mann, der „doch lieber einen falschen Namen“ angibt, versichert: „Die Saufgelage, der Lärm und auch die sexuellen Exzesse haben trotz der Verbote in diesem Sommer sogar zugenommen, finde ich.“

Der Mallorquiner steht mit seiner Meinung nicht allein da. Auch die Regionalzeitung „Última Hora“ stellte fest, bei der Eindämmung der Zügellosigkeit habe es keine bedeutenden Verbesserungen gegeben. Als unvoreingenommener Besucher muss man den Kritikern wohl recht geben, noch bevor man die gesamte 4,6 Kilometer lange Strandpromenade entlanggewandert ist. Touristen nehmen weiterhin alkoholische Getränke mit an den Strand, viele ziehen grölend durch die Straßen.

Die berüchtigten blauen Saufeimer sind nicht verschwunden, und auch die Straßenhändler, die Hütchenspieler und die Prostituierten sind immer noch da. In der sogenannten „Schinkenstraße“ gab es in den vergangenen Wochen Zusammenstöße zwischen jungen deutschen Touristen und afrikanischen Straßenhändlern, Biergläser und Kneipenstühle flogen minutenlang durch die Luft. „Eine Schande, man kann sich nicht mehr raustrauen“, klagt die dreifache Mutter Maria.

Das alte Ballermann-Bild steht im Kontrast zur neuen Skyline von Palma de Mallorca. Im Winter wurden zahlreiche Hotels renoviert und zum Teil generalsaniert, oft auch um einige Etagen aufgestockt. Bei einigen wurde die Kategorie angehoben. Zwei Fünfsterneherbergen werden hochgezogen, sie sollen 2016 eröffnet werden. Auch das Straßenbild wurde hier und da aufgehübscht, unter anderem in der „Schinkenstraße“. Lounge-Optik, Lifestyle und Luxus sind angesagt. Bei der neu gestalteten Strandbude Balneario 4 dreht sich zum Beispiel alles ums Thema Wassersport. Bis 2016 sollen alle 15 Strandkioske entlang der Playa umgebaut werden.

Ein Hauch von Ibiza hält am Ballermann unverkennbar Einzug. Doch dem Chaos konnte man bisher trotz der strengeren Polizeipatrouillen und der vielen Verbotsschilder mit Hinweisen auf Geldstrafen kein Ende setzen. Die inzwischen abgewählte konservative Kommunalregierung von Palma hatte 2014 per Verordnung neben Saufgelagen unter anderem auch das Tragen von Badekleidung abseits der Strände, das Pinkeln und Spucken in der Öffentlichkeit, „aggressives Betteln“, das Ansprechen von Prostituierten, Verunreinigungen und Graffiti sowie das Verursachen von ruhestörendem Lärm unter Strafe gestellt. Aber auch Straßenkünstler wurden eingeschränkt.

Es ist nicht so, dass sich nichts getan hätte. Die Behörden teilten diese Woche in einer Bilanz mit, dass die Polizei von Palma de Mallorca im Laufe eines Jahres wegen Verstößen gegen die Benimmregeln fast 6000 Knöllchen verteilt habe. Die meisten Verstöße wurden wegen „Alkoholkonsums auf offener Straße/Störung der Anwohner“ (1820), wegen illegalen Straßenverkaufs (1685) und wegen Drogenbesitzes (842) registriert. Zudem wurden Straßenpinkler, die von Playa-Anwohnern schon mal mit Luftgewehren attackiert werden, in 82 Fällen mit bis zu 50 Euro zur Kasse gebeten.

Besser als gar nichts, sollte man meinen. Die neue linke Stadtregierung sieht das anders: Sie will die Benimmregeln noch in diesem Jahr annullieren und eventuell durch neue ersetzen. Man habe auch ohne diese Regeln genug Gesetze, die nur richtig zur Anwendung gebracht werden müssten, meint Isabel Oliver, die Tourismusexpertin der Sozialistischen Partei (PSOE/PSIB), die im Juni sowohl in Palma als auch auf den Balearen mit Linksbündnissen die Macht übernommen hat. „Die Exzesse, die wir in der Playa oder auch in Magaluf sehen, haben nichts mit fehlenden Gesetzen zu tun, sondern sind Ergebnis jahrelanger Tatenlosigkeit früherer Verwaltungen“, sagt Oliver, die auch auf jüngste Skandale bei der Polizei von Palma hinweist.

Die Benimmregeln waren von Hotelvereinigungen, Bürgervereinen und Seniorenverbänden unterstützt worden. Linke Parteien, damals in der Opposition, warfen den Konservativen derweil vor, die „Verordnung für zivilisiertes Zusammenleben“ sei ein Angriff auf die Grundrechte der Menschen. Sie versuche, soziale Probleme mit Polizeigewalt zu lösen, und nehme nicht nur die wildesten unter den Touristen ins Visier, sondern auch und vor allem „die Schwachen der Gesellschaft“ wie Prostituierte, Obdachlose und Straßenkünstler. Von einer „Reise zurück in die Franco-Diktatur“ war die Rede.

„Jetzt können wir wieder hoffen, denn gegen uns sind die Bullen sehr hart vorgegangen“, sagt Straßenmusiker Pedro.