Eine mit Hilfe von Google erstellte Karte zeigt Flüchtlingsunterkünfte. Die Initiatoren sind umstritten, Aktivisten fürchten Angriffe.

Deutschland wird von roten Punkten überflutet: So wirkt es auf der Google-Karte „Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft“. Bei jedem Punkt sollen Flüchtlingsunterkünfte stehen oder gerade geplant werden. Die Karte kursiert prominent in sozialen Netzwerken. „Die Autoren wollen offensichtlich eine große Menge inszenieren“, sagt Robert Lüdecke, Sprecher der demokratiefördernden Amadeu Antonio Stiftung. „Ob große Sammelunterkunft oder Privatwohnung, alle Punkte sind gleich groß. Die Leute sollen erschrecken. Sie sollen denken: Die Flüchtlinge sind ja überall.“

Die Stiftung fordert dazu auf, die Karte bei Google zu melden. „Wir befürchten, dass die Karte eine Art Reiseroute für rassistische Gewalttäter wird. Wir hoffen, dass Google die Karte löscht“, sagt Lüdecke.

„Eine nützliche Technologie wird hier für fremdenfeindliche Motive missbraucht“

In den sozialen Netzwerken hatte sich die Karte zunächst durch einen Boykott-Aufruf des politischen Geschäftsführers der Piratenpartei Hessen, Alexander Schnapper, verbreitet. Mit Screenshots erstellte der Internetaktivist eine Anleitung, wie Nutzer die Karte als „unangemessenen Inhalt“ bei Google melden können. „Eine nützliche Technologie wird hier für fremdenfeindliche Motive missbraucht“, sagt Schnapper.

Offen rechtsradikale Formulierungen finden sich in der Legende der Karte nicht. „Wir bejahen den grundsätzlichen Anspruch auf Asyl, lehnen aber Asylmissbrauch kategorisch ab“, heißt es dort unter anderem. Diese Camouflage sei typisch für die Strategie von Neonazis im Internet, erläutert Lüdecke: „Sie agieren als Wolf im Schafspelz. Die Aktivisten verstecken sich oft hinter dem demokratischen Recht auf Information.“

Die Karte ist offenbar schon seit Monaten im Netz zu finden. Dahinter steht laut Legende eine Kampagne gegen „Asylantenheime“. In der Diskussion über Asyl spielt Sprache laut wissenschaftlichen Studien eine große Rolle. Da das Wort „Asylant“ oft abwertend verwendet wurde, wird es seit den 90er Jahren nur noch selten verwendet.

Die Initiatoren und der Verfassungsschutz

Sie wollten mit der Karte auf einen angeblich drohenden „Volkstod“ hinweisen, teilen die Initiatoren dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Die Aktion solle die „Errichtung solcher Heime“ ganz verhindern oder stören. Die Initiatoren stehen nach eigenen Angaben der Partei „Der III. Weg“ nahe, die in den Verfassungsschutzberichten von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg aus dem Jahr 2014 auftaucht.

Die Partei sei „ideologisch an das Gedankengut der nationalsozialistischen Partei NSDAP“ angelehnt, heißt es in dem NRW-Bericht. Der politische Schwerpunkt liege beim Thema Asylpolitik und habe eine „betont fremdenfeindliche Ausrichtung“. „Der III. Weg“ sei bisher kaum zu Wahlen angetreten und habe 2014 rund 200 Mitglieder gehabt. Die Initiatoren nutzten „den Schutz des Parteienprivilegs, um Neonazis eine Alternativorganisation anzubieten“, heißt es in dem Bericht.

Den Aufruf der Amadeu Antonio Stiftung, die Karte zu melden, hätten zahlreiche Menschen unterstützt, berichtet Lüdecke. „Wir bekommen sehr viele Rückmeldungen. Viele Menschen machen deutlich, dass sie mit der Karte nicht einverstanden sind.“ Auch wenn Google die Karte nun nicht lösche, sei zumindest eine positive Debatte über Flüchtlingsunterkünfte in Gang gekommen.

MyMaps will Karte prüfen

Das Angebot MyMaps sei eine neutrale Plattform, die man zum Veröffentlichen von geografischen Information nutzen könne, teilt Lena Heuermann, Pressesprecherin von Google Deutschland, auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) mit. „Wir werden selbstverständlich jede Karte entfernen, die gegen unsere Richtlinien verstößt und überprüfen derzeit, ob das hier der Fall ist.“

Dass man eine Karte für diese Thematik auch ganz anders einsetzen kann, zeigt der private Blog wie-kann-ich-helfen.info, den unter anderem Pro Asyl unterstützt. Auf der Seite des Blogs können Internetnutzer Projekte melden, bei denen Flüchtlinge Unterstützung bekommen. Diese Projekte werden dann auf einer Google-Karte eingetragen. Und auch die Amadeu Antonio Stiftung hat eine Karte erstellt: Dort sind fremdenfeindliche Aktionen in Deutschland dokumentiert. Leere Stellen gibt es kaum.