Berlin. Das Spielbrett von “Colt Express“ ist ein dreidimensionaler Zug, die Spieler sind ballernde und prügelnde Banditen.

Schießen, schlagen, Gewalt als bestimmendes Spielelement - was bei vielen Computerspielen dazu gehört, ist auch bei klassischen Brettspielen für die Familie nicht mehr tabu. Die verrückte Westernparodie „Colt-Express“ (Verlag Ludonaute) gewann am Montag die begehrte Auszeichnung „Spiel des Jahres“ 2015. Per Aktionskarten wird hier geballert und die Konkurrenten buchstäblich aus dem (Spiel-)Feld geschlagen, was das Zeug hält. Mit dem actionreichen Spiel überzeugte der Franzose Christophe Raimbault die Jury und setzte sich gegen Hunderte Mitbewerber durch.

Zum 37. Mal kürte eine achtköpfige Jury am Montag in Berlin das Spiel des Jahres. Zum 5. Mal wurde das Kennerspiel des Jahres ausgezeichnet. Es wurde speziell für ausgefuchste Spieler erdacht, die Wert auf Strategie legen. Der Wettbewerb wird dabei immer internationaler. „Von 15 empfohlenen Spielen auf unserer Liste kommen 12 Autoren aus dem Ausland“, sagt Tom Felber, der Vorsitzende des Vereins Spiel des Jahres e.V..

Die deutsche Spieleindustrie hat die anderen Länder aus Sicht des Vorsitzenden von Spielverlage e.V., Hermann Hutter, ein Stück infiziert. „Deutschland ist Weltmeister im Export von Spielen“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Seit Jahren mache die Branche einen stabilen Umsatz von rund 400 Millionen Euro im Jahr. Mit Zulieferern lebten rund 10 000 Menschen davon.

Für Olaf Zimmermann, Sprecher des Deutschen Kulturrates, ist der Exportboom kein Wunder. „Spielen ist eine der ursprünglichsten Ausdrucksformen in jeder Kultur. In jeder Gesellschaft wurden Spiele erfunden.“ Deshalb sei es so wichtig gewesen, dass seit 2008 die Verbände der Entwickler von analogen wie digitalen Spielen Mitglieder im Deutschen Kulturrat seien. „Spiele müssen Teil der kulturellen Familie sein.“

Erfinder Raimbault hat sich für seinen „Colt-Express“ auch vom Spielmaterial her etwas Neues einfallen lassen. Gespielt wird auf einem dreidimemensionalen Zug und nicht auf einem flachen Brett. Nicht irgendein Kult-Western stand Pate für seine Spielidee, sondern der von ihm geliebte Comic „Lucky Luke“, verrät der Franzose. In der Westernparodie schlüpfen die Spieler in die Rolle von Banditen, die Reisende ausrauben und sich dann noch als „Ober-Bandit“ qualifizieren, indem sie den anderen ihre Beute abjagen.

Zunächst kann sich jeder Spieler einen von sechs Charakteren mit besonderen Eigenschaften wie bessere Schussfähigkeit oder besondere Cleverness aussuchen. Mit Hilfe von Aktionskarten wird ein Aktionsplan erstellt, den es dann umzusetzen gilt. Doch die anderen funken kräftig dazwischen - wer gerade noch feixt, tappt vielleicht gerade in den nächsten Hinterhalt. „Diese Mischung aus Planung und Chaos hat Charme und Witz“, urteilte die Jury.

Doch auch die Mit-Nominierten „Machi Koro“ (Verlag: Kosmos) aus Japan und „The Game“ (Verlag: Nürnberger Spielekarten-Verlag) hätten den Sieg aus Sicht Felbers verdient. „Wir hatten selten einen so starken Jahrgang“, sagt der Jury-Präsident. Beim Kartenspiel „The Game“ spielen alle nach simplen Regeln. Reden und sich helfen ist ausdrücklich erwünscht. Denn nur zusammen können sie gewinnen oder verlieren. Beim Brett- und Würfelspiel „Machi Koro“ aus Japan gewinnt, wer mit den besten Visionen und einer Portion Würfelglück das meiste Geld in einer aufblühenden Stadt verdient.

Das Kennerspiel des Jahres „Broom Service“ (Verlag: alea/Ravensburger) entführt ins Reich der Hexen und Druiden (Broom ist der Besen, auf dem die Hexen fliegen). Wer braut die besten Zaubertränke und liefert sie sicher ab? Dabei müssen die Spieler ständig entscheiden, ob sie mutig und damit lukrativer oder feiger und damit weniger gewinnträchtig handeln. Wer jedoch zu mutig ist, kann auch alles verlieren. Dieser Entscheidungszwang „sorgt für Spannung am Fließband“, bilanzierte die Jury.

(dpa)