Berlin. Von wegen lustiges Studentenleben: Studie belegt Prüfungsdruck und Zukunftsängste. Jeder Fünfte hat psychische Probleme.

Lustiges Studentenleben? Von wegen: Viele leiden unter Prüfungsdruck, Geldsorgen und Zukunftsängsten. Die große Mehrheit der Studenten in Deutschland fühlt sich unter Druck, viele sind stressbedingt erschöpft, bei jedem Fünften haben Ärzte bereits psychische Probleme festgestellt. Vor allem ältere Studenten bekommen immer öfter Antidepressiva verordnet, wie eine neue Studie der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt.

„Erschreckend“ findet TK-Chef Jens Baas die Zahlen. Zumal die Studie zeigt, dass viele Studenten dem Stress wenig entgegenzusetzen haben: Etliche machen zu wenig Sport, daddeln zu viel mit dem Smartphone und greifen zu oft zur Flasche. Ein Viertel aller Studenten bezeichnet sich selbst als Sportmuffel. Fast drei Viertel entspannen sich gerne online - die Frauen sind in sozialen Netzwerken unterwegs, die Männer lieber in digitalen Spielewelten. Und: Jede dritte Studentin und fast jeder zweite Student gibt offen zu, dass sie versuchen, den Stress wegzutrinken.

Für die Studie hatte die Kasse Daten von rund 190.000 Versicherten ausgewertet und zusätzlich 1000 Studierende zu ihrem Umgang mit Stress befragt. Im Vergleich zu ihren berufstätigen Altersgenossen sind Studenten demnach zwar insgesamt gesünder – sie gehen seltener zum Arzt und bekommen weniger Medikamente verschrieben – stehen aber psychisch stärker unter Druck. Die wichtigsten Stressauslöser sind laut Umfrage die Prüfungen, der Lernstoff, die Doppelbelastung durch Studium und Jobben, die Angst vor schlechten Noten und davor, nach dem Abschluss keinen Job zu finden, sowie finanzielle Sorgen.

Vieles davon hat auch früheren Generationen schon das Leben schwer gemacht - neu sei jetzt, so Baas, dass die Generation Smartphone nicht mehr richtig abschalten könne. Und: „Sie haben Probleme, sich zu konzentrieren, wenn die Ablenkung nur einen Mausklick entfernt ist.“ Laut der Krankenkassen-Umfrage lässt sich jeder Zweite von seinen digitalen Medien vom Lernen abhalten. Der Berliner Gesundheitswissenschaftler Burkhard Gusy findet das bedenklich: Immerhin seien die Studenten von heute die Führungskräfte von morgen. Konzentrationskraft und ein kluger Umgang mit Spannung und Entspannung seien Schlüsselqualifikationen. Wie soll jemand künftig Verantwortung für andere übernehmen, der das nicht einmal für sich selbst schafft?

Doch der Stress der Studenten, sagt Gusy, habe noch ganz andere Ursachen: Durch die frühere Einschulung einerseits und die fehlende Bundeswehrzeit andererseits kommen heute viel jüngere Studenten an die Universitäten: Manche sind noch nicht mal erwachsen - und müssen sich gleichzeitig im eng getakteten Studium zurechtfinden, von zu Hause ablösen und einen eigenen Haushalt führen. Bei älteren Studentinnen und Studenten tauchen dagegen neue Fragen auf: Lassen sich Kind und Studium vereinbaren? Was tun, wenn das BAfög ausläuft? Die Folge: Der Stresslevel auf dem Unicampus liegt höher als im Durchschnitt der Bevölkerung.

Dabei sind kurze Stressphasen nicht schlimm – ungesund wird Stress erst, wenn er zum ständigen Begleiter wird: Mehr als jeder vierte Hochschüler hat laut Umfrage schon erlebt, dass die üblichen Entspannungstechniken nicht mehr weiterhelfen. Viele suchten sich professionelle Hilfe bei Beratungsstellen und Therapeuten oder ließen sich sogar stationär behandeln. Jede 20. Studentin schluckte im letzten Jahr Antidepressiva, bei den über 32-Jährigen war es sogar jede Zehnte.

Sind Frauen also weniger stressresistent als Männer? „Insgesamt zeigt sich“, so Baas „dass die männlichen Studenten eher zu ungesünderen Relax-Methoden tendieren.“ Rauchen, Cannabis und Aufputschmittel sind bei Studenten weiter verbreitet als bei den Studentinnen.